EU bremst das Flüstern

In der Auseinandersetzung um die beschleunigte Einführung von sogenannten Flüsterbremsen zwischen der großen Koalition und den Güterbahnen erhalten Letztere Unterstützung aus Brüssel. "Die EU-Kommission erwartet von Deutschland, sich mit nationalen Vorhaben an europäischen Lösungen zu orientieren", sagte Kommissionssprecher Jakub Adamowicz gegenüber der Verkehrs-Rundschau: "Die deutschen Behörden sollten davon Abstand nehmen, einseitige Maßnahmen zu ergreifen, die den Eisenbahnbinnenmarkt schädigen und das Prinzip der Interoperabilität verletzen." Flüsterbremsen sind teuer Union und SPD hatten 2013 vereinbart, dass bis 2016 die Hälfte aller Güterwagen mit den Flüsterbremsen ausgerüstet sein soll. Dafür müssen die Bremsbacken aus Grauguss durch Verbundmaterial aus verschiedenen Kunststoffen ersetzt werden. Das Umrüsten alter Güterwaggons kostet etwa 2000 Euro pro Waggon, außerdem fallen höhere Wartungskosten an, weil Wagen mit Kunststoffbremsen häufiger kontrolliert werden müssen. Waggons mit Flüsterbremsen - und neue Fahrzeuge - sind um bis zu 10 Dezibel leiser, was die Lärmbelästigung in etwa halbiert. Berlin droht mit Verkehrsbeschränkungen: Nachtfahrverbote oder reduzierte Geschwindigkeit, wenn das Ziel nicht erreicht wird. CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte Anfang des Monats ein komplettes Verkehrsverbot für laute Güterwagen ab 2020 nochmals bekräftigt. Grundsätzlich teile die Kommission die Ansicht der Bundesregierung, dass der Lärm des Eisenbahnverkehrs ein Problem sei, das gelöst werden müsse, sagt Adamowicz. Der deutsche Lärmschutz dürfe aber die Bemühungen der Kommission, europäische Standards für einen interoperablen Eisenbahnverkehr zu etablieren, nicht unterlaufen. Es gehe darum, eine europäische Lösung zu finden. Unterstützung erhält die Kommission aus dem Europäischen Parlament. "Der Lärm", sagt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Michael Cramer (Grüne), "ist die Achillesferse des umweltfreundlichen Bahnverkehrs. Nur wenn der Lärm der alten Güterwagen spürbar reduziert wird, werden die Menschen die Verlagerung der Verkehre auf die Schiene akzeptieren." Aber weil mehr als die Hälfte des Schienengüterverkehrs grenzüberschreitend sei, müsse das Problem auf europäischer Ebene gelöst werden. Cramer verlangt eine "europäische Strategie, wie wir bis Ende des Jahrzehnts das Problem komplett lösen". Er denke dabei an lärmabhängige Trassenpreise. Außerdem müssten die 260 Millionen Euro, die in der Finanzplanung für die Lärmreduzierung des Schienenverkehrs zur Verfügung stehen (im Rahmen der Connecting Europe Facility, CEF), dafür konsequent eingesetzt werden. Die Betreiber von Güterwaggons können von der EU Zuschüsse bis zu 20 Prozent der Umrüstungskosten erhalten. Kurzfristige Lösungen gibt es nicht Auch in Brüssel setzt man dabei technisch auf die Flüsterbremsen. Die Kommission fürchtet aber, dass nicht alle Länder das Tempo durchhalten können, das die Deutschen vorgeben wollen. Vor allem den ost- und südeuropäischen Eisenbahnen fehle das Geld, um die Umrüstung alter Waggons zu finanzieren, heißt es beim Dachverband der großen Eisenbahngesellschaften, CER. In der Debatte um den Lärmschutz müsse "die spezifische Situation der Eisenbahnen" berücksichtigt werden. "Kurzfristige Lösungen" gebe es nicht. Man müsse sich deswegen mehr am normalen Rhythmus der Ersatzinvestitionen orientieren. Das würde bedeuten, dass die alten Bremsen langsamer ausgemustert werden. Es würde deswegen länger als bis 2020 dauern, um alle rund 300.000 Güterwagen in der EU auf den Flüsterstandard zu bringen. Auch die Hersteller der Flüsterbremsen wollen die neue Technik nicht im Hau-Ruck-Verfahren einführen. Sie müssen damit rechnen, dass sie nach 2020 auf zu hohen Kapazitäten sitzenbleiben. Die Position der UIP Die Betreiber von Güterwaggons werden von der Union der Waggonbesitzer (UIP) vertreten. Sie beziffert alleine die administrativen Kosten der Umrüstung ihrer Güterwagen auf 5,8 Milliarden Euro und verlangt dafür direkte, von der Fahrleistung abhängige Zuschüsse. Sie müssten direkt an die Betreiber ausgezahlt werden. Lärmabhängige Trassenpreise lehnt die UIP dagegen ab, weil über die Trassennutzung die Eisenbahngesellschaften entscheiden. Außerdem entstehe dadurch ein "Flickenteppich nationaler Regelungen", weil über die Trassenpreise die Infrastrukturbetreiber der Mitgliedstaaten entscheiden. tw

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