Halbe Sachen für Europas Schiene

Das Europäische Parlament hat inzwischen die "technische Säule" des Eisenbahnpakets endgültig verabschiedet. Damit ist der Weg frei für die europaweite Zulassung von Eisenbahntechnik durch die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) in Lille. Bislang benötigen Eisenbahnunternehmen für Waggons oder Lokomotiven eine Zulassung und ein Sicherheitszertifikat von jedem Mitgliedstaat, in dem sie zum Einsatz kommen. In Zukunft können sie zwischen der nationalen und der europäischen Zulassung wählen. Damit alleine könnten die Firmen in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen Euro Verwaltungskosten einsparen, sagte die Verkehrskommissarin Violeta Bulc. Agentur soll Vorschriften straffen Die ERA erhält außerdem mehr Zuständigkeiten gegenüber den nationalen Eisenbahnbehörden. Sie soll dafür sorgen, dass die nationalen Vorschriften "gestrafft" und einheitlich umgesetzt werden. Für die Umsetzung der Sicherheitsvorschriften bleiben zwar die nationalen Behörden zuständig, sie werden dabei aber von der ERA genauer kontrolliert. In Lille werde bereits an einem "Aktionsplan" gearbeitet, um Widersprüche zwischen den nationalen und den europäischen Regeln zu beseitigen, heißt es in Brüssel. Die Kommission hofft, dass dadurch die "verdeckte Diskriminierung" von Newcomern auf den nationalen Schienennetzen erschwert wird. Die Vereinfachung der technischen Vorschriften werde "den grenzüberschreitenden Verkehr fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn verbessern". Die Vereinfachung und Vereinheitlichung der technischen Zulassungsverfahren wird von der Branche ebenso einhellig begrüßt wie von den Parteien im Europäischen Parlament. "Wenn die EU-Mitgliedstaaten die jetzt beschlossenen Regeln vollständig umsetzen, wird der nachhaltige Verkehrsträger Schiene im Wettrennen mit der Straße wieder attraktiver für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Logistikbranche", sagt der SPD-Abgeordnete Ismail Ertug. Umstritten ist dagegen der zweite Teil des Eisenbahnpakets, die "Marktsäule", der den Personenverkehr auf der Schiene liberalisieren soll. Rat und Parlament haben sich auch darauf im Grundsatz verständigt und der Ministerrat hat den Kompromiss, der den Vorstellungen der Mitgliedstaaten weitgehend entspricht, bereits akzeptiert. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments steht dagegen noch aus. Sie soll aber noch in diesem Jahr erfolgen. Wie bereits im Güterverkehr, erhalten ausländische Eisenbahngesellschaften auch im Personenverkehr dann gleichberechtigten Zugang zu den nationalen Schienennetzen - im Prinzip. Die liberale Europa-Abgeordnete Gesine Meißner bezweifelt das. Die Monopole der französischen und der deutschen Staatsbahn blieben weitgehend unangetastet. Der mit dem Ministerrat erzielte Kompromiss werde die Finanzströme innerhalb der großen Eisenbahngesellschaften, die das Schienennetz betreiben und gleichzeitig darauf herumfahren, nicht transparenter machen: "Stattdessen werden mehr Grauzonen geschaffen und die nationalen Monopole gestärkt." Auch der Dachverband der privaten Eisenbahngesellschaften, ERFA, ist enttäuscht: "Die Gewinner dieses Kompromisses sind umweltschädlichere Verkehrsträger, allen voran die Straße, die schon bislang von der Reformverweigerung der Bahn profitieren", sagt ERFA-General-Sekretärin Julia Lamb. Der Güterverkehr Die Bedeutung des Eisenbahnpakets für den Güterverkehr Der Güterverkehr ist direkt nur von den technischen Vorschriften betroffen. Güterwagen und Lokomotiven, die in mehreren EU-Staaten zum Einsatz kommen, können leichter und schneller zugelassen werden. Das senkt die Kosten und erhöht die Flexibilität. Aber die Möglichkeiten der großen Netzbetreiber, ihren Wettbewerbern Knüppel in die Speichen zu schieben, bleiben erhalten. Die Güterverkehrsunternehmen müssen deswegen auch in Zukunft damit rechnen, dass sie für die Nutzung der Schienen überhöhte Preise zahlen und ihnen der Zugang zu den attraktivsten Strecken- und Zeitabschnitten (Slots) verwehrt bleibt. tw

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