Die Firma verkaufen - aber wie?

Was machen Spediteure, die ihren Betrieb verkaufen wollen, am häufigsten falsch? Bei dieser Frage muss Holger Käunicke nicht lange nachdenken. "Es wird zu lange gewartet", sagt der Chef des bundesweit tätigen Firmenverkäufers Investora in Korschenbroich. Käunicke berät Inhaber bei der Veräußerung ihres Betriebs. Allein in den letzten Monaten kamen drei seiner Mandanten aus der Logistikbranche. Oft beobachtet er, dass die Inhaber den Verkauf ihres Betriebs hinauszögern. "Das Thema kommt zum Beispiel erst auf den Tisch, wenn die eigene Gesundheit nicht mehr mitmacht." Und selbst, wenn man sich zu einem Verkauf durchgerungen hat, seien die Inhaber oft innerlich noch nicht so weit. Dann werde die Veräußerung nicht mit voller Energie durchgezogen, beobachtet Käunicke: "Das ist natürlich verständlich, schließlich gibt keiner gerne sein mühsam aufgebautes Lebenswerk aus der Hand." Die Folge der halbherzigen Verkaufsbemühungen: Das ganze Unternehmen steckt in der Warteschleife, wichtige Investitionsentscheidungen werden verschleppt. Meldet sich zufällig doch ein Kaufinteressent, ist der Zeitpunkt oft ungünstig, weil die Zahlen nicht gut aussehen oder man sogar in der Krise steckt. Aus der Position der Stärke Deshalb lautet die oberste Regel für Firmenverkäufer: Abschied nehmen, wenn es am schönsten ist. Wer für sein Unternehmen einen guten Preis erzielen will, sollte aus einer Position der Stärke heraus handeln. Wenn gerade ein neuer Großkunde unterschrieben hat, ein bestehender Vertrag zu guten Konditionen verlängert wurde und die finanziellen Kurven nach oben zeigen, ist der Moment günstig. Ob und wann der Zeitpunkt gekommen ist, könne ein guter Kaufmann durch nüchterne Selbstanalyse herausfinden, meint Käunicke: "Fragen Sie sich einfach, ob Sie Ihre Firma, wie sie in diesem Moment aussieht, kaufen würden?" Frühzeitig Verkauf planen Aber selbst, wenn die "Braut gut aussieht", wie es Profis ausdrücken, scheitern viele Firmenverkäufe schon im Frühstadium. Grund ist häufig schlechte Vorbereitung. Firmenverkäufer Käunicke erlebt immer wieder, dass der Inhaber zwar verkaufen will, doch zum Beispiel weder eine aktuelle Bilanz noch betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) vorweisen kann. Tritt dann überraschend ein Kaufinteressent auf den Plan, muss hektisch der Steuerberater aktiviert werden. Dieser braucht jedoch acht bis zwölf Wochen, um die Zahlen fertig zu haben und bis dahin ist der potenzielle Käufer längst über alle Berge. Solche Blamagen ließen sich durch solide Planung verhindern, Käunicke: "Informieren Sie Ihren Steuerberater rechtzeitig über die Verkaufsabsicht, halten Sie BWA und Bilanz aktuell, sorgen Sie dafür, dass Buchungen den richtigen Konten zugewiesen sind." Und das ist nur die Spitze des Aktenbergs, der bereitliegen sollte. Kaufinteressenten führen in der Regel eine sogenannte Due-Diligence-Prüfung durch, um herauszufinden, wo die Stärken und Schwächen des Kaufobjekts liegen. Mit diesem Fitnesstest werden in der Regel Spezialisten wie Wirtschaftsprüfer oder Anwälte betraut. Und deren Ansprüche sind hoch: Sie fordern eine Deckungsbeitragsrechnung für jedes Geschäftsfeld, Studien zum jeweiligen Markt und Profile der Wettbewerber, außerdem sämtliche Miet-/Wartungs- und Leasingverträge, eine Übersicht über EDV-Ausstattung und eine Liste mit anhängigen Gerichtsverfahren. Und je größer und professioneller der Investor ist, desto länger kann diese Liste werden. Firmenverkäufer sind also gut beraten, möglichst viele Unterlagen schon vorzubereiten, um Hektik vor den Verkaufsverhandlungen zu verhindern. Fakt ist jedoch auch: Nur die wenigsten Betriebe dürften in der Lage sein, eine solche Transaktion komplett selbst zu stemmen. Dafür sind die Aufgaben schlichtweg zu komplex. Allein eine Verkaufsbroschüre zu erstellen kostet einige Manntage und wird mit Bordmitteln gearbeitet, hat das Ergebnis häufig nicht das nötige Niveau, um professionelle Investoren zu überzeugen. Daneben fehlt es vielen Inhabern an Kontakten zu Kaufinteressenten - sowie an Verhandlungsgeschick. Ein Firmenchef mag gut darin sein, das Tagesgeschäft zu organisieren, mit dem Verkauf eines ganzen Betriebs ist er häufig überfordert - natürlich auch aus emotionalen Gründen. Deshalb lohnt es sich, ab etwa zehn Millionen Euro Umsatz einen Profi hinzuzuziehen. Dessen Hilfe hat allerdings ihren Preis: Investora etwa verlangt als Erfolgshonorar eine Staffelvergütung mit sechs Prozent von der ersten Million des Kaufpreises sowie ein verrechenbares Grundhonorar ab 7000 Euro (dessen Höhe richtet sich nach der Firmengröße). Andere Berater rechnen Leistungen auch einzeln ab, etwa das Finden von Kaufkandidaten oder die Erstellung der nötigen Vertragsunterlagen. Besonders heikel: der Firmenwert Professionelle Firmenverkäufer helfen auch bei einem besonders heiklen Punkt: der Ermittlung des Unternehmenswertes, der letztlich den Preis bestimmt. Am gebräuchlichsten ist dabei derzeit die Marktwertoder Multiplikatormethode (siehe Kasten Seite 21): Man nimmt zum Beispiel den Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) und multipliziert ihn mit dem Faktor acht, einem aktuell typischen Multiplikator für Logistikunternehmen. Ein Betrieb mit einem EBIT von 500.000 Euro wäre demnach vier Millionen Euro wert. Das klingt recht eindeutig, in der Praxis jedoch ist der so errechnete Preis selten zu erzielen. "Verkäufer machen oft einen entscheidenden Fehler: Sie vergessen die Schulden", erklärt Robert Weidinger, Corporate-Finance-Berater aus München und auf Unternehmenstransaktionen spezialisiert. Schulden mindern nämlich direkt den Verkaufserlös. Um beim Beispiel zu bleiben: Hätte der Betrieb mit dem theoretischen Wert von vier Millionen Euro gleichzeitig Schulden von zwei Millionen Euro, würden dem Inhaber beim Verkauf nur zwei Millionen Euro zufließen. "Das führt oft zu Enttäuschungen", so Weidinger. Diese Unzufriedenheit wird noch verstärkt, wenn der Inhaber sieht, wie viel Steuern er auf den Verkaufserlös zahlen muss. Am Ende bleibt das Gefühl zurück, nach 30 Jahren harter Arbeit nur mit Peanuts entlohnt zu werden. "Das führt wiederum zu überzogenen Preisforderungen", weiß Weidinger. Dagegen hilft nur, rechtzeitig den finanziellen und steuerlichen Realitäten ins Auge zu sehen. Doch egal, wie präzise der Firmenwert errechnet wurde: Im Endeffekt zählt nur, was dem Käufer der Betrieb wert ist. Und sein Angebot hat mit dem, was auf der Inventarliste steht, nur wenig zu tun. "Niemand zahlt für Beton oder Blech, eine Firma wird wegen des Kundenstamms gekauft", betont Experte Käunicke. Daher erzielen Speditionen mit direktem Kontakt zum Verlader auch höhere Verkaufspreise als reine Frachtführer, die als Subunternehmer tätig sind. Um sicherzugehen, dass die wertvollen Kundenkontakte auch nach einem Verkauf erhalten bleiben, nehmen Kaufinteressenten die interne Organisation genau unter die Lupe. Ist der ganze Betrieb auf den Inhaber ausgerichtet? Hält allein er den Kontakt zu den Kunden, ist seine Person untrennbar mit dem Betrieb verbunden? Dann geht bei Profis das rote Warnlicht an, schließlich würden beim Ausscheiden des Inhabers vermutlich viele Kunden gleich mit abspringen. Solche Strukturen gilt es daher zu verhindern. "Verteilen Sie Know-how. Sorgen Sie dafür, dass nicht alles zusammenbricht, wenn Sie gehen", empfiehlt Berater Käunicke. Finanzexperte Weidinger schlägt in dieselbe Kerbe. "Bauen Sie einen Prokuristen oder externen Manager auf, legen Sie den Vertrieb in die Hände von anderen." Konkurrent als Kaufinteressent Selbst die beste Planung schützt aber nicht vor einem Risiko, das oft übersehen wird: Ein Wettbewerber könnte sich als Kaufinteressent ausgeben und so interne Informationen abschöpfen. Das klingt reißerisch, kommt in der Praxis aber nicht selten vor. Typisches Szenario: Der vermeintliche Investor nimmt Kontakt auf, fordert (und bekommt) Einblick in Kunden- und Mitarbeiterlisten. Dann winkt er ab und wenige Wochen später verlässt ein wichtiger Vertriebsmitarbeiter "zufällig" den Betrieb, um zur Konkurrenz zu wechseln. Profi Käunicke rät daher: "Öffnen Sie nicht Ihre Aktenschränke, bevor der Interessent nicht eine Kaufabsichtserklärung unterschrieben hat." In einem solchen sogenannten Letter of Intent ist zum Beispiel festgeschrieben, dass der Kaufinteressent keine Kunden des Betriebs akquirieren darf. Mehr dazu im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Methoden zur Unternehmenswert-Ermittlung Wie viel ist Ihr Betrieb wert? - SubstanzwertverfahrenBei dieser Methode berechnet man, wie viel es kosten würde, den Betrieb in seiner jetzigen Form neu "zusammenzukaufen".Umsetzung: Erstellen Sie eine Liste mit allen Vermögensgegenständen (Fahrzeuge, Maschinen, Immobilien) und schreiben Sie hinter jeden Posten, was es kosten würde, ihn in seiner jetzigen Form anzuschaffen (beim Lkw zum Beispiel ein Fahrzeug mit der jeweiligen Kilometerleistung). Addieren Sie dazu die Forderungen, ziehen Sie Verbindlichkeiten ab. Das Ergebnis ist der sogenannte Teilreproduktionswert.Fazit: Mit dem Substanzwertverfahren lässt sich der Unternehmenswert leicht ermitteln, weil keine Werte geschätzt werden müssen. Allerdings fallen immaterielle Werte wie zum Beispiel Kundenbeziehungen unter den Tisch.- ErtragswertverfahrenDas Verfahren basiert auf folgender Frage: Welcher Preis kann für das Unternehmen gezahlt werden, sodass der Käufer in den kommenden Jahren trotzdem noch eine angemessene Rendite erzielt? Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kauf mit einem Kredit finanziert wird.Umsetzung: Nehmen Sie den Vorsteuergewinn der letzten drei Jahre, den aktuellen Wert sowie die Planzahlen der kommenden zwei Jahre. Ziehen Sie in jedem Jahr außerordentliche Erträge (Beispiel: Lkw-Verkauf), Aufwendungen sowie Ihr Geschäftsführergehalt ab. Bilden Sie aus den Jahreswerten einen Durchschnitt, das ist der zu erwartende Gewinn. Ermitteln Sie nun den sogenannten Kapitalisierungszinssatz: Er setzt sich zusammen aus einem typischen Marktzins und einem geschätzten Risikoaufschlag, der davon abhängt, wie sicher oder unsicher das Geschäft in Zukunft ist. Teilen Sie den durchschnittlichen Gewinn durch den Kapitalisierungszinssatz und multiplizieren Sie mit 100.Fazit: Das Ertragswertverfahren ist genauer als die Substanzwertmethode, funktioniert aber nur, wenn Planzahlen vorliegen. Außerdem hängt der so ermittelte Preis stark vom Risikoaufschlag im Zinssatz ab.- MarktwertmethodeFirmen einer Branche sind oft ähnlich viel wert. Diese Tatsache macht man sich bei der Marktwertmethode zunutze: Der Vorsteuergewinn oder Umsatz eines Betriebs wird mit einer für die Branche typischen Kennzahl (Multiplikator) malgenommen, um so den Firmenwert zu erhalten.Umsetzung: Ermitteln Sie den sogenannten EBIT (Earnings before interest and taxes). Er berechnet sich aus dem Jahresüberschuss plus der gezahlten Ertragssteuern und Zinsaufwendungen. Nehmen Sie den Wert mit acht mal, um den Unternehmenswert zu erhalten. Das ist ein derzeit gängiger Multiplikator für Logistikunternehmen. Das Ergebnis entspricht dem geschätzten Unternehmenswert.Fazit: Die Marktwertmethode lässt sich extrem einfach durchführen. Nachteil: Gerade für kleine Unternehmen sind die so ermittelten Werte oft unrealistisch. cg

EU: Schlechte Luft und Lärm in den Städten

Sperrung am Autobahnkreuz Kaiserberg

Logistik: Neue Start-ups ziehen im Holm ein

Elektro-Lkw für Autotransporte in Österreich

Hafen Kiel: Rückgang beim Frachtaufkommen

Alle Schlagzeilen

Die Firma verkaufen - aber wie?

HASHTAG

#Unternehmensführung

Havi Group ändert globale Markenstrategie

Unternehmen Flesche strebt Sanierung an

Ausbildungsabbruch: Ursache oft fehlende Kommunikation

MEISTGELESEN

Lkw-Fahrermangel 2025: 39 Prozent der Fahrer stehen kurz vor der Rente

Brenner-Route: Österreich beschließt Samstagsfahrverbot

Das Ende der Lkw-Rückkehrpflicht

WEITERLESEN

NEWSLETTER