GroKo-Arbeitspapier liegt endlich vor

CDU, CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag für eine neue schwarz-rote Regierung verständigt. Nach einer abschließenden, über 24 Stunden dauernden Sitzung einigten sich die 91 Unterhändler der Parteien auf ein 177 Seiten langes Arbeitspapier, das sich ausführlich auch mit dem Thema Verkehrspolitik beschäftigt. Daraus geht hervor, dass in der neuen Legislaturperiode mindestens genauso viel Geld in die Verkehrsinfrastruktur fließen soll wie aktuell. Die Koalitionäre versprechen erneut ein "Rekordniveau". Grundlage dafür ist der Verkehrswegeplan 2030. Ein neues Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz soll künftig dafür sorgen, dass Verkehrswege schneller realisiert werden können. Für ausgewählte Projekte mit überragendem öffentlichen Interesse sollen die Klagemöglichkeiten auf eine Instanz beschränkt werden analog der Verwaltungsgerichtsverfahren bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Parallel will die neue Bundesregierung auf Grundlage europäischen Rechts das Verbandsklagerecht in seiner Reichweite überprüfen und sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass bestimmte Rechte wieder ausgeschlossen werden. Mit Blick auf die geplante "Infrastrukturgesellschaft Verkehr" des Bundes betonen Union und SPD, dass eine Privatisierung der Straßeninfrastruktur und der Fernstraßengesellschaft ausgeschlossen bleibt. Eine Lkw-Maut für alle Fernstraßen Im Fall einer Fortsetzung der Großen Koalition wollen die Parteien an einer Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen festhalten und auf der Grundlage des neuen Wegekostengutachtens eine durchschnittliche Mauthöhe auf allen Bundesfernstraßen festlegen. Die Mautharmonisierung bleibe weiter Bestandteil der Nutzerfinanzierung. Nicht nur der Straßengüterverkehr wird erwähnt. In der Schifffahrt ist eine bessere Vernetzung der Häfen und Wasserstraßen vorgesehen. Die Luftverkehrswirtschaft wollen Union und SPD stärken, indem sie Flughäfen und Airlines von einseitigen nationalen Kosten entlasten und sich für faire Wettbewerbsbedingungen im Einklang mit europäischen und internationalen Regelungen einsetzen. Der Koalitionsvertrag sagt Sozialbetrug und Sozialdumping im Güterkraftverkehrsgewerbe den Kampf an. Union und SPD wollen sich nach eigenen Angaben für EU-weit einheitliche und faire Wettbewerbsbedingungen in der Logistik einsetzen und entsprechende Kontrollmechanismen optimieren. Deshalb sollen klarere Haftungsregeln entwickelt werden. "Wichtige Kriterien dabei sind die Anwendung der Entsenderichtlinie für Lkw-Fahrer und der Mindestlohnregelungen". Nach Ansicht der möglichen Koalitionäre darf die Kabotage nicht weiter ausgeweitet werden. Auch gewerblich genutzte Transporter unter 3,5 Tonnen sollen in diesem Zusammenhang künftig den Bedingungen des Güterkraftverkehrsrechts unterliegen. Gegen Fachkräfte- und Parkplatzmangel Die Logistikbranche kann nach der Bildung einer Großen Koalition mit Gesprächen über die Behebung des Fachkräftemangels rechnen. Zumindest betonen die Parteien, dass sie entsprechende Ausbildungsinitiativen unterstützen. Gemeint sind Projekte wie "Hallo, Zukunft!" und "Best-BKF", die der Verlag Heinrich Vogel ins Leben gerufen hat, in dem die VerkehrsRundschau erscheint. Geplant sind die Einführung eines elektronischen Frachtbriefs in der Europäischen Union sowie mehr Personal für das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Die Unterhändler haben auch die Klagen des Speditions- und Transportgewerbes wegen fehlender Autobahnparkplätze aufgenommen und wollen deshalb "weiterhin in den Ausbau des Parkplatzangebots für Lkw auf den Rastanlagen der Bundesautobahnen investieren". Gestärkt werden soll der Kombinierte Verkehr, wobei dies nicht weiter präzisiert wird. Die Genehmigungspraxis für Schwer- und Großraumtransporte soll darüber hinaus beschleunigt und verbessert werden. 740-Meter-Netz für Güterzüge Die Unionsparteien und die SPD bekräftigen, dass sie den Masterplan Schienengüterverkehr umsetzen wollen. Das beinhaltet vor allem die "Schaffung eines deutschlandweiten 740-Meter-Netzes für Güterzüge bis 2020", die Automatisierung des Güterverkehrs sowie die Senkung der Trassenpreise. Neu ist in dem Papier, dass ein "hochrangiger Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr" eingesetzt werden soll. Wenig überraschend ist dagegen, dass die drei Parteien am integrierten Konzern Deutsche Bahn AG festhalten und die Privatisierung des Unternehmens ablehnen. Die Bahn kann, wie bereits vereinbart, mit dem Abschluss einer neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) rechnen. Lkw-Assistenzsysteme sollen Plicht sein Die Parteien verpflichten sich außerdem zur Vision Zero, also dazu mittelfristig die Zahl der Verkehrstoten auf null zu senken. Durch Bemühungen für mehr Verkehrssicherheit kommen möglicherweise zusätzliche Kosten auf das Güterverkehrsgewerbe zu. Denn im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir werden Fahrerassistenzsysteme wie nicht abschaltbare Notbremssysteme oder Abbiegeassistenten für Lkw und Busse verbindlich vorschreiben und eine Nachrüstpflicht für Lkw-Abstandswarnsysteme prüfen." Damit die weitere Digitalisierung der Logistik gelingt, versprechen die Koalitionäre: "Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Breitbandversorgung aller Verkehrsträger in den kommenden Jahren sichergestellt und dass schnelles mobiles Internet (5G) durch die Telekommunikations-Unternehmen ausgebaut wird." Fit für die Zukunft machen wollen Union und SPD das Verkehrssystem der Bundesrepublik auch, indem sie Innovationen wie automatisiertes und vernetztes Fahren weiter vorantreiben und dafür den passenden Rechtsrahmen schaffen. Geplant seien neben dem "Digitalen Testfeld Autobahnen" weitere Versuche auf der Straße (insbesondere in den Städten), Schiene und Wasserstraße. Keine Aussage zu Diesel-Fahrverboten Ob Diesel-Fahrverbote wegen der hohen Luftbelastung in vielen deutschen Innenstädten drohen oder nicht, steht nicht im Koalitionsvertrag. Nur so viel versprechen Union und SPD: "Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen." Dafür bedürfe es eines ganzen Bündels von Maßnahmen. Eine Förderung des Schienenverkehrs und der Elektromobilität zum Beispiel bei den leichten Nutzfahrzeugen ist geplant. Begleitend dazu soll eine flächendeckende Lade- und Tank-Infrastruktur für alternative Antriebsarten entstehen. Vor allem sollen die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr an der Quelle weiter reduziert werden. "Dazu gehören - soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar - technische Verbesserungen von Fahrzeugen im Bestand. Hier ist von Nachrüstungen der Motoren die Rede. Jetzt müssen die rund 470.000 SPD-Mitglieder darüber entscheiden, ob ihre Partei die Koalition mit den Unionsparteien fortsetzen soll. Die Befragung und spätere Auszählung dürfte sich bis Anfang März hinziehen. Bis Ende März soll die Regierungsbildung abgeschlossen sein. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Arbeitsmarkt Mehr Aufwand für Betriebe Befristete Jobs sollen laut dem Koalitionsvertrag eingedämmt werden. Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristet anstellen dürfen, Kettenbefristungen verboten werden. Das zunächst gescheiterte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit soll kommen - für Firmen ab 45 Mitarbeitern. Bei 45 bis 200 Mitarbeitern soll dieser Anspruch nur einem pro 15 Mitarbeitern gewährt werden müssen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte sinken. Langzeitarbeitslose sollen bezuschusste Jobs bekommen. Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll den Zuzug ordnen und steuern. dpa/ag So reagiert das Verkehrs- und Logistikgewerbe BGL: Langjährige Forderungen der Güterverkehrsbranche werden berücksichtigtDer Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßt, dass im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD eine Reihe von teils langjährigen Forderungen ihren Niederschlag gefunden hat. Endlich würden Abbiegeassistenten für Lkw verbindlich vorgeschrieben. Positiv wertete der Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt, dass die neue Große Koalition die Kontrollbehörden mit mehr Personal ausstatten will, um die Kontrolldichte zu erhöhen. Der BGL sprach von einem wichtigen Tag für die Verkehrssicherheit. Froh ist der Transportverband auch, dass die GroKo eine einheitliche Mauthöhe für Lkw auf Autobahnen und Bundesstraßen festschreiben will. Dadurch werde eine zusätzliche wirtschaftliche Benachteiligung von Randregionen vermieden. Darüber hinaus ist das Bekenntnis "Sozialbetrug und Sozialdumping darf es auf unseren Straßen nicht geben" von großer Bedeutung für den BGL, der für EU-weit einheitliche und vor allem faire Wettbewerbsbedingungen im Straßengüterverkehr eintritt.Dirk EngelhardtDSLV: Wichtige Signale für den Logistikstandort DeutschlandDer Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) bewertet das grundlegende Mobilitätsbekenntnis der GroKo-Parteien als positives Signal für den Logistikstandort Deutschland. Wichtig ist demnach, dass die neue schwarzrote Bundesregierung am Investitionshochlauf im Verkehrsbereich festhalten und auch durch mehr Vernetzung und schnelleres Internet die digitale Infrastruktur verbessern will.DSLV-Präsident Mathias Krage begrüßte zudem, dass Union und SPD einen Interessenausgleich zwischen Mobilität, Versorgungssicherheit und Umwelt beabsichtigen:"Der Koalitionsvertrag lässt vermuten, dass die Politik verstanden hat, dass nicht die Logistikbranche die Einhaltung der Klimaschutzziele und Luftreinhaltungspläne bremst. Die finanzielle Förderung emissionsarmer Technologien wird sich als das wirksamere ordnungspolitische Instrument zur Umrüstung von Nutzfahrzeugflotten erweisen als pauschale Fahrverbote."Mathias KrageBWVL: Grundsätzlich richtige Vorhaben, aber es bedarf einer weiteren KonkretisierungDer Bundesverband, Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) begrüßt grundsätzlich die Einigung von Union und SPD. Aus seiner Sicht bedürfen viele Punkte jedoch noch einer weiteren Konkretisierung."Für uns ist die Weiterführung des derzeitigen Investitionshochlaufs zentraler Bestandteil zur Sicherung einer leistungs- und konkurrenzfähigen deutschen Wirtschaft. Sehr positiv ist, dass die Verhandlungspartner diesen in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen haben", sagte Hauptgeschäftsführer Christian Labrot zur Einigung. Die vorhandenen Mittel müssten allerdings zielgerichtet - entsprechend dem Verkehrsträgeraufkommen - verteilt und konsequent eingesetzt werden. Auch die Zusage der Koalitionäre zur Sicherung der Mautharmonisierung ist gerade für die die mittelständische Logistikwirtschaft von enormer Bedeutung und im Hinblick auf den Wettbewerbsdruck aus Mittel- und Osteuropa unerlässlich. agChristian Labrot

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