Brüssel. Der Vorstoß von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW zwischen Ländern zu erlauben, in denen diese Fahrzeuge bereits zugelassen sind, ist rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommen sowohl ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, als auch eine Beurteilung der internationalen Anwaltskanzlei Shearman & Sterling. Die Neu-Interpretation der Richtlinie 96/53/EG, die den Einsatz von Lang-LKW innerhalb eines einzelnen Mitgliedsstaates erlaubt, ihn aber für grenzüberschreitende Fahrten bislang verbietet, könne nur auf dem Weg einer normalen Gesetzgebung erfolgen. Eine einfache Neuauslegung durch den juristischen Dienst der EU-Kommission verstoße gegen gültiges Recht und könne vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden.
Über die Schlussfolgerungen des wissenschaftlichen Dienstes informierte gestern der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter. Er hatte die Prüfung beantragt, deren schriftliche Ergebnisse noch unter Verschluss sind. Das Gutachten von Shearman & Sterling ist bereits einsichtig. Es wurde von sechs europäischen Verkehrsverbänden in Auftrag gegeben, darunter der Europäische Eisenbahnverband CER, der Europäische Verband für Kombinierten Verkehr UIRR sowie die Umweltgruppe Transport & Environment. Sie alle lehnen den Einsatz von Lang-LKW grundsätzlich ab.
Kommende Woche soll Kallas seine Pläne im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments erläutern. Gerüchte, dass der Kommissar schon morgen das Thema auf dem Ratstreffen der EU-Verkehrsminister ansprechen will, wollte ein Sprecher der dänischen EU-Ratspräsidentschaft gestern offiziell nicht bestätigen. Die Dänen haben das Thema Lang-LKW als eine Priorität im verkehrspolitischen Bereich während ihrer sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft benannt.
Ende Februar war es in Brüssel zum Eklat gekommen, als bekannt geworden war, dass Kallas grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW zwischen Staaten erlauben wollte, in denen sie schon zugelassen sind. Die Politiker des Verkehrsausschusses im Europaparlament fühlten sich bei dieser Entscheidung übergangen und forderten Kallas dazu auf, den Vorschlag zurückzuziehen. Dieser beugte sich zunächst dem Druck. Äußerungen seines Umfelds lassen aber darauf schließen, dass er weiter an der Neuauslegung des Gesetzestextes festhalten will. (kw)