Grenzenlose Kauflaune

Das Jahr 2017 war ein Rekordjahr für Fusionen und Übernahmen in der Transport- und Logistikbranche. Das zeigt der aktuelle M&A-Bericht der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Europäer sind die aktivste Region Der Untersuchung zufolge wurden weltweit insgesamt 271 Deals ab einem Volumen von 50 Millionen US-Dollar gezählt und damit deutlich mehr als in den Vorjahren. Auch der Gesamtwert der Transaktionen lag mit 134 Milliarden US-Dollar weit über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Besonders rege Zukäufe tätigten im vergangenen Jahr europäische Firmen. Mit einem Transaktionsvolumen von 70 Milliarden US-Dollar lag Europa zum ersten Mal im regionalen Vergleich seit 2012 wieder an der Spitze (Asien: 69 Milliarden US-Dollar; Nordamerika 24 Milliarden US-Dollar). So waren im Jahr 2017 europäische Unternehmen an neun der insgesamt 18 Mega-Deals ab einer Milliarde US-Dollar beteiligt, heißt es in dem PwC-Bericht. Darunter waren sechs Transaktionen mit europäischen Infrastruktur-Targets. Der größte angekündigte Deal betrifft den Bieterwettstreit um den spanischen Mautstraßenbetreiber Abertis. Die deutschen Unternehmen bei Mergers & Akquisitions (M&A) kräftig aktiv. So wurden insgesamt 97 Geschäfte gezählt, an denen deutsche Firmen beteiligt waren oder sind; nach 91 Deals im Jahr 2016 und 60 Deals im Jahr 2015. 20 der 28 Outbound-Deals (deutscher Käufer, ausländisches Zielunternehmen) betreffen Targets in Europa, etwa gleich verteilt auf Passagier- und Frachtsegmente. "Ausgehend von einem wirtschaftlich stabilen Heimatmarkt mit günstigen Finanzierungsbedingungen, streben deutsche Akteure eine Ausweitung ihrer Marktanteile in Europa an", erklärt Dietmar Prümm, Leiter des Bereichs Transport und Logistik bei PwC, die Kauflust der deutschen Firmen. Begehrtes Kaufziel: Lkw-Transporteure In der Logistik bleibt die M&A-Aktivität auf hohem Niveau: Mehr als ein Drittel der 2017 angekündigten Übernahmen betreffen Unternehmen aus diesem Sektor. Die Anzahl der Deals lag mit 98 fast 25 Prozent über dem Vorjahr. Allerdings erreichte das Gesamtvolumen mit 46 Milliarden US-Dollar nicht den Wert aus 2016 (52 Milliarden US-Dollar). Rund ein Drittel der Deals aus dem Logistiksektor entfiel 2017 auf Lagerhäuser und Distributionszentren - nicht zuletzt aufgrund des starken Wachstums im Online-Handel. Auch Lkw-Transportdienstleister wurden 2017 stärker aufgekauft als in den Vorjahren. "Triebfeder für die Übernahmen in diesem Sektor ist unverändert die Konsolidierung in lokalen beziehungsweise regionalen Märkten, zum Beispiel in China mit allein 13 entsprechenden Transaktionen", führt Prümm aus. So würden Investoren das Ziel verfolgen, ihre Netze zu vergrößern. Ein weiterer Schub komme durch die Digitalisierung. So waren einige Trucking-Plattformen Gegenstand von Transaktionen, zum Beispiel Huochebang (China) und Zinka (Indien). Auch die zunehmenden Verkehre auf der letzten Meile können hier laut Prümm eine Rolle spielen, zumindest im Segment "Local Trucking". Run auf Hightech-Ziele Die Digitalisierung beeinflusst die Auswahl von Targets im gesamten Transportund Logistiksektor immer stärker: "Insbesondere Logistik- und Trucking-Anbieter nehmen zunehmend Hightech-Ziele ins Visier, etwa aus den Bereichen Internetanwendungen und Software", beobachtet Prümm. "Besonders bei den Lkw-Transportdienstleistern deute sich ein Digitalisierungsschub an", sagt er. "Die Anbieter von Trucking-Plattformen und Online-Speditionen stehen aktuell hoch im Kurs." Der PwC-Mann ist deshalb überzeugt, dass die Digitalisierung auch in diesem Jahr die Dynamik der Transport- und Logistikbranche prägen und zu einem weiterhin hohen M&A-Niveau beitragen werde. Luftfahrt: EU-Konsolidierungswelle? Besonders in Bewegung war der Luftverkehrsmarkt im Jahr 2017: Weltweit zählte PwC hier 40 Transaktionen. Der Transaktionswert lag im vergangenen Jahr bei 21 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer Steigerung von fast 50 Prozent im Vergleich zu 2016. Ein Grund dafür ist die hohe Zahl an Infrastruktur-Targets, heißt es in der Analyse. In Deutschland prägte vor allem die Air-Berlin-Pleite das M&A-Geschehen in der Luftfahrtbranche. Diese Neuordnung infolge der Insolvenz könnte der Beginn einer Konsolidierungswelle im fragmentierten europäischen Luftverkehr werden, schätzt Prümm. "Die europäischen Kartell- und Regulierungsbehörden werden jedoch sehr genau hinschauen." Schifffahrt: Weiterhin Überkapazitäten Für Reedereien war das Jahr 2017 ebenfalls von anhaltend schwierigen Marktbedingungen geprägt. So kämpfen die Container-, Bulk- und Tankschifffahrt mit Überkapazitäten und kaum auskömmlichen Charterraten. Deshalb wurden 2017 in etlichen Segmenten Konsolidierungsprozesse angestoßen. Die Anzahl der Deals stieg von 55 im Jahr 2016 auf 76. Der Gesamtwert der Transaktionen blieb aber mit 22 Milliarden US-Dollar hinter dem Vorjahreswert (35 Milliarden) zurück. Hohes M&A-Tempo auch 2018 Und wenn man den PwC-Experte Prümm fragt, dürfte das M&A-Niveau in diesem Jahr auf einem ähnlich hohen Wert bleiben wie im zurückliegenden Jahr. Ein Motor werde hier vor allem die digitale Transformation der Logistik sein, erwartet er. Denn jedes Unternehmen der Transport- und Logistikbranche müsse sich dieser Herausforderung stellen. M&A sei dabei eine der Optionen neben Kooperationen und eigenen Entwicklungen. Ob sich die chinesischen Outbound-Übernahmen in diesem Jahr allerdings auf dem Niveau von 2017 fortsetzen, bleibt laut Prümm abzuwarten. Gründe seien hier die hohe Verschuldung chinesischer Betriebe sowie die zunehmende Skepsis von Regulatoren in westlichen Ländern gegenüber chinesischen Käufern. Mehr zum Thema im Dossier Mergers & Akquisitions www.verkehrsrundschau.de/dossiers