Erst die Firma, dann die Politik

Fast ein wenig futuristisch wirkt die gesamte Anlage. Das moderne Logo "Wiedmann & Winz Power Logistics" prangt auf dem Neubau. Hier in Geislingen/Steige, inmitten der Schwäbischen Alb, hat Unternehmenschef Micha Lege sein Büro. Statt auf sattgrüne Weiden blickt er auf die Mercedes-Actros-Lkw - allesamt in der blauen Firmenfarbe des Geislinger Transport- und Logistikdienstleisters (siehe Kasten Seite 48). Was viele seiner Branchenkollegen nicht wissen: Lege macht auch Politik. Mit gerade einmal 14 Jahren trat er in eine Partei ein, die seinen Eltern zunächst gar nicht schmeckte - die Junge Union. "Ich kam ja aus einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus. Für meine Eltern war das eine kleine Revolution", schmunzelt er. Das führte durchaus zu kleineren Scharmützeln. Während sich seine Mutter und sein Vater zum Beispiel für die 35-Stunden-Woche engagierten, verfasste Lege als Pressesprecher der Jungen Union einen Artikel mit der Überschrift: "Die 35-Stunden-Woche schafft Arbeitsplätze - in Fernost". "Mein Weg in die Politik war mit harten Diskussionen gepflastert", formuliert er es aus heutiger Sicht und lacht. Aktiv gestalten und Dinge voranbringen Knapp ein Jahr nach seinem Einstieg in die Politik wurde er mit 15 Jahren in seinem damaligen Wohnort Uhingen Vorsitzender der Jungen Union und wirkte lange Zeit im Kreisvorstand der CDU-Jugendorganisation mit. In seiner Heimatgemeinde Bad Überkingen ist der Mittelständler außerdem seit vielen Jahren Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes. Zehn Jahre saß er im Gemeinderat, über sechs Jahre im Kreistag, wo er sich im Ausschuss für Umwelt und Verkehr engagierte - "für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur - da war jede Stimme wichtig". Zweimal war Lege Zweitkandidat bei der Landtagswahl. "Nur Akten von links nach rechts schieben ist nicht meine Sache", erklärt der Unternehmer. "Ich wollte immer aktiv gestalten, Dinge vorantreiben, meine wirtschaftliche Sicht einbringen." Und in der Politik, vor allem in der Arbeit auf kommunaler Ebene, könne man viel gestalten. Voranbringen wollte und will er da vor allem eines: "Unser Land hat Potenzial, hervorragend ausgebildete Arbeitnehmer und tatkräftige Unternehmer. So ein Land braucht gute politische Rahmenbedingungen, um wirtschaftlich vorne zu sein und um vorne zu bleiben", das ist seine tiefe Überzeugung. Nicht immer nur Lehrer Umso bedauerlicher findet der Mittelständler, dass sich so wenige Unternehmer politisch engagieren. "Da gibt es viel zu wenige." Dabei wäre es für die Nähe der Politik zur Arbeitswelt so wichtig, sagt er, wenn sich auch mittelständische Unternehmer politisch betätigen würden und nicht immer nur Lehrer und Gewerkschaftsfunktionäre. Ob er jemals mit dem Gedanken gespielt hat, in die Bundespolitik zu wechseln? "Die Konsequenz eines Einstiegs in die Berufspolitik wäre gewesen, dass ich unser Unternehmen und alle Mitarbeiter alleine zurücklasse", begründet er seine Entscheidung. "Und das in einer Phase, in der wir mit Volldampf unterwegs waren - mit allen Herausforderungen wie der Konkurrenz aus Osteuropa, dem Fachkräftemangel und der Digitalisierung. In einer solchen Zeit", betont er, "kann ich doch nicht in aller Ruhe in Berlin sitzen." Priorität war und ist für ihn stets: Erst kommt Wiedmann & Winz - dann die Politik. "Die Arbeit für die Politik ist für mich gut investierte Zeit", betonte Lege. "Gerade weil alles schneller wird und sich Unternehmer immer kurzfristiger auf Veränderungen einstellen und die richtigen Entscheidungen treffen müssen." Umso wichtiger sei für ihn da der Austausch - sowohl mit der Politik als auch mit anderen Firmenchefs. Und durch seine Verbandsarbeit beim VSL und im Bundesausschuss Landverkehr des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) erhalte er von Kollegen die Informationen, die ihm in seinem Unternehmen weiterhelfen: "Man tauscht sich da ja nicht nur über neue Gesetze aus, sondern auch über andere Themen wie die Frage nach der richtigen IT-Lösung." Die Kehrseite: Bis zu vier Abende in der Woche war Lege zu seinen aktiven Zeiten im Dienste der Kommunal- und Verbandspolitik unterwegs. So hatte er im Gemeinderat und Kreistag jede Woche eine Fraktionssitzung, monatlich eine Ausschusssitzung, eine Kreistagssitzung, alle zwei Wochen eine Gemeinderatssitzung, Vor-Ort-Termine, Sitzungen seines Ortsvorstandes, Termine im Verkehrsausschuss der IHK Stuttgart sowie Vorstandstreffen im Verband VSL - nicht eingerechnet die vielen Termine, die seine Aufgabe als Unternehmenschef mit sich bringen wie Treffen mit Kunden und Geschäftspartnern. "Mein politisches Engagement ging aber nie zulasten unserer Firma", betont er. Dies sei nur durch viele Wochenenden am Schreibtisch, Früh- und Nachtarbeit möglich gewesen. "Rein von der zeitlichen Beanspruchung gesehen", lacht er, "wäre es sicher vernünftiger gewesen, wenn ich die Finger von der Politik gelassen hätte." Die erste freie Wahl in der DDR Andererseits gab es in der Politik viele Momente, die ihn persönlich stark geprägt und weitergebracht haben. Ende der 1980er-Jahre, als viele die deutsche Einheit aus den Augen verloren hätten, habe er mit seinen Kollegen der Jungen Union einen Gedenkstein in Uhingen errichtet, erzählt Lege. "Da gab es viel Kritik. Wir wurden als Revanchisten beschimpft." Ein Traktorfahrer habe den Stein dann umgefahren - ob Zufall oder Unfall. Für Lege war es eine schöne Bestätigung, als er 1990 bei der ersten freien Wahl in der DDR mit seinen Freunden der Jungen Union in Sachsen Wahlkampf machen konnte und viel Dankbarkeit erlebt habe. "Gelernt habe ich daraus: Es lohnt sich, an Überzeugungen festzuhalten, selbst wenn es Gegenwind gibt", sagt der promovierte Jurist. Imponiert haben ihm die persönlichen Treffen mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister und CDU-Bundestagsabgeordneten Manfred Wörner. "Bei der Diskussion um den Nato-Doppelbeschluss gab es damals viele, für die Wörner ein Feindbild war. Durch seine Argumentationsstärke konnte er aber auch viele überzeugen. Dadurch hatte er für mich in jungen Jahren eine gewisse Vorbildfunktion." Um Projekte in der Politik umzusetzen, braucht es neben dieser Argumentationsstärke aber vor allem Unterstützer - insbesondere bei Verkehrsprojekten, die bei der Bevölkerung höchst umstritten sind. Dies lernte Lege in seiner Zeit als Kreisrat. Da hatte er sich mit seiner Fraktion für den Weiterbau der B 10, den Ausbau der A 8 und die Auflösung des Investitionsstaus bei den Kreisstraßen starkgemacht. Letztlich mit Erfolg. Als Einzelkämpfer hätte er da keine Chance gehabt, weiß Lege: "Erfolgreiche Politik ist wie im Sport eine Mannschaftsleistung. Der Spielführer allein gewinnt kein Spiel." Den Unternehmer in sich konnte Lege aber nie verleugnen: "Eine solide Haushaltspolitik hatte bei mir als Kreis- und Gemeinderat immer absolute Priorität", betont er. Deshalb freut er sich in dieser Zeit, einen Bädertempel verhindert zu haben, der seine Heimatgemeinde finanziell ruiniert hätte. Stolz ist Lege vor allem darauf, dass es in seiner Zeit im Kreisrat gelungen war, den Kreis und seine Heimatgemeinde trotz teilweise schwieriger Rahmenbedingungen handlungsfähig zu halten, insgesamt nach vorne zu bringen und keinen Schuldenberg zu hinterlassen. Langwieriger Drahtseilakt Nur eines zermürbt den Mittelständler in der Politik zuweilen: "Das ist das zähe Ringen um Kompromisse, die Entscheidungen in die Länge ziehen", auch wenn er wisse, dass Politik nur so funktioniert. Als Beispiel nennt Lege das Verkehrs- und Städtebauprojekt "Stuttgart 21" - mit äußerst umfangreichen und emotionale Diskussionen in der Öffentlichkeit im Vorfeld sowie langwierigen Verfahren, Sitzungen und Veranstaltungen, um die Bevölkerung mitnehmen zu können. "Als Unternehmer tue ich mich mit Entscheidungen deutlich leichter. Natürlich muss ich auch mit meinen Mitarbeitern diskutieren. Doch am Abend entscheidet man, wenn man den Eindruck hat, dass ein bestimmter Weg richtig ist." Lege ist nun 51 Jahre alt. Vor einem Jahr feierte Wiedmann & Winz 75-jähriges Jubiläum. Ob seine Tochter oder sein Sohn einmal in die Spedition einsteigen wollen? In den nächsten zehn Jahren sei dies kein Thema. Sein Sohn habe derzeit erfolgreich die Logistiklaufbahn eingeschlagen, und seine Tochter stehe vor dem Abitur. Sein Amt als CDU-Ortsverbands-Vorsitzender gibt er in diesem Jahr ab. "Ich trete bei den nächsten Wahlen nicht mehr an", kündigt er an. "Ich will endlich mehr Zeit haben - für meine Familie, mich und unsere Firma", sagt er. Diese Zeit werde er auch brauchen: "Die Digitalisierung wird unsere Branche komplett verändern. Und meine Aufgabe, ja, meine Pflicht als Unternehmer ist es, für die erfolgreiche Weiterentwicklung von Wiedmann & Winz die Weichen jetzt richtig zu stellen." (eh)

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