Tarifabschluss in Baden-Württemberg: Editorial: Tarifabschlüsse - weiterhin mit Vernunft verhandeln!

Trillerpfeifen, rote Fahnen und Warnwesten: Vor den Toren vieler Speditions- und Logistikunternehmen in Baden-Württemberg herrschte im April gut zwei Wochen lang eine Mischung aus Party und Klassenkampf. Kaum eine namhafte Adresse, die während der Verhandlungen um einen neuen Flächentarifvertrag nicht von Verdi bestreikt worden ist. Umso überraschender ist nun die schnelle Einigung zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband Spedition und Logistik (siehe Seite 16). Herausgekommen ist ein Kompromiss: Die Entgelte steigen in diesem und nächsten Jahr jeweils um zwei Prozent. Beide Seiten seien an die Schmerzgrenze gegangen, heißt es. Auch wenn sich künftig einige tarifgebundene Betriebe angesichts der Konjunkturerwartungen etwas strecken müssen: Die Speditions- und Logistikbranche im Südwesten kann mit diesem Ergebnis leben. Ein annehmbarer Kompromiss Vielleicht trug auch die Ankündigung der IG Metall, eine bundesweite Tarifkommission zu gründen, um Flächentarifverträge bei allen Kontraktlogistik-Dienstleistern aushandeln zu können, zum plötzlichen Abschluss bei. Die Konditionen der Metall- und Elektrobranche würden die Arbeitgeber vermutlich deutlich teurer kommen. Für Verdi geht es zudem längst nicht mehr bloß um bessere Arbeits- und Lohnbedingungen, sondern auch darum, dem Mitgliederrückgang etwas entgegenzusetzen und Beschäftigte zu organisieren, bevor es die Konkurrenz tut. Unter dem Strich also ein Signal in Sachen Vernunft. Ähnlich vernünftig sollten Speditions- und Logistikverbände und Verdi bei den anstehenden Tarifverhandlungen in Südbaden, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Bayern aufeinander zugehen. Immerhin verursachen zunehmend Streiks Millionenschäden in den betroffenen Unternehmen. Völlig zu Recht warnt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer in diesem Zusammenhang: Die Gewerkschaften müssen aufpassen, dass sie nicht den Ast absägen, auf dem sie selber sitzen.

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