Rotterdam. Die Regierungen der für die Weltwirtschaft wichtigsten Industriestaaten müssen endlich klare Botschaften an die internationalen Finanzmärkte richten, um diese zu beruhigen. Es gelte dringend, einer sich immer spürbarer verbreitenden negativen Grundstimmung in der Wirtschaft sowie wachsenden Zukunftsängsten bei den Endverbrauchern wirksam Einhalt zu gebieten. Das forderte Hans Smits, Generaldirektor des Hafenbetrieb Rotterdam (HbR), am Mittwochmorgen in der Maasstadt anlässlich der Vorlage der Halbjahreszahlen.
Mit Blick auf das Gesamtjahr geht Smits derzeit davon aus, dass die Umschlagentwicklung im jetzt angelaufenen dritten Quartal noch positiv ausfällt. Doch für das vierte Quartal sei eine wachsende Verunsicherung im Markt spürbar. „Unterm Strich" könnte Rotterdam 2011 „mit einem leichten Umschlagplus" abschließen.
Im Hafenvergleich liegt Rotterdam eher im hinteren Bereich
Für das erste Halbjahr weist Europas größter Seehafen mit einem Gesamtumschlag von 215 Millionen Tonnen ein Mengenplus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Damit belegt Rotterdam im Vergleich der wichtigen Wettbewerbshäfen innerhalb der Hamburg-Antwerp-Range einen hinteren Platz. Zum Vergleich: Antwerpen kam im abgelaufenen Berichtsjahr mit Antwerpen mit 96 Millionen Tonnen auf ein Plus von 10,4 Prozent, Hamburg konnte mit 64,1 Millionen Tonnen um 9,4 Prozent zulegen, Bremen erreichte mit 40,5 Millionen Tonnen ein Plus von 16,5 Prozent und Zeebrügge kam mit 24,4 Millionen Tonnen auf ein Minus von 1,5 Prozent. Die Hafengruppe Amsterdam will ihre Zahlen ebenfalls noch im August vorlegen.
Bei der Rotterdamer Umschlagentwicklung bot sich in den verschiedenen Güterarten ein uneinheitliches Bild. So freut sich der Hafenbetrieb über das Containersegment. Auf TEU-Basis kam der Maashafen im Berichtszeitraum auf rund sechs Millionen Standardcontainer (TEU) – ein Plus von 9,7 Prozent. Auch hier lohnt sich ein Vergleich mit den wichtigsten Nachbarhäfen. Antwerpen schlug 4,4 Millionen TEU um (plus 4,3 Prozent), Hamburg behandelte 4,3 Millionen TEU (plus 17,4 Prozent), Bremen bewältigte rund drei Millionen TEU (plus 25 Prozent) und Zeebrügge musste mit 1,2 Millionen TEU sogar einen Rückgang von 6,8 Prozent verkraften. Auf Tonnen-Grundlage wurden in Rotterdam im ersten Halbjahr rund 74,7 Millionen Tonnen (plus 12,2 Prozent) umgeschlagen.
Containerverkehre in die Ostsee liegen gut auf Kurs
Zur erfreulichen Containermengenentwicklung Rotterdams trugen vor allem die starken Fernost- und die Südamerika-Verkehre bei. Hingegen verlor Rotterdam im Nordamerika-Verkehr aufgrund von Umstrukturierungen der in diesem Fahrtgebiet tätigen Reedereien. Als Hamburg am Montag dieser Woche seine Zahlen vorstellte, freute sich der Hafen seinerseits über besonders starke Zuwächse im Nordamerika-Verkehr. Innerhalb Europas profitiert Rotterdam vom starken Transshipment-Verkehr mit den Ostseeanrainern, allen voran mit Russland, sowie über einem soliden Shortsea-Verkehr mit dem UK und Irland.
Recht erfreulich entwickelt sich für Rotterdam auch der wertschöpfungsintensive konventionelle Stückgutumschlag. Er legte im ersten Halbjahr 2011 um fast 28 Prozent auf 4,1 Millionen Tonnen zu. Vor allem der Umschlag von Stahlbrammen, die in Brasilien erzeugt und in Rotterdam gelöscht wurden, erwies sich als Tonnagebringer.
Rohölumschlag verringerte sich deutlich
Der Massengutumschlag erreichte im Berichtszeitraum rund 140,2 Millionen Tonnen und liegt damit um gut 4,1 Prozent unter Vorjahresniveau. Dabei steuerten Flüssiggüter rund 97,1 Millionen Tonnen (minus 6,9 Prozent) und trockene Massengüter gut 43 Millionen Tonnen bei (plus drei Prozent).
Bei der Flüssigladung sind zwei Entwicklungen aus Rotterdamer Sicht bemerkenswert. So begann im ersten Halbjahr das Umschlaggeschäft mit einer neuen Gütergruppe: LNG. Noch im September wurde der neue LNG-Terminal in Rotterdam seiner Bestimmung übergeben. Die andere Entwicklung betrifft den Rohölumschlag. Er ging mit 8,3 Prozent auf 46,2 Millionen Tonnen zurück. Smits: „Damit bewegt sich das Ergebnis im historischen Jahresvergleich eher am unteren Rand." Zwei wesentliche Gründe trugen dazu bei. Zum einen wurden im Berichtszeitraum verschiedene Raffinerien in Rotterdam überholt, so dass entsprechende Verarbeitungskapazitäten ausfielen. Darüber hinaus ging die Nachfrage nach Rohöl auf wichtigen Märkten zurück. Und auch das gehört dazu: Die großen Ölkonzerne vollziehen weltweit eine Verlagerung ihrer Rohölverarbeitung in die Förderländer. Auch das bekommt ein Ölhafen, wie Rotterdam es ist, zu spüren. (eha)