Die dunklen Geschäfte Mafia

Der Name Gioia Tauro steht für den größten Container-Hafen Italiens: 3,1 Millionen Container wurden 2013 in dem Tiefwasserhafen an der italienischen Stiefelspitze umgeschlagen - Tendenz steigend. Doch der Hafen befindet sich fest in der Hand der kalabrischen Mafia, der 'Ndrangheta. Zuletzt geriet er bei der Ermittlung "Puerto Liberado" ins Visier der Antimafia-Jäger der DDA (Direzione Distrettuale Antimafia) von Reggio Calabria. "Puerto Liberado" - die Ermittlung zog sich über mehrere Jahre von 2011 bis 2014 - hat die Beschlagnahmung von vier Tonnen Kokain mit einem Marktwert von 800 Millionen Euro ermöglicht. Es gab 13 Festnahmen, darunter ein leitender Angestellter des Medcenter Container Terminals (MCT), der 2011 kontrolliert wurde, als er mit einem Lieferwagen das Hafengelände verlassen wollte. Geladen waren 560 Kilo reines Kokain. Das MCT gehört zur italienischen Contship, ein gemeinsames Unternehmen der Bremer Eurogate-Gruppe und Eurokai. Die Terminalgesellschaft mit 1200 Angestellten war selbst bereits Opfer geworden. Die 'Ndrangheta hatte versucht, dem MCT ein Schutzgeld von 1,5 Dollar pro abgefertigtem Container aufzuerlegen. Als im Juli 2014 aus Syrien kommende Chemiewaffen ausgerechnet in Gioia Tauro verladen werden sollten, wurde beschlossen, die Verladung vom dänischen Cargo-Schiff "Ark Futura" auf das amerikanische Schiff "Cap Ray" aus Sicherheitsgründen nicht im Hafen, sondern auf See vorzunehmen. Die 560 Tonnen Chemiewaffen, die auf 60 Container verteilt waren, wurden zwar von MCT abgefertigt, doch sie unterlagen dabei amerikanischer Aufsicht. Zusätzlich waren 100 Beamte der italienischen Polizei und der Carabinieri im Einsatz, die einen guten Quadratkilometer Sicherheitszone zu überwachen hatten. Operation auf schwierigem Terrain Domenico Bagala, Chef des Medcenter-Contship-Terminals, wiegelte gegenüber der italienischen Tageszeitung "La Stampa" ab: "Da Gioia Tauro ein Drittel der in Italien ankommenden Container abfertigt, ist es normal, dass dort eine höhere Anzahl von Containern beschlagnahmt wird. Es ist aber wahr, dass wir auf einem schwierigen Terrain operieren." Gerade dieses schwierige Terrain lässt sich allerdings kaum kontrollieren. Die 'Ndrangheta hat nach offiziellen Schätzungen rund 7000 Mitglieder. Juristen, Führungskräfte, Politiker und sogar Polizisten finden sich in den Reihen der rund 90 bekannten Clans, außerdem gibt es durch Heirat erzielte verwandtschaftliche Verbindungen zu den Drogenkartellen in Südamerika. Mittlerweile ist die 'Ndrangheta die mächtigste Mafia-Organisation Europas. Haupteinnahmequellen sind der Drogenhandel und die Müllentsorgung. Der von Antimafia-Behörden für das Jahr 2013 auf 53 Milliarden Euro geschätzte Jahresumsatz wird zudem gewinnbringend investiert - insbesondere in Immobilien und in größere städtebauliche Projekte. 53 Milliarden Jahresumsatz Deshalb ist es auch seit mehreren Jahren üblich, dass bei ebendiesen Projekten Antimafia-Abkommen geschlossen werden, die die genaue Überprüfung der beteiligten Firmen und der Herkunft der investierten Gelder regeln. Im Zusammenhang mit der Expo 2015 in Mailand mussten gleich mehrere Ausschreibungen aufgrund des Verdachts mafiöser Verstrickungen einer engmaschigen Kontrolle durch die Behörden unterzogen werden. 33 Firmen wurden infolgedessen bei der Auftragsvergabe ausgeschlossen. Auch die Einflussnahme auf die Politik ist kein Einzelfall. Längst haben 'Ndrangheta-Mitglieder Kontakte zu den wichtigsten Entscheidungsträgern. Natürlich, so heißt es vonseiten der Ermittler, gäbe es Möglichkeiten, der Operationsweise der 'Ndrangheta Einhalt zu gebieten, "aber das ist für niemanden vorteilhaft, da alle - einige mehr und andere weniger - ihren Nutzen aus dieser Situation ziehen". Öffentliche Ausschreibungen seien dabei ein sehr wichtiger Sektor, da man daran viel verdienen könne, sagt ein Antimafia-Ermittler, der namentlich nicht genannt werden will. "Sie erlauben es, Gelder in Firmen zu reinvestieren und garantieren zahlreiche Arbeitsplätze, die dann zu verwalten sind." Im Juli 2014 wurden 20 Mafia-Mitglieder im Zuge der Ermittlung "San Michele" verhaftet. Ihnen war es gelungen, direkt oder über ihre Funktion als Subunternehmer, die Ausschreibung über die Restrukturierung des 4,4 Kilometer langen Prapontin-Tunnels auf der Autobahn zwischen Turin und Bardonecchia ebenso zu gewinnen wie die über die Reinigung und Schneeräumung auf der A 32 und auf dem Gelände des Flughafens von Caselle. Bereits 2007 war ans Licht gekommen, dass die Firmen, die mit der Modernisierung der Autobahn A 3 beschäftigt waren, zur Zahlung eines Schutzgeldes in Höhe von 3 Prozent der Gesamteinnahmen gezwungen worden waren. Damals hatte es bereits 40 U-Haft-Anordnungen für Unternehmer, Mitglieder der 'Ndrangheta und Arbeiter der Straßenbetriebsgesellschaft Anas gegeben. Hintergrund Die größten Mafia-Organisationen in Italien sind die Cosa Nostra, die 'Ndrangheta, die Camorra und die Sacra Corona Unità. Die Mitgliedschaft zur 'Ndrangheta, deren Jahresumsatz für das Jahr 2013 auf 53 Milliarden Euro geschätzt wird, beruht vorrangig auf Blutsverwandtschaft. Mehr als 7000 Mitglieder werden in den rund 90 Clans vermutet. Zwischen 1992 und 2011 wurden 9436 Mafia-Mitglieder (darunter 2582 'Ndranghetisti) verhaftet, Güter im Gesamtwert von über zwölf Milliarden Euro beschlagnahmt sowie Gebäude und Waren im Wert von weiteren 1,9 Milliarden Euro enteignet. nja