Die Angst vor den Ozean-Riesen

Mega-Schiffe, die bis zu 20.000 TEU befördern, sind der jüngste Trend im internationalen Seeverkehr. Seit 2009 hat sich die durchschnittliche Größe von gebauten Containerschiffen verdoppelt und der Trend zu immer größeren Einheiten geht weiter. Wenn alle Mega-Schiffe, die gegenwärtig geplant sind, vom Stapel liefen, sagt Désirée Oen, die Kabinettschefin von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, werde bereits 2017 mindestens ein Mega-Schiff pro Tag in jedem großen Hafen in Nord-West-Europa einlaufen. Die ohnehin niedrigen Frachtraten könnten dann weiter unter Druck geraten, sagt Marc Huybrechts, Präsident des europäischen Verladerverbandes Clecat. Mehr Fracht, weniger Zeit In der EU-Kommission wird intensiv diskutiert, welche Folgen das haben könnte. Es bestehe das Risiko, dass in den Häfen Überkapazitäten entstehen. "Die Mega-Schiffe erfordern außerdem erhebliche Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur in den Häfen und zur Anbindung an das Hinterland", sagt Oen. Die Frage, wer die Investitionen für größere Kräne und leistungsfähigere Straßen oder Eisenbahnverbindungen vornehme und wie sie finanziert werden, sei noch längst nicht geklärt. Es sei auch möglich, dass nur wenige Häfen genug investierten, um die Ozean-Riesen abzufertigen. Die Warenströme würden sich dann weiter konzentrieren, könnten von dort jedoch durch Feeder-Schiffe verteilt werden. Die Kommission müsse prüfen, ob in den TEN-T-Korridoren "weniger Häfen oder eine zusätzliche Kategorie von Häfen" ausgewiesen werden müssten. In jedem Fall gelte: "Lieferketten, die von größeren aber weniger häufigen Lieferungen abhängig sind, sind weniger flexibel und anfälliger. Sie müssen besser optimiert werden", sagt Oen. In Brüssel hofft man, das durch Digitalisierung zu lösen. Jens Poggensee, Vize-Präsident von UPS in Europa, ist nicht so optimistisch. In den europäischen Häfen gebe es immer mehr Engpässe. Die Folge: unberechenbare Lieferketten. Poggensee sieht in der Digitalisierung zwar ebenfalls Potenzial, ist aber nicht sicher, ob das ausreicht. Auf jeden Fall müsse man damit rechnen, dass die Frachtraten in Zukunft noch stärker schwankten als heute. Für die Reeder könnte die Lösung in neuen Allianzen oder Fusionen liegen. Maut für Mega-Schiffe Das sei vielleicht eine Lösung für die Reeder, sagt Lamia Kerdjoudj-Belkaid, Generalsekretärin des Verbandes der privaten Hafendienstleister (Feport), aber nicht für den Rest der Lieferkette. Und Olaf Merk vom Internationalen Verkehrsforum (ITF) erinnert daran, dass größere Schiffe schon häufig zu Fehlinvestitionen geführt haben. Er fordert daher, von Mega-Schiffen eine besondere Infrastrukturabgabe zu erheben. Gelassener bleibt die Reederei K-Line. Dort setzt man darauf, dass neben den Riesenschiffen neue Nischen für kleinere Einheiten entstehen, denn: Je größer das Schiff, desto schwerer sei seine Auslastung, sagt K-Line-Manager Tom Verbeke. Er glaubt nicht an die Vormacht der Mega-Schiffe, die nur wenige Häfen ansteuern könnten: "Es wird immer Platz für die kleinen und flexiblen Anbieter geben". Wiegepflicht Die Angst vor der Waage Nicht nur die Mega-Schiffe machen der Branche zu schaffen. Container-Reedereien sind nach einer Umfrage besorgt, dass es bei der Einführung der Wiegepflicht für Container ab Juli 2016 zu Unterbrechungen der globalen Lieferkette kommt. Demnach erwarten nur 30 Prozent der befragten Reeder, dass sie die EU-Anforderungen fristgerecht erfüllen können. Knapp die Hälfte hatte Zweifel und jeder zehnte Reeder gab an, die Vorgaben mit Sicherheit nicht umsetzen zu können. Die größten Probleme gibt es an den Küsten Südostasiens. Die Umfrage wurde vom Shipping Portal INTTRA durchgeführt, über das weltweit jede vierte Containerpassage gebucht wird. INTTRA versucht gegenwärtig, einen elektronischen Standard zu etablieren, der das Problem lösen soll. tw

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