Es gibt kein Entrinnen

Berlin boomt. Nicht nur die Mieten für Büros und Wohnimmobilien schießen scheinbar ungebremst in die Höhe, auch die Kosten für Logistikund Industrieimmobilien haben sich dramatisch verteuert. "Die Jahre nahezu stabiler Mieten scheinen zumindest für das Stadtgebiet beendet", fasst der Logistikmarkt-Report 2019 von BNP Paribas Real Estate die aktuelle Lage zusammen. Die Spitzenmiete schoss im vergangenen Jahr um satte 37 Prozent nach oben. In den zentralen Lagen, etwa am Autobahndreieck Charlottenburg, aber auch entlang der Stadtautobahn, werden laut dem Maklerunternehmen bis zu 7,20 Euro je Quadratmeter bezahlt. Nicht ganz so dramatisch sehen die Experten von Realogis die Entwicklung. Nach deren Zahlen hat die Spitzenmiete aber immer noch kräftig um 24 Prozent auf 6,80 Euro je Quadratmeter zugelegt. Einig sind sich die Makler, dass auch die durchschnittlichen Mieten um mehr als 20 Prozent auf 5,50 Euro pro Quadratmeter gestiegen sind. Damit habe der Berliner Logistikmarkt das Niveau anderer Top-Standorte wie Hamburg, Düsseldorf oder Stuttgart erreicht. Die deutlichen Preissprünge seien eine Konsequenz aus dem sich verschärfenden Flächenmangel, steigenden Baukosten und aufwendigeren Planungs- und Genehmigungsverfahren, sagt Marcus Jungheim, geschäftsführender Gesellschafter des Logistikimmobilienentwicklers Four Parx aus Dreieich. Noch sieht er darin kein großes Problem. "Aus unternehmerischer Sicht liegen die Mietkosten im Regelfall bei unter zehn Prozent. Eine höhere Miete hat somit nicht unbedingt einen gravierenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und wird daher auch akzeptiert", beobachtet er. Auch Ben Dörks, Abteilungsleiter der Realogis Immobilien in Berlin, sieht, dass die meisten Unternehmen Verständnis für die angespannte Situation haben. "Je nachdem, wie zeitkritisch der Umzug oder die Expansion ist, sind die Nutzer entweder bereit, die hohen Mieten zu zahlen oder den Umkreis ihrer Standorte zu vergrößern - oder sie verzichten ganz auf eine Standortverlagerung", ist seine Erfahrung. Nur in Ausnahmefällen würden Vertragsabschlüsse nicht zustande kommen, weil die Kunden die aufgerufenen Mieten nicht zahlen wollten. Hoffnung auf billigen Mietraum können sich Logistikunternehmen angesichts der beinahe erreichten Vollvermietung kaum noch machen, sagt Dörks. Flächen für unter vier Euro pro Quadratmeter seien eine Seltenheit. "Wer in der Lage ist, seine Prozesse und Supply Chains anzupassen, der wird zeitnah auf das citynahe Umland, also den Speckgürtel, ausweichen müssen", prophezeit Jungheim von Four Parx. Dazu zählt Realogis-Experte Dörks den Berliner Autobahnring plus bis zu zehn Kilometer entlang von Bundesstraßen oder Autobahnen. "Darüber hinaus wird es meist sehr schwierig mit der ÖPNV-Anbindung und der Distanz nach Berlin", erklärt der Makler. Auch wegen der teils großen Entfernungen innerhalb Berlins und dem Umland würden derzeit eher die hohen Mieten gezahlt. Norden und Osten weniger begehrt Vor allem im weniger begehrten nördlichen oder östlichen Umkreis beobachtet BNP Paribas eine verhaltene Entwicklung bei den Mieten. Und selbst in guten Lagen mit höherer Verfügbarkeit außerhalb Berlins, etwa in Großbeeren, hielten sich die Mieten mit maximal vier bis 4,50 Euro je Quadratmeter stabil auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Die großen Dienstleister setzen dort auf eigene Grundstücke und Immobilien. So hat die Post-Tochter DHL im vergangenen Jahr ein 165.000 Quadratmeter großes Grundstück in Ludwigsfelde erworben. Dort entsteht bis 2021 ein rund 37.000 Quadratmeter großes Paketzentrum, in dem bis zu 50.000 Sendungen pro Stunde bearbeitet werden können. Das Grundstück im Industriepark 4.0 Eichspitze liegt nahe der Autobahn A10, der Bundesstraße B 101 und verfüge über eine gute Anbindung an den ÖPNV. Der Sportartikelhersteller Decathlon mietete dagegen ein 45.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum in Genshagen bei Ludwigsfelde. Der Logistikimmobilienentwickler VGP baut das Verteilzentrum bis zum Frühjahr 2020. "Wir hätten das Grundstück am liebsten selbst gekauft, entwickelt und betrieben", sagt Lutz Mattelson, Expansions- und Bauleiter bei Decathlon. "Allerdings war ein passendes Grundstück nicht zu haben, und die Baurechtschaffung hätte für uns zu lange gedauert", fährt er fort. Daher habe man sich für die Miete entschieden. Im südlichen Berliner Umland, wie in Großbeeren und Ludwigsfelde, wurde 2018 über die Hälfte des Flächenumsatzes generiert. Allerdings stagniert die Nachfrage seit der zweiten Jahreshälfte 2018 aufgrund von fehlenden Arbeitskräften und der Orientierung von Unternehmen in Richtung Stadtzentrum, konstatiert Realogis. Zudem sind auch im Berliner Süden die Flächen knapp. Die Infrastruktur- und Projektentwicklungsgesellschaft IPG rechnet damit, dass Ende nächsten Jahres der nördliche Bereich ihres Industrieparks in Ludwigsfelde vollständig belegt ist. Bessern wird sich die Situation kaum, sind sich die Experten einig. "Das Grundstücksangebot für neue Entwicklungen bleibt das Nadelöhr", erklärt Christopher Raabe von BNP Paribas Real Estate. Daher sei ein weiterer Anstieg der Mieten nicht ausgeschlossen. Er hält es jedoch für wahrscheinlich, dass sie sich erst einmal auf dem neuen Niveau verfestigen. Auch Dörks glaubt, dass die Spitzenmieten weiter an der Sieben-Euro-Marke kratzen und die Durchschnittswerte mit maximal 5,80 Euro pro Quadratmeter halbwegs konstant bleiben werden. Mehr zum Thema im Dossier Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers

Es gibt kein Entrinnen

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