Grüne Logistik

Grüne Logistik Alternative zur Umweltzone Dass sich die Belieferung von Gaststätten in der Innenstadt intelligenter gestalten lässt, will man in Nürnberg mit dem Pilotprojekt Grüne Logistik beweisen. Das Damoklesschwert einer Zufahrtsbeschränkung der Innenstadt liegt zwar derzeit auf Eis, aber auch in Nürnberg ist das Thema Umweltzone längst kein Tabu mehr. Mit einem bemerkenswerten Projekt zur Optimierung der Gastronomiebelieferung wollen fünf Getränkelogistiker und -hersteller zeigen, dass man den städtischen Lieferverkehr auch durch intelligente Logistikkonzepte verbessern kann. Seit März läuft das vom Freistaat Bayern mit 70.000 Euro geförderte und auf 18 Monate angelegte Projekt in Kooperation mit der Georg-Simon-Ohm-Hochschule und dem Umweltreferat der Stadt Nürnberg. Beteiligt sind neben drei lokalen Getränkelogistikern die Brauerei Lammsbräu aus Neumarkt sowie die Coca Cola Erfrischungsgetränke. Die Idee: Im Projekt „Grüne Logistik“ soll die Belieferung der Nürnberger Gaststätten besser koordiniert und dadurch die Anzahl von LKW-Fahrten verringert werden. Getränkelieferungen werden in einem innenstadtnahen Cross-Docking-Lager unternehmensübergreifend zunächst gebündelt und dann zu möglichst gut ausgelasteten Touren zusammengestellt. Unter anderem soll eine einheitliche Tourenoptimierungssoftware zum Einsatz kommen. Auf diese Zielvorgaben haben sich die Projektpartner verständigt: weniger Lieferanten pro Abladestelle bei gleicher Servicequalität ohne Verteuerung der Prozesse Unterm Strich sollen dadurch 158.000 LKW-Kilometer eingespart werden – mit entsprechend positiver Umweltbilanz. Das Minderungspotenzial beziffert Professor Ralf Bogdanski, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, mit 185.000 Kilogramm Kohlendioxid, 790 Kilogramm weniger Stickoxide und 18 Kilogramm weniger Feinstaub. „Wir wollen die Lieferfahrten um die Hälfte reduzieren“, erklärt der Leiter des Kompetenzzentrums Logistik an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg (siehe Interview). Eines der beteiligten Unternehmen ist die Getränke Karas Vertriebs GmbH aus Lichtenau. Karas-Geschäftsführer Jürgen Orth erklärt, warum er sich an dem Projekt beteiligt: „Die Gastronomiebelieferung im Innenstadtbereich ist ein sehr anspruchsvolles Thema und mit zahlreichen Restriktionen belegt, die die Wirtschaftlichkeit von Transporten oft infrage stellen.“ In Nürnberg kämpfen Unternehmen mit strengen Zeitfenstervorgaben seitens der Stadt. Denn die Belieferungen der Wirte sind nur innerhalb von wenigen Stunden möglich. Der gesetzte Zeitkorridor hat zur Folge, dass teilweise mehrere Fahrzeuge desselben Unternehmens aus unterschiedlichen Richtungen Ziele im Innenstadtbereich anfahren müssen, um die städtischen Zeitvorgaben einzuhalten. Durch Lockerung der Zeitbeschränkung könnte man die Anzahl der Fahrten um 15 bis 20 Prozent verringern, ist Orth überzeugt. Unwirtschaftliche Mehrfachbelieferung Dem Getränkelogistiker geht es nicht zuletzt darum, Berührungsängste zwischen den Marktteilnehmern abzubauen. „Die Getränkehersteller bringen ihre Produkte häufig selbst zum Abnehmer. So kommt es, dass beispielsweise ein Erfrischungsgetränkehersteller dieselbe Gaststätte beliefert, die auch von der örtlichen Brauerei angefahren wird. Und dann kommen wir als herstellerunabhängiger Lieferant und bringen vielleicht noch eine weitere Biersorte“, erklärt Orth. Am Ende führen jedoch alle drei nicht wirtschaftlich. Es wäre daher nicht nur deshalb sinnvoll, die Volumina stärker zu bündeln. Auch für die Umwelt wäre dies schonender, ist Orth überzeugt. Durch die Datenerhebung erhofft sich Orth ein genaueres Bild darüber, wie viele Doppelbelieferungen es im Innenstadtbezirk tatsächlich gibt. Orth: „Wir sind natürlich auch gespannt, wie die Kommunalverwaltung reagiert, wenn wir durch unsere Initiative tatsächlich eine spürbare Entlastung des Innenstadtverkehrs erreichen.“ Unter anderem erhofft sich die Wirtschaft eine Lockerung der engen Zeitfensterbeschränkungen. ❙❚■ Dietmar Winkler Übergabe des Förderbescheides (v. l.): IHK-Vizepräsident Harald Leupold, Professor Ralf Bogdanski, Bayerns Umweltminister Markus Söder und Nürnbergs Umweltreferent Peter Pluschke Grüne Logistik City-Logistik Per Cross-Docking und Tourenplanung den Zulieferverkehr optimieren Bündelung von Getränkelieferungen in einem Cross-Docking-Lager, bessere Auslastung von Lieferfahrzeugen und weniger LKW-Kilometer in der Innenstadt. Damit will man in Nürnberg künftig Parallelbelieferungen durch Getränkehersteller und -Lieferanten vermeiden. diwi Im innenstadtnahen Cross-Docking-Lager werden die Sendungen konsolidiert X-Dock Empfänger Versender Ziel ist die Halbierung der Lieferfahrten Am Anfang steht die Datensammlung, erklärt Professor Ralf Bogdanski von der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg. Warum befasst sich das Projekt ausgerechnet mit der Getränkebelieferung? Ralf Bogdanski: In der Nürnberger Altstadt haben wir sehr viel Gastronomie auf engem Raum. Der damit verbundene Lieferverkehr bringt sehr viel Tonnage in die Innenstadt. Wegen der sehr engen Vertragsbindung zwischen Lieferanten und Kunden waren unternehmensübergreifende Optimierungen der Logistik bisher kaum möglich. Zudem führt die Lieferzeitbeschränkung in der Nürnberger Innenstadt dazu, dass Touren schlecht geplant und Fahrzeuge häufig nur ungenügend ausgelastet werden können. Alles in allem bietet die Branche sehr viel Optimierungspotenzial bei einer überschaubaren Anzahl beteiligter Unternehmen. Was tun Sie in der ersten Projektphase? Wir erheben exakte Daten über die Kunden-Lieferanten-Beziehungen sowie Tour- und Fahrzeugdaten, unter anderem Verbrauchsdaten, Kilometerfahrleistung, Auslastung pro LKW und Motorisierung. Und wir suchen gezielt sich überschneidende Quelle-Senke-Beziehungen. Anhand von Simulationen wollen wir anschließend sehen, welches Optimierungspotenzial wir bei der Belieferung tatsächlich haben und zwar unter Berücksichtigung aller Lieferservicevorgaben, die sich zwischen drei Tagen Bestellvorlauf und 24-Stunden-Service bewegen. Unser Ziel ist es, die Lieferfahrten um die Hälfte zu reduzieren. Mal allgemein gefragt: Wen halten Sie für kooperationsfähiger – Logistikdienstleister oder Verlader? Sicher stehen die Dienstleister hinsichtlich der Margen unter einem hohen Druck. Der Kooperationswille ist daher aus ganz pragmatischen Gründen größer als in der verladenden Industrie, wo das Markendenken in der Regel einen größeren Stellenwert hat. Es hängt aber auch von der Unternehmensgröße ab. Mittelständische Unternehmen mit kurzen Entscheidungswegen sind für solche Projekte offener als Großunternehmen. Welche Rolle spielt die Frage der Gebinde bei der Optimierung? In der Gastronomiebelieferung kommt anders als im Getränkehandel ein Sammelsurium unterschiedlicher Gebinde zum Einsatz: Einweg- und Mehrwegflaschen sowie die unterschiedlichsten Fässer, die meist herstellergebunden zurückgeführt werden müssen. Die effiziente Rückführung ist nicht zuletzt wegen des hohen materiellen Wertes der Gebinde ein großes Thema. Wir wollen deshalb auch die Rückführung leerer Gebinde über das Cross-Docking-Lager verbessern. diwi Interview Ralf Bogdanski

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