Berlin. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verschiebt den Start der Pkw-Maut, bis der Europäische Gerichtshof über die umstrittene Abgabe entschieden hat. Das dauert laut EU-Kommission im Schnitt zwei Jahre - damit ist der ursprünglich geplante Starttermin im Laufe von 2016 faktisch kaum haltbar. „Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremst die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe», sagte der CSU-Politiker der „Bild“-Zeitung (Donnerstag). „Wir verhalten uns rechtsstaatlich und werden eine Gerichtsentscheidung abwarten.“
Die EU-Kommission will wegen europarechtlicher Bedenken gegen die Maut vorgehen. Die letzte politische Grundsatzentscheidung sei bei einer Sitzung am Mittwoch gefallen, hieß es aus Kommissionskreisen. Offiziell sollte am Donnerstagmittag (12.00 Uhr) bekanntgegeben werden, ob ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet wird.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bereits „erhebliche Zweifel“ an der Vereinbarkeit mit EU-Recht angemeldet. Denn die Abgabe belastet unterm Strich nur ausländische Fahrer, Inländer bekommen das Geld über die Kfz-Steuer zurück. Kippt der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut, müsste Dobrindt seine Pläne nachbessern.
Dobrindt will nicht nachgeben
Der Minister kündigte an, das Verfahren bis zum Schluss durchfechten zu wollen. „Ich werde mit Brüssel eine harte Auseinandersetzung führen. Am Schluss wird der Europäische Gerichtshof entscheiden“, sagte er „Bild“. Damit schloss er aus, dass die Regierung der EU-Kommission entgegenkommt, um den Streit vor einer Klage einvernehmlich beizulegen. Dobrindt bekräftigte: „Die Bundesregierung hat eindeutig nachgewiesen, dass die Maut-Gesetze EU-konform sind.“
Das Verfahren wird eingeleitet, indem die Kommission ein Mahnschreiben zustellt. Die Bundesregierung hat dann zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme. Bekräftigt die EU-Kommission ihre Bedenken und kommt Deutschland dem in weiteren zwei Monaten nicht entgegen, geht der Fall vor den EuGH. Die Zeitung „Die Welt“ zitierte Kommissionskreise mit den Worten: „Alle weiteren Schritte hängen maßgeblich davon ab, wie Deutschland reagiert.“
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Dobrindt sagte, sein Haus bereite weiter die Ausschreibung und Vergabe des Maut-Modells vor. „Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs können dann Suche und Auswahl eines Betreibers erfolgen, um die Infrastrukturabgabe umzusetzen.“ Für das Vorgehen der EU-Kommission habe er kein Verständnis.
Der SPD-Verkehrspolitiker Sebastian Hartmann sieht „eine neue Situation“ für seine Partei. «Wir vertrauen bisher auf das Urteil der Bundesregierung, dass die Pkw-Maut mit europäischem Recht vereinbar ist», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Mit der SPD werde es keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Autofahrer geben. Die Pkw-Maut sei unter klaren Bedingungen eingeführt worden. „Keine dieser Bedingungen wird nachträglich verändert oder aufgelöst.“
Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens warf Dobrindt vor, dieser verhindere eine gütliche Einigung mit der Kommission und fahre „unbeirrt in Richtung Maut für alle“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die Regierung in der „Saarbrücker Zeitung“ auf, ihre Maut-Gesetze zurückzuziehen. „Das wäre das Einfachste.“ (dpa)