"Ein Versicherungsvertrag ist kein Sparvertrag"

Nach zwei Jahren mit Verlusten hat die Kravag-Logistic in 2012 wieder schwarze Zahlen geschrieben. Hat sich dieser Wachstumskurs im abgelaufenen Geschäftsjahr fortgesetzt? Norbert Rollinger: Kravag-Logistic ist erfreulicherweise weiter gewachsen. 2013 haben wir bei den gebuchten Bruttobeiträgen um zweieinhalb Prozent auf über 711 Millionen Euro zugelegt. Die Anzahl der Verträge hat sich im gleichen Zeitraum um rund 35.000 auf mehr als 962.000 erhöht. Insgesamt erzielte die Kravag-Logistic im Jahr 2013 einen Jahresüberschuss von 11,8 Millionen Euro. Damit bin ich sehr zufrieden. Wie hat sich die Schadenquote im Gegenzug entwickelt? Der Schadenaufwand der Kravag-Logistic lag 2013 bei rund 84 Prozent. Das heißt, 597 Millionen Euro der 711 Millionen Euro an gebuchten Bruttobeiträgen mussten wir durch Zahlungen und Rückstellungen für die im vergangenen Geschäftsjahr verursachten Schäden einschließlich der Aufwendungen für die Schadenregulierung ausgeben. Das ist etwas mehr als 2012, weil auch wir mit Elementarschäden zu kämpfen hatten. Einigen Risiko- und Schadenversicherern hat Extremwetter sprichwörtlich die Bilanz verhagelt. Wie haben Sturm, Hagel und Hochwasser bei Kravag-Logistic zu Buche geschlagen? In unseren beiden Sparten Transportversicherung und Kraftfahrtversicherung ist es uns 2013 nicht so schlimm ergangen wie anderen Versicherern. Zum Glück haben nach dem Juni-Hochwasser nur wenige Lagerhallen unter Wasser gestanden und auch die Fuhrparks sind vom Sturm Christian gegen Ende des Jahres weitestgehend verschont geblieben. Was bedeutet dies für die Haftpflicht-, Teilund Vollkaskobeiträge der Flottenkunden? Die Schaden-Kosten-Quote im Markt der Kraftfahrzeugversicherungen lag im vergangenen Jahr im Durchschnitt bei rund 104 Prozent. Jedem kassierten Euro standen also Ausgaben von 1,04 Euro gegenüber. Im Flottengeschäft war das Verhältnis zwischen Prämieneinnahmen und Aufwendungen für Schäden und Verwaltung sogar noch etwas schlechter. Das bedeutet, dass die in der Vergangenheit durchgeführten Preiserhöhungen nicht ausgereicht haben, um die Kosten der versicherten Schäden zu begleichen. Jeder Anbieter muss für sich entscheiden, wie er darauf reagiert. In der Regel passen wir die Beiträge zur Mitte beziehungsweise zum Ende des Jahres an. Für 2014 sind die Prämien sowohl im Neugeschäft als auch bei den Bestandskunden um fünf bis zehn Prozent gestiegen. Im Herbst entscheiden wir, ob für 2015 erneut Handlungsbedarf besteht. Die KFZ-Versicherer haben in den vergangenen zwei Jahren nicht nur die Preise erhöht, sondern auch ihre Vertragsbedingungen verschärft. Inzwischen kalkulieren sie oft mit einer Zielschadenquote von 60 bis 75 Prozent. Müssen sich Kravag-Kunden, die deutlich darüber liegen, Sorgen machen? Bei Unternehmen mit einer konstant hohen Schadenquote kann ich eine Beitragsanpassung nach oben nicht ausschließen. Wir schauen uns im Flottengeschäft aber individuell und über einen längeren Zeitraum an, wo die Probleme liegen. Dabei wird analysiert, ob es sich um Großschäden handelt oder eher um Frequenzschäden. Je nach Schadenursache schlagen wir Maßnahmen vor, um die Quote in den Griff zu bekommen: Das können ein besseres Risiko-Management, Fahrerschulungen oder höhere Selbstbehalte sein. Denkt man bei Unternehmen mit hohen Unfallraten, bei denen die Schäden seit Jahren deutlich die Beiträge überschreiten, inzwischen auch schon einmal über die Kündigung des Flottenvertrages nach? Es gibt keine schlechten Kunden. Es gibt nur Unternehmen, die den falschen Preis zahlen oder solche, denen wir helfen können, sich bei der Schadenverhütung zu verbessern. Grundsätzlich sind wir an langfristigen Geschäftsbeziehungen interessiert. Es wäre unsinnig, sich von einem Kunden zu trennen, weil seine Quote entgegen dem bisherigen Schadenverlauf durch einen Großschaden auf, sagen wir, 180 Prozent gestiegen ist. Schließlich sind wir dafür da, Schäden zu bezahlen und damit dem Unternehmen Risiken abzunehmen. Dieses Prinzip funktioniert aber nur, wenn viele ihren Beitrag leisten. Allen Beteiligten muss klar sein, dass ein Versicherungsvertrag kein Sparvertrag ist. Also lieber Problemfällen unter die Arme greifen als sie vor die Tür zu setzen? Richtig. Obwohl sich die Zahl der KFZ-Versicherer verringert hat, weil sich das Geschäft in der Vergangenheit nicht mehr für alle gerechnet hat, herrscht unter den Anbietern ein harter Wettbewerb. Inzwischen versucht jeder, möglichst dauerhafte und profitable Kundenverbindungen zu etablieren. Es genügt nicht mehr, das passende Versicherungspaket für ein Unternehmen zu schnüren. Man muss zusätzliche Services anbieten. Von Maßnahmen zur Schadenverhütung profitiert auch der Unternehmer: Wenn am LKW oder an einer Ware etwas kaputt geht, erstatten die Versicherer dies nämlich nur zum Teil. Selbstbehalte, Aufwendungen aufgrund von Lieferverzögerungen wegen Fahrer- und Fahrzeugausfall sowie interner Schadenbearbeitung sind Folgekosten, die der Kunde meistens selbst tragen muss. Im umkämpften KFZ-Markt haben zuletzt alle Versicherer die Preise erhöht. Lohnt sich ein Anbieterwechsel noch? Das muss jeder Unternehmer für sich entscheiden. Es ist das gute Recht des Kunden, dass er versucht, das Beste für sich herauszuholen. Die verschiedenen Anbieter im Markt beurteilen Flottenbetreiber mitunter noch recht unterschiedlich. Die Prämienhöhe sollte aber nicht das alleinige Kriterium für die Wahl des Versicherers sein. Für Kravag-Logistic spricht das gute Preis-Leistungs-Verhältnis. Über unsere Dienstleistungsgesellschaften und die Straßenverkehrsgenossenschaften (SVG) bieten wir umfangreiche Services und eine Betreuung vor Ort an. Punkten können wir in meinen Augen auch durch die Geschwindigkeit und Qualität der Schadenbearbeitung. Ich denke, das ist vielen Unternehmen wichtiger als der Preisunterschied von wenigen Euro. Die Kravag-Logistic hatte sich 2013 das Ziel gesetzt, das Risikomanagement ihrer Kunden zu optimieren. Wie professionell arbeiten die Flottenbetreiber hier mittlerweile? Die Fahrertrainings, die wir in Zusammenarbeit mit den SVGen anbieten, haben sicherlich geholfen. Zumindest bin ich mit unserer Schadenentwicklung im Vergleich zum Gesamtmarkt der Versicherer zufrieden. Wir haben vor allem bei auffälligen Geschäftsverbindungen auf Präventionsmaßnahmen gesetzt. Das angesprochene Ziel ist aber langfristig gesteckt. Noch ist es zu früh, um die Wirksamkeit unserer Programme beurteilen zu können. Wie hat sich die gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildung der Berufskraftfahrer in diesem Zusammenhang ausgewirkt? Ich wundere mich, dass immer noch nicht alle Unternehmen ihre Fahrer geschult haben - bis zum 9. September 2014 ist ja nicht mehr viel Zeit. In Zusammenarbeit mit den SVGen haben wir 2013 bereits viele Weiterbildungen durchgeführt. Diese Angebote werden jetzt noch einmal intensiviert, weil wir wissen, dass kurz vor Schluss noch ein Defizit im Gewerbe herrscht. Die Eignungsprüfung alle fünf Jahre ersetzt meines Erachtens aber nicht die Fahrertrainings als begleitende Dauermaßnahmen. Auch der Flottenbetreiber ist in der Verantwortung. Es kommt darauf an, wie ernst er die Schadenprävention nimmt und ob er sie nachhaltig betreibt. Häufig gehören Fahrerassistenzsysteme im LKW und Bonus-Systeme für unfallfreies Fahren neben Fahrerschulungen schon zur Unternehmens-Philosophie unserer Kunden. Solche Maßnahmen zur Schadenprävention kosten Zeit und Geld. Wie schätzen Sie die Geschäftsentwicklung im Güterkraftverkehrsgewerbe aktuell ein? Der Transportmarkt steht weiterhin unter Druck. Es herrscht ein enormer Preiskampf und der Fachkräftemangel macht vielen Unternehmen zu schaffen. Hinzu kommen äußere Einflussfaktoren, die das Gewerbe beschäftigen oder es ihnen sogar erschweren, sich zu behaupten. Etwa das geplante Mindestlohngesetz der Bundesregierung. Je nach Region fällt das Urteil der Unternehmen unterschiedlich aus: Die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ab 2015 bereitet Betrieben in Thüringen zum Beispiel mehr Kopfzerbrechen als Betrieben in den alten Bundesländern. Aus Hamburg höre ich derzeit hingegen oft, dass das Geschäft boomt. Dazu passt die überraschend hohe Zahl der neu zugelassenen LKW im ersten Quartal. Insgesamt deutet vieles auf eine gute Auftragslage und ein Wachstum des Transportmarktes hin. Wer auf Qualität achtet, sich auf bestimmte Segmente spezialisiert hat und gut organisiert ist, der profitiert derzeit von einer ordentlichen Konjunkturentwicklung. Solche Unternehmen sind nicht mal eben so durch billigere Wettbewerber zu ersetzen - unter anderem aus Osteuropa. Apropos Geschäftsentwicklung: Planen Sie derzeit eigentlich neue Produkte? Ab dem nächsten Jahr wollen wir für die Mitglieder des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ), die oft inhabergeführte Unternehmen sind, eine sogenannte Interims-Management-Lösung anbieten: Im Fall einer plötzlichen Krankheit des Inhabers oder in ähnlichen Krisensituationen können wir Möbelspeditionen, die bereits die Kravag-Logistic-Police abgeschlossen haben, mithilfe eines Dienstleisters binnen einer Woche einen erfahrenen Profi zur Verfügung stellen, der die Geschäfte vorübergehend weiterführt. Bis zu drei Monate lang zahlt Kravag-Logistic 75 Prozent der hierfür anfallenden Kosten. Danach kann der Geschäftsführer der Möbelspedition den Interims-Manager auf eigene Kosten weiterbeschäftigen. Seit diesem Jahr gibt es exklusiv für BGL-Mitglieder eine neue Rechtsschutzversicherung. Was steckt hinter dieser Police? Ebenso wie die SVGen ist der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) seit den 60er-Jahren unser Partner. Ein Vorteil der Mitgliedschaft sind spezielle Versicherungsprodukte wie die Rechtsschutzversicherung, die sowohl Unternehmen im Straßengüterverkehr als auch deren Verkehrsleiter gegen neue Risiken absichert, die aus verkehrs-, straf- oder verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Verkehrsleiters resultieren können. Sind im Hinblick auf diese Police auch Kooperationen mit anderen Verbänden denkbar? Dieses Paket haben wir zuerst für die BGL-Mitglieder geschnürt, weil es für sie besonders wichtig ist. Die Kravag-Logistic ist eng mit dem Güterverkehrsgewerbe verzahnt und entwickelt für jeden Verband die Versicherungslösungen, die auf die Risiken ihrer Mitglieder zuschnitten sind. Zuletzt haben wir bei der Neufassung des Umzugsvertrages und der dazugehörigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die AMÖ ihren Mitgliedsunternehmen empfiehlt, mit Rat zur Seite gestanden. Er ist eine Reaktion auf die erweiterten Verbraucherrechte, die sich seit Mitte Juni aus einer neuen EU-Richtlinie ergeben. Auch die AMÖ-KLP haben wir auf das veränderte Risikopotenzial des Möbelspediteurs angepasst. Wir beobachten außerdem mit großem Interesse die Diskussionen zwischen den Verladerverbänden und dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) über die neuen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp). Hier sehen wir das Risiko deutlich strengerer Haftungsregelungen, was Auswirkungen auf den Versicherungsschutz und die Prämie des Spediteurs haben dürfte. Auch darauf stellen wir uns ein. Zum Abschluss wagen Sie bitte eine Prognose: Was erwarten Sie im laufenden Geschäftsjahr? Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Im ersten Quartal dieses Jahres hat die Kravag-Logistic ein Wachstum von sieben Prozent erzielen können. Zusätzlich halten sich die Schäden in Grenzen. Mit weiteren Prognosen bin ich aber vorsichtig. Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben gezeigt, wie schnell sich die Situation ändern kann. Insgesamt bin ich daher vorsichtig optimistisch, dass auch 2014 ein gutes Geschäftsjahr für die Kravag-Logistic werden wird. Vita Norbert Rollinger Der promovierte Jurist und Betriebswirt Norbert Rollinger (50) begann seine Karriere 1990 bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company in Düsseldorf und Köln. Von 1995 bekleidete er verschiedene Führungsfunktionen in der Versicherungswirtschaft. Bevor er in den Vorstand der R+V Versicherung wechselte, war der Luxemburger Vorstand für Kompositversicherungen bei den Generali Versicherungen in München und in gleicher Funktion für die Volksfürsorge Versicherungsgruppe in Hamburg tätig. Seit 2010 ist Rollinger für die Schaden- und Unfallversicherungsgesellschaften in der R+V Versicherungsgruppe verantwortlich. Seitdem ist er auch Vorstandsvorsitzender der Kravag-Gesellschaften in Hamburg. ag Das Unternehmen Kravag - ein Unternehmen der R+V-Versicherungen Die Gründung der Kravag-Versicherungen geht auf das Jahr 1950 zurück. Sieben Straßenverkehrs-Genossenschaften riefen damals die heutige Kravag-Sach Versicherung des Deutschen Kraftverkehrs VaG in Hamburg ins Leben. Seit 1996 arbeitet Kravag mit Deutschlands fünftgrößtem Versicherer R+V zusammen - zunächst in der Rechtsschutzversicherung und der Krankenversicherung. Ein Jahr später nimmt die Kravag-Allgemeine ihren Geschäftsbetrieb auf. Aufgrund der guten Zusammenarbeit gründen die Kravag-Sach und die R+V-Allgemeine im Jahr 1999 die Kravag-Logistic Versicherungs-Aktiengesellschaft. Der Spezialversicherer ist zuständig für Nutzfahrzeug- und Transportversicherungen.Die genossenschaftliche organisierte R+V-Versicherungsgruppe hält mit 51 Prozent die Mehrheit an der Kravag-Logistic und der Kravag-Allgemeine - den beiden operativen Einheiten. Die Versicherungsgruppen sind auch personell eng miteinander verflochten. ag

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