Die Wiege der Logistik

Carl Heinrich Hellmann gründete in Osnabrück 1871 mit einem Pferdefuhrwerk ein Transportunternehmen. Zwei Jahre später folgte der Landwirt Joan Joseph Fiege in Greven mit einem Fuhrgeschäft. Im Jahr 1900 begann die Geschichte der Koch International in Osnabrück. Und 1902 gründete dort Adolf M. Meyer ein Fuhrunternehmen, um Möbeltransporte anzubieten. Heute ist Meyer & Meyer Fashionlogistikspezialist und hat seinen Sitz wie all die anderen erwähnten Familienunternehmen in der Region. Region mit Anziehungskraft Rolf Meyer, Aufsichtsrat der Osnabrücker Spedition Meyer & Meyer und Vorsitzender des Logistiknetzwerkes KNI für die Region Osnabrück, Münster und Bielefeld, sieht vor allem inhabergeführte, mittelständische Unternehmen in der Region stark verwurzelt. Hinzu kommen mittlerweile zahlreiche Industrie- und Handelsunternehmen. Darunter sind Namen wie der Lack- und Farbenhersteller Brillux, Maschinenbauunternehmen wie Claas in Harsewinkel oder Dürkopp und DMG Mori in Bielefeld sowie Lebensmittelkonzerne wie Dr. Oetker oder die Conditorei Coppenrath und Wiese. Für das Makler- und Beratungsunternehmen Logivest liegt die Stärke der Region vor allem in der Magnetfunktion für Kontraktlogistikdienstleister und Eigennutzer aus der Industrie. So eröffnete etwa das Sportartikelunternehmen Adidas bereits 2013 im Niedersachsenpark in Rieste ein Distributionszentrum. Mehr als 100 Millionen Euro ließ sich das Unternehmen das 55.000 Quadratmeter große Verteilzentrum kosten. Vor zwei Jahren erweiterte Adidas seine Aktivitäten und mietete eine 40.000 Quadratmeter große Halle, die zuvor von PSA Peugeot Citroën genutzt wurde. Seit 2018 werden von dort die Bestellungen der E-Commerce-Plattformen abgewickelt. Ein Grund für den Standort sind die späten Cut-off-Zeiten (also die Zeit zwischen Bestellung und Übergabe an den Transporteur). Kunden könnten noch bis zu zwei Stunden vor dem Warenausgang ihre Bestellung abgeben. Von dem Standort aus würden 96 Prozent aller europäischen Kunden innerhalb von ein bis drei Tagen erreicht, so das Unternehmen. Andere Beispiele für Aktivitäten, die auch Logistikleistungen nach sich ziehen: Der Küchenhersteller Häcker baut gerade in Ostercappeln-Venne bei Osnabrück eine neue Produktionsstätte. Das Medizintechnikunternehmen B. Braun Avitum erweitert und modernisiert am Standort Glandorf seine Umschlaghalle für 12,5 Millionen Euro. Die Logistiker ziehen nach. So hat Fiege vor einem Jahr ein 28.000 Quadratmeter großes Grundstück im Airport-Park FMO am Flughafen Münster/Osnabrück erworben. Im vergangenen Jahr startete der Osnabrücker Logistiker Koch International mit dem Bau einer weiteren Logistikhalle: Mit der 10.300 Quadratmeter großen Immobilie am Firmensitz will man sich für das Wachstum wappnen. Das sind nicht die einzigen Aktivitäten: Nach einer aktuellen Erhebung des KNI stehen an den weitläufig verteilten Logistikstandorten in der Region derzeit mehr als 286 Logistikimmobilien mit einer Hallengröße von mehr als 5000 Quadratmetern. Insgesamt belaufe sich die Lagerhausund Umschlagfläche im Umkreis von 70 Kilometern um Osnabrück herum auf 4,1 Millionen Quadratmeter. Fast zwei Drittel davon sind in Besitz von Eigennutzern. Damit würden 1,42 Millionen Quadratmeter an Mietflächen zur Verfügung stehen. Auch Logivest stellt fest, dass ausreichend große Ansiedlungsflächen vorhanden sind. Diese haben zudem überwiegend eine gute Autobahnanbindung. Hinzu kommt, dass mit Gütersloh und den Güterverkehrszentren in Rheine und in Osnabrück die Unternehmen gleich drei trimodale Umschlagplätze zur Auswahl haben. Auch der Flughafen Münster/Osnabrück profitiert vom derzeit starken Importgeschäft. Mit 17.520 Tonnen erreichte der Flughafen 2018 ein Allzeithoch bei den umgeschlagenen Waren. Dazu tragen auch die guten Anbindungen bei. Über die Autobahnen A 1 und A 30 sind das Ruhrgebiet und die Seehäfen gut zu erreichen. Den Zugang zum Binnenwassernetz sichert der Dortmund-Ems-Kanal, der bis 2026 weiter ausgebaut wird. Aufgrund dieser Verbindungen rücken auch die großen Häfen im Westen (Antwerpen und Rotterdam) und zunehmend auch die deutschen Nordseehäfen bis hin zum Jade-Weser-Port näher an die Region und nutzen die guten Hinterlandanbindungen. Auch Meyer beobachtet ein zunehmendes Aufkomme aus den Häfen. Die Region Münster/Osnabrück hat also einiges zu bieten in Sachen Logistik (siehe Kasten). Das Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle sieht in der Außendarstellung noch ein Manko. "International nimmt man die Region noch zu wenig als Logistikstandort wahr", analysieren die Berater. Doch das scheint sich gerade zu ändern, beobachtet Meyer. So würden derzeit verstärkt Logistikunternehmen und Verlader aus den Niederlanden die Region entdecken. Bis zur Grenze sind es je nach Standort maximal 100 Kilometer. Dafür finden die Unternehmen günstigere Flächen und Arbeitskräfte als in der Heimat. Großes Potenzial für Arbeitskräfte Das Arbeitskräftepotenzial ist ein weiterer Pluspunkt der Region. Fast acht Prozent der Beschäftigten arbeitet in der Logistik. Nur im Großraum Bremen und in der Metropolregion Hamburg ist dieser Anteil höher. "Hier spielt die Nähe zum bevölkerungsreichen Ruhrgebiet und zur Region Ostwestfalen-Lippe sicherlich eine große Rolle, ebenso wie die Nähe zu den grenznahen Regionen", sagt Christian Beran, Geschäftsführer der Immobilienberatung Realogis. Auch die Hochschule Osnabrück und die Fachhochschule Münster haben sich auf die Ansiedlungen eingestellt. An beiden Universitäten gibt es zahlreiche Studienangebote im Bereich Logistik. Die weite Verteilung der einzelnen Logistikstandorte scheint dabei eher ein Vorteil zu sein. Dadurch können Unternehmen auf einen großen Arbeitsmarkt zurückgreifen. Denn viele Arbeitnehmer seien bereit, an andere Arbeitsorte zu pendeln. Unter dem Strich führt das laut Logivest zu vergleichsweise moderaten Arbeitsund Lohnkosten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Logistikregion www.verkehrsrundschau.de/dossiers Münster/Osnabrück Großes Flächenpotenzial mit moderaten KostenDurch die zahlreichen Aktivitäten kletterte die Region Münster/Osnabrück im aktuellen Logistikimmobilien-Seismographen der Logivest mit einem Neubauvolumen von mehr als 200.000 Quadratmetern im bundesweiten Vergleich von Platz neun auf Platz sechs. Die Verfügbarkeit von Flächen ist für viele Unternehmen ein Grund, sich hier niederzulassen. Die Mieten für Logistikimmobilien liegen laut Logivest zwischen 2,80 Euro und 5,50 Euro je Quadratmeter (m2 ). Auch Grundstücke sind für Preise zwischen 10 Euro pro m2 auf dem Land und bis zu 140 Euro je m2 im direkten Umfeld der Städte zu haben. Im bundesweiten Vergleich hat die Region ein vergleichsweise großes Flächenpotenzial mit moderaten Kosten. "Durch ihre zentrale Lage und Nähe zu den Niederlanden und zu Belgien hat die Region Münster/Osnabrück in den vergangenen Jahrzehnten hoch spezialisierte Logistikkonzerne hervorgebracht, die neben anderen zu den großen Flächenabnehmern für vakante Hallen und neu geplante Anlagen zählen", sagt Christian Beran, Geschäftsführer der Realogis Immobilien. ah

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