Frühzeitig den Boden bereiten

Genau vier Anläufe benötigte Wolfgang Stromps, um einen Nachfolger für seine Krefelder Spedition zu gewinnen. "Meine zwei Kinder winkten ab, weil sie nach ihrem Medizin- und Jurastudium beruflich völlig andere Wege einschlagen wollten", berichtet der 75-jährige Unternehmer. "Daraufhin suchte ich unter Verwandten und Freunden nach Kandidaten." Für sein Unternehmen, das auf Großbritannien- und Irland-Verkehre spezialisiert ist, interessierten sich immerhin zwei Personen aus diesen Kreisen. Beide zogen jedoch Karrieren in Logistikkonzernen vor.Am Ende konnte Stromps den jungen Niederlassungsleiter einer süddeutschen Spedition für seine Firma begeistern. Mit diesem Nachwuchslogistiker, den er bereits als Schüler kannte, leitet er seit über 15 Jahren die Spedition. "Wenn die eigenen Kinder für die Nachfolge nicht infrage kommen, muss ein Unternehmer mehrere Optionen prüfen", zieht Stromps Bilanz.Wenn Plan A scheitere und auch Plan B sich als untauglich erweise, müsse eben Plan C oder D gemacht werden.Stromps ist kein Einzelfall. Knapp jeder zweite Familienunternehmer kann seine Kinder nicht für sein Lebenswerk begeistern. Diesen Schätzwert nennt Marc A. Heinisch, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Conmoto in München. "Gerade Unternehmer, die die Nachkriegszeit erlebt haben und später rund um die Uhr arbeiteten, haben Mühe, den Nachwuchs für die Nachfolge zu gewinnen", sagt Heinisch. "Viele Söhne und Töchter wollen ein anderes Leben führen und wünschen eine Work-Life-Balance, bei der die Freizeit nicht zu kurz kommt."Die Größe des Betriebs spiele hierbei keine Rolle. "Wenn der Inhaber sein Lebenswerk trotzdem erhalten will, muss er mehrere Optionen prüfen und darf sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen", bekräftigt der Berater. Auch viele Logistikbetriebe stehen vor dieser Herausforderung: In den nächsten fünf Jahren suchen bis zu 1500 Unternehmen eine Nachfolge.Manche trauen den Kindern zu wenig zuFür manche Inhaber kommt eine Betriebsübernahme durch die Kinder nicht infrage, weil sie diesen eine Unternehmensführung nicht zutrauen oder eine andere berufliche Zukunft für sie wünschen. Der eine oder andere Chef schiebt seine Entscheidung jahrelang vor sich her. So kennt Heinisch den Fall eines Spediteurs, der erst kurz vor seinem 80. Geburtstag sein Unternehmen an einen Netzwerkpartner verkauft hat. Zuvor hatte er seine Tochter über Jahre hinweg als stellvertretende Geschäftsführerin beschäftigt. Für Heinisch hat der Unternehmer viel zu spät gehandelt: "Wenn die Kinder ihr Studium abschließen und sich auf ihren künftigen Beruf festlegen wollen, muss eine Entscheidung getroffen werden." Ein konkretes Lebensjahr nennt Rüdiger Ostrowski. "Ab seinem 50. Geburtstag sollte ein Unternehmer die Weichen stellen", sagt der Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik (VSL) Nordrhein-Westfalen. Als Gründer der Unternehmensberatung DiaLog hat der Verbandschef regelmäßig mit Unternehmern zu tun, die ihre Nachfolge regeln müssen. "Heute wollen viele jüngere Inhaber nicht mehr bis 70 arbeiten", weiß Ostrowski.Auch die Banken bestehen als Folge der verschärften Kreditvorgaben von "Basel 2" und "Basel 3" auf eine möglichst frühe Regelung. Bei vielen Ratings pochen sie auf ein Nachfolgekonzept. Wenn ein solches vereinbart worden ist, fällt ein Urteil über die Kreditwürdigkeit naturgemäß leichter. Bei Ausscheiden des Seniors scheinen Rückzahlungen einigermaßen sicher. Dieses Argument bekam auch Stromps zu hören. "Weil meine Hausbank früh an mich herantrat, habe ich mich bereits Anfang des letzten Jahrzehnts mit diesem Thema beschäftigt", bekennt der Unternehmer.Steuerberater in die Suche einbindenAuch seine weitere Vorgehensweise halten Unternehmensberater für vorbildlich. "Zwischen zwei und fünf Jahre dauert erfahrungsgemäß der Aufbau eines Nachfolgers", weiß Heinisch. Die Suche sollte auf jeden Fall im persönlichen Umfeld beginnen. Hier findet der Unternehmer Ansprechpartner, die überzeugende Empfehlungen für eine künftige Führung aussprechen können. Allerdings sollte er nicht nur im Beirat sondieren, empfiehlt Heinisch. "Viele Mitglieder sind Unternehmer der gleichen Generation und haben selbst mit Nachfolgeproblemen zu kämpfen", gibt der Unternehmensberater zu bedenken. Auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollten gehört werden. Mancher kann interessante Kandidaten aus seinem Kundenstamm nennen, die deutlich jünger als der Inhaber sind.Den größten Erfolg versprechen jedoch persönliche Netzwerke. Unternehmer, die in der Region oder in der Branche bestens vernetzt sind, dürfen sich bei der Suche nach einem Nachfolger besonders gute Chancen ausrechnen. Wenn sie ihre Kontakte regelmäßig pflegen, können sie auf Interessenten stoßen, an die sie ursprünglich gar nicht gedacht haben. "Auch Azubi-Werbung in Schulen kann sich bei der Suche auszahlen", weiß Ostrowski. Mancher Unternehmer hat seinen Nachfolger an einem Tag der offenen Tür oder auf einer Ausbildungsmesse kennengelernt. Ein Erfolgsrezept ist das natürlich nicht. Wenn sich jedoch partout kein Kandidat findet, führt an einer Personalberatung kaum ein Weg vorbei. An Headhuntern, welche sich auf die Suche nach Nachwuchsunternehmern spezialisiert haben, herrscht kein Mangel. Allerdings müssen sich auch diese Dienstleister Zeit nehmen.Überzogene Gehaltsvorstellungen"Viele Interessenten haben völlig überzogene Gehaltsvorstellungen", weiß Ostrowski. "Jahresbezüge von 350.000 Euro können die meisten mittelständischen Unternehmen nicht einmal dann zahlen, wenn sie Gewinnbeteiligungen zustimmen." Am meisten Interesse zeigen erfahrungsgemäß Interessenten, die bei kleineren und mittleren Unternehmen bereits in herausgehobener Position arbeiten und sich von der Übernahme der Geschäftsführung eine berufliche und finanzielle Verbesserung versprechen. "Vor allem Produktionsleiter, Prokuristen und Vorstandsassistenten ohne Aufstiegsperspektive können für eine Unternehmensnachfolge gewonnen werden", weiß Heinisch. Wenn diese Kandidaten außerdem zwischen 30 und 45 Jahre alt sind und Geld für eine Beteiligung haben, erfüllen sie fast alle Voraussetzungen (Tipps zur Suche siehe Kasten Seite 31). "Wichtig sind jedoch auch Soft Skills im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern", ergänzt Heinisch. Der Kandidat sollte mit Eloquenz und Menschenkenntnis überzeugen. Von solchen Fähigkeiten kann sich der Unternehmer in Gesprächen beispielsweise bei Geschäftsessen überzeugen. Wenn beide Seiten dann noch ihre Ehepartner oder Lebensgefährten mitbringen, sind authentische Erfahrungen gewährleistet.Alternativ können langjährige Mitarbeiter in Führungspositionen aufgebaut und auf die Nachfolge vorbereitet werden. Kommt auch diese Option nicht infrage, bleibt im Prinzip nur der Verkauf. Vor allem Netzwerkmitglieder können sich hier Chancen ausrechnen. Kooperationen wie Cargoline bieten längst Beratungen für Unternehmensnachfolgen an, weil sie mit internen Verkaufslösungen den vorhandenen Service erhalten können. "Auch ausländische Investoren zeigen an gut geführten Mittelstandsbetrieben Interesse", versichert Ostrowski. Die Verkaufspreise bleiben indessen stabil. Viele Unternehmer können für ihr Lebenswerk lediglich das Vier- bis Fünffache des EBITs- also des Gewinns vor Zinsen und Steuern - erzielen. Allenfalls Unternehmen mit sehr guten Margen dürfen auf Verkaufswerte in Höhe des acht- bis zehnfachen EBITs hoffen. In der Industrie sind solche Preise längst üblich.Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiersSieben wichtige TippsDie Suche nach dem RichtigenEgal ob der Kandidat aus dem persönlichen Umfeld kommt oder von einer Personalberatung: Folgende Punkte sind wichtig.1. Prüfen Sie den beruflichen Werdegang genau. Ideal sind branchenversierte Kandidaten aus dem Mittelstand mit Führungserfahrung. Abzuraten ist von Interessenten, welche in Konzernen Karriere gemacht haben oder über 45 sind.2. Sprechen Sie ausführlich mit dem Interessenten über seine beruflichen Vorstellungen. Ist er bereit, sich auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zu engagieren, sich in neue Sachgebiete einzuarbeiten?3. Stellen Sie den Kandidaten leitenden Mitarbeitern und Topkunden vor. Wenn Sie sich endgültig entschieden haben, sollte er schnell mit allen Kunden Kontakt haben.4. Ein kritischer Punkt ist das Gehalt, das deutlich über dem bisherigen Verdienst liegen muss. Bieten Sie außerdem auch Gewinnbeteiligungen an.5. Im Idealfall bringt der Kandidat Vermögen für eine Beteiligung mit. An dieser Frage darf ein Engagement nicht scheitern. Prüfen Sie eine stille Beteiligung durch ein Drittunternehmen. Hierfür können womöglich Fördergelder beantragt werden.6. Für Unternehmen mit Wachstumspotenzial kommt eine "Buy & Build"-Strategie infrage. Der Private-Equity-Partner übernimmt auch die operative Geschäftsführung, der Familie bleibt dann allerdings nur eine Minderheitsbeteiligung.7. Auch der Aufbau eines talentierten Mitarbeiters ist eine Option, wenn der bisherige Inhaber sich mit seiner ganzen Autorität hinter diesen stellt. botDie SerieSo gelingt die Firmenübergabe- Teil 1: Warum Logistikdienstleister die Weichen für die Übergabe frühzeitig stellen müssen (VR 28-29/2018)- Teil 2: Die Übergabe von Michael Kubenz, Kube & Kubenz, an seinen Sohn Konstantin (VR 30/2018)- Teil 3: Welche Fördermittel es gibt, um die Nachfolge sauber zu lösen (VR 31-32/2018)- Teil 4: Familienstiftung, Verkauf oder Schließung: Welche Option sich mangels Nachfolger am besten eignet (VR 33-34/2018)