Einer für alle - alle für einen?

Floßbau, Hochseilgarten oder ein gemeinsamer Kochkurs - für Teamevents gibt es ein immer größeres und vor allem kreativeres Angebot. Damit reagieren Dienstleister für Gruppenveranstaltungen auf einen aktuellen Missstand. Denn etwa die Hälfte aller deutschen Unternehmen hat mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen, wie die ManPower-Group in einer aktuellen Studie erhob. Und je schwerer es wird, gutes Personal zu finden, desto wichtiger ist es für Unternehmer, bestehende Mitarbeiter bei Laune zu halten und an die Firma zu binden. Ob Events wirklich zu einer besseren Teamarbeit verhelfen, und warum es manchmal besser ist, im Büro zu bleiben, erklären ein Psychologe und ein Team-Experte. Warum am Team arbeiten? Bei dem immer breiteren Angebot an Teamevents, -trainings und -buildings scheint es fast so, als sei die Beschäftigung mit dem Team eine Modeerscheinung. Das stimmt nicht, erklärt Guido Hertel, Professor für Gruppenpsychologie an der Uni Münster. Er sieht darin eine Notwendigkeit. Menschen seien zwar von der Evolution her gesehen geborene Teamplayer, doch nicht alle seien darin gleich gut. Deshalb bräuchten Gruppen Struktur, Führung, Ressourcen, meint der Psychologe. "Teamarbeit ist komplex und kann schiefgehen", erklärt Hertel. Die Maßnahme soll Reibereien im Idealfall verhindern und die Stärken und Schwächen der Individuen herausarbeiten, um die gemeinsame Arbeit so effektiv wie möglich zu gestalten. Teamtraining, -building oder -event? Doch Teambuilding ist nicht gleich Teambuilding. Bevor ein Unternehmer das nächstbeste Event bucht, um seine Mitarbeiter bei Laune zu halten, sollte er sich zunächst seiner eigenen Ziele bewusst werden. Was will er mit der Maßnahme erreichen? Will er seine Mitarbeiter für ihre guten Leistungen loben? Gibt es Reibereien innerhalb der Gruppe, die er lösen möchte? Sollen bald mehrere Kollegen an einem neuen Projekt arbeiten? Oder sollen sich die Mitarbeiter mehr für das Unternehmen begeistern? Jeder dieser Fälle bedarf einer eigenen Vorgehensweise. Die erste Entscheidung, die der Unternehmer deshalb treffen muss, ist die Wahl zwischen Teamtraining, Teambuilding und einem Teamevent. Beim Training soll eine bestimmte fachliche Kompetenz gefördert werden. Der Chef kann das Team zum Beispiel gemeinsam auf eine Fortbildung schicken. Gruppenpsychologe Hertel erklärt: "Teamentwicklung hat eher die Teamarbeit selbst im Fokus. Es geht darum, zu reflektieren, wie man miteinander umgeht. Arbeiten wir effizient? Wie können wir das verbessern?" Es könne aber auch darum gehen, den Mitarbeitern eine neue Fähigkeit, zum Beispiel den Umgang mit einer neuen Software oder einem neuen Arbeitsgerät, näherzubringen. Vor allem, wenn es "knirscht und nicht mehr rundläuft", sei eine Teambuilding-Maßnahme sinnvoll. Hierbei sollen Schwächen und Stärken der einzelnen Mitarbeiter im Fokus stehen, aber auch ein offener Austausch kann helfen. Ein einfaches Event oder ein Ausflug sind für den Professor indes keine Lösung. "Es ist sehr unwahrscheinlich, ein Team zu verbessern, indem man einen Tag auf Kochkurs geht - es sei denn, man ist eine Großküche", erklärt er. Zwar wolle Hertel einen lustigen Tagesausflug nicht verteufeln, denn er könne eine gute Belohnungsmaßnahme für den Arbeitnehmer sein. Doch für die Teamarbeit an sich seien Kochkurse, Floßbau und Co. nicht besonders hilfreich. "Die Studien zeigen einhellig, dass Teambuilding-Maßnahmen umso wirkungsvoller sind, je näher sie an der alltäglichen Arbeit des Teams sind. Insofern: Rausgehen und was anderes machen, ist nur bedingt effektiv, wenn ich die Teamarbeit verbessern will", erklärt der Professor. Die Zielfindung Wie also eine Veranstaltung organisieren, mit der man einerseits auf sehr individuelle Probleme verschiedenster Positionen eingeht und andererseits ein gutes Arbeitsklima schafft? Hertel schlägt vor, zunächst zu definieren, welche Prozesse verbessert werden können und welche nicht gut laufen. Ausgehend davon können die Unternehmer gezielt auf die Probleme eingehen. Bei der Zielfindung und der richtigen Art der Veranstaltung sollten Unternehmer übrigens auch ihre Mitarbeiter miteinbeziehen. Vielleicht gibt es Reibereien, von denen der Chef nichts weiß und die im Rahmen eines Teambuildings geklärt werden könnten. Und auch, wenn nur ein Ausflug geplant ist, sollten Chefs ihre Mitarbeiter fragen. Ein gemeinsamer Besuch im Hochseilgarten kann für einen Kollegen zur Hölle werden, wenn dieser an Höhenangst leidet oder der Anstrengung körperlich nicht gewachsen ist. Die Umsetzung Wer Hilfe bei der Organisation eines Teambuildings braucht, kann sich einen Experten ins Haus holen, so wie Thorsten Visbal, der Geschäftsführer der Teamworks-GTQ-GmbH. Visbal führt fast wöchentlich Teambuildings mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen durch. Auch er legt Wert darauf, dass die Unternehmer sich zunächst im Klaren sind, was sie erreichen wollen. "Bei einer heterogenen Gruppe, wie sie in einer Spedition vorzufinden ist, ist es wichtig, aufzuspüren, wo die Dysfunktionen liegen", erklärt der Team-Profi und verweist auf ein Buch von Patrick Lencioni (siehe Kasten S. 30). Wichtig sei vor allem, in einem Teambuilding eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Teilnehmer wohlfühlen und Konflikte ansprechen, anstatt den Ärger herunterzuschlucken. Wie genau er das erreicht, sei von den jeweiligen Teams abhängig: Mal gibt es viele Spiele, die die Teilnehmer auflockern sollen, mal werden nur viele Gespräche geführt, oder aber es gibt eine Mischung aus beidem. "Bei Logistikern habe ich die Erfahrung gemacht, dass es dort oftmals gut ankommt, gemeinsam Dinge zu bauen. Dabei erfährt man schnell, wer eher konzeptionell und wer eher praktisch denkt", beschreibt Visbal. Sobald die Teilnehmer ihre Konflikte ansprechen, sollten Gemeinsamkeiten und Ziele definiert werden. Das kann bei sehr gemischten Gruppen auch einfach nur ein "Verhaltenskodex" im gemeinsamen Umgang sein oder aber spezifischer auf die Arbeit bezogen werden. Mehr zum Thema im Dossier "Unternehmensführung" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Wenn es im Team Zoff gibt, sind Hochseilgarten und Floßfahrten nicht das richtige Mittel, um für Frieden zu sorgen. Besser: Chefs sollten Ziele definieren, was mit einer Maßnahme erreicht werden soll, und die Mitarbeiter einen Verhaltenskodex entwickeln lassen Die fünf Dysfunktionen des Teams Der amerikanische Autor und Unternehmensführer Patrick Lencioni beschäftigt sich intensiv mit Teamarbeit. In seinem Ratgeber "Die fünf Dysfunktionen eines Teams" nennt er fünf Punkte, die einem Team schaden, und wie man sie verbessert.1. Fehlende OffenheitIhre Mitarbeiter gehen miteinander essen, reden dort vielleicht auch über private Anliegen, und dennoch funktioniert es im Team nicht so, wie Sie das gerne hätten? Es kann an einer fehlenden Offenheit und mangelndem Vertrauen liegen, schreibt Lencioni. Menschen könnten nur offen miteinander umgehen, wenn sie ihre Stärken leben können, aber auch über die Schwächen reden dürfen. Die Teammitglieder müssen sich besser kennenlernen und die Fehler und Schwächen der anderen akzeptieren.2. Mangelnde KonfliktbereitschaftIn fünf Minuten ist das Meeting vorüber, es gibt noch immer einen Streitpunkt. Jetzt muss alles schnell gehen. Ein Kollege setzt seine Idee durch, die anderen sind nicht einverstanden, doch mit Blick auf die Uhr belassen sie es dabei. Diese Szene verdeutlicht, was in den meisten Unternehmen passiert - sei es aus Zeitmangel oder aus mangelnder Konfliktbereitschaft. Ein reifes Team sucht Lencioni zufolge nicht nach einer "künstlichen Harmonie", sondern nutzt das kreative Potenzial aus Meinungsverschiedenheiten und Querdenken. Ziel sei es, Konflikte und Meinungsverschiedenheiten als solche stehen zu lassen und als hilfreich zu begreifen, anstatt die Idee eines Einzelnen durchzusetzen.3. Kein CommitmentEin Team funktioniert besser, wenn sich die Mitarbeiter verantwortlich fühlen. Wenn sie nicht an ein gemeinsames Ziel glauben, engagieren sie sich weniger für eine Aufgabe. Im Idealfall passen persönliche Ziele der Mitarbeiter mit den Zielen des Teams zusammen.4. Niedrige StandardsPunkt vier ist mit Punkt drei unmittelbar verbunden: Nur wer sich auf das Team einlässt, kann sich auch gegenseitig in die Verpflichtung nehmen. In einem Team ist nicht nur jeder für sich selbst verantwortlich, sondern auch für die anderen. Jeder sollte die Aufgaben seiner Kollegen kennen und helfen, wenn Not am Mann ist.5. Dominanz von Status und EgoWem es wichtiger ist, die eigene Stellung zu sichern, anstatt das Unternehmensziel zu erreichen, der ist für ein Team hinderlich. Nur wenn Ziele klar formuliert sind, wuchern Status und Ego weniger. Hierbei kann behilflich sein, Ziele sehr kurzfristig zu formulieren und zu überprüfen. stm