Dauerlauf mit einigen Zwangspausen

Nach weniger als zwei Jahren rauschte K-QS 3004 durchs Ziel. Heißt: 100.000 Kilometer Dauertest im VR-Redaktionseinsatz lagen hinter unserem "Stratosphere-Blau" lackierten Ford Tourneo Custom. Die Kürze der Zeit zeugt davon, wie beliebt der praktische Achtsitzer bei den Kollegen war. Mal schnell acht Personen zum Termin bringen, oder eben die beiden hinteren Sitzbänke klappen, wickeln oder gar ausbauen, um Raum für großes Gepäck zu schaffen - für den wandelbaren Ford kein Problem! Den Großteil der Distanz absolvierten wir selbstredend auf der Autobahn. Und hier bildeten sich mit der Zeit zwei "Fahrer-Lager". Die einen schätzten die "Entschleunigung", zu der weniger der 125 PS starke TDCI als vielmehr seine ellenlange Getriebeübersetzung erzog. Andere vermissten die nötige Spritzigkeit, wenn man beispielsweise hinter einem Lastwagen auf die linke Spur wechselte und schnell durchbeschleunigen wollte. Den nachfolgenden Verkehr bei solchen Manövern möglichst wenig auszubremsen, verlangt im Ford eine Rückstufung von zwei Gängen über das knackig schaltbare Getriebe und selbst dann erforderte das Manöver einige Geduld. Keine Beschleunigung bergab Wozu auch die im Testwagen verbaute Beschleunigungskontrolle (150 Euro) ihren Teil beitrug, beschnitt sie doch den Vortrieb aus Verbrauchsgründen zusätzlich, verweigerte bei Bergabfahrten die Gasannahme und verhinderte damit, dass der leer knapp 2,5 Tonnen schwere Tourneo vor Steigungen den nötigen Schwung holen konnte. Woran sich deutlich mehr Kollegen störten als an der Tatsache, dass die Motorelektronik den Vortrieb grundsätzlich bei 160 km/h beendete. Neue Verbrauchsrekorde ließen sich dadurch allerdings nicht aufstellen. Auf den insgesamt 100.929 Kilometern ließ sich der Ford klassenübliche 8,9 l/100 km Diesel schmecken. Allen Fahrern stieß dagegen der labil befestigte Dachhimmel sauer auf, der sich samt Innenleuchten und Klimamodul mehrmals aus seiner Verankerung löste. Dass unser örtlicher Ford-Händler so kurz nach der Markteinführung des Custom über Monate die nötigen Ersatzteile nicht beschaffen konnte und später auch mit diesen das Problem nicht in den Griff bekam, machte die Sache nicht besser. Ford schien es ähnlich zu sehen und beorderte den Testwagen bei Kilometerstand 68.253 zurück ins Werk, um dort einen komplett neuen Dachhimmel zu verbauen. Danach blieben oben zwar alle Teile dauerhaft an ihrem Platz, allerdings bezweifeln wir, ob Ford diese Kur auch jedem "Nicht-Presse-Kunden" spendiert hätte. Immerhin versprechen die Kölner, dass dieses Problem nur Fahrzeuge aus dem Serienanlauf betroffen haben soll und mittlerweile dauerhaft gelöst sei (siehe Kasten Seite 76). Gleiches soll für den Spurhalteassistenten gelten, der bereits bei Kilometerstand 8800 den Dienst versagte und für dessen Reparatur der Händler ebenfalls zwei Anläufe benötigte. Der erste Versuch mittels Software-Update half nur für wenige Kilometer, beim nächsten Werkstattstopp wurde im Rahmen der Gewährleistung gleich die gesamte Airbageinheit samt Vibrationsmotor ausgetauscht. Eine radikale Maßnahme, die aber zum Erfolg führte, denn der Assistent funktionierte im weiteren Verlauf ohne weitere Probleme. Die Servolenkung quittierte den Dienst Als Kleinigkeit stuften wir den ausgefallenen Heckscheibenwischer (km 46.349) ein und ließen ihn deshalb erst im Rahmen der planmäßigen 50.000-km-Inspektion instand setzen. Der Service förderte ansonsten keine Probleme zutage, weshalb es bei 6,2 Liter frischem 5W30-Motoröl und dem Austausch diverser Filter blieb. Ab da wähnten wir K-QS 3004 reparaturseitig eigentlich über den Berg, denn in der folgenden Zeit verrichtete der Custom seinen Dienst ohne Auffälligkeiten. Bis ein Redakteur bei Kilometer-Stand 66.857 frühmorgens auf eine weitere Dienstreise starten wollte. Auf den ersten Dreh am Lenkrad ertönte lautes Quietschen, auf das der Totalausfall der Servopumpe folgte. Mit schwergängiger Lenkung rettete sich der Kollege zum Händler, der als Ursache schnell einen geplatzen Gummischlauch zur Servopumpe ausmachte. Trotzdem dauerte es insgesamt drei Tage, bis der Ford zurück auf die Straße kehrte. Knapp 31.400 Kilometer später, kurz vor Testende, der nächste Ausfall: Während der Fahrt vermeldete der Bordcomputer plötzlich die beunruhigende Warnung "Motorsteuerung gestört". Zusätzlich aktivierte die Software das Notlaufprogramm und beschnitt sicherheitshalber die Motorleistung. Mit Höchsttempo 90 schafften wir es auch dieses Mal wieder ohne fremde Hilfe in die Werkstatt, die mit dem Aufspielen einer neuen Kolbensoftware auch dieses letzte Problem löste. Insgesamt 16 Werkstatt-Tage In der Gesamtabrechnung nach 100.929 Kilometern summierten sich die Probleme auf 184 Malus-Punkte (siehe Tabelle Seite 75) und insgesamt 16 Werkstatt-Tage, wovon nur zwei planmäßig waren. Was übrigens zum Teil auch auf das Konto des Münchener Händlers geht, der auch bei kleineren Defekten immer mehrere Tage benötigte, um den Tourneo wieder flott zu machen. Eine für gewerbliche Nutzer sicher inakzeptable Vorgehensweise, zumal uns in keinem Fall ein Ersatzfahrzeug angeboten wurde (siehe Kasten Seite 76 unten). Zugutehalten wollen wir dem Kölner aber, dass Ford eines der ersten Exemplare nach dem Serienanlauf in den Dauertest schickte und wir dadurch wohl Opfer einiger Kinderkrankheiten wurden, die Ford mittlerweile kuriert haben will. Der ADAC fand keine Problemzonen Trotzdem schade für K-QS 3004, denn rein vom Fahrzeugkonzept hat Ford mit dem Custom den Sprung zu VW T6 und Mercedes Vito geschafft. Das moderne Design innen wie außen gefällt auch Familien - auch wenn Ford-Neulinge einige Zeit benötigen, bis sie die Tastenflut auf Lenkrad und Mittelkonsole verinnerlicht haben. Dafür steckt man auf den straff gepolsterten Sitzen auch Langstrecken problemlos weg und beim Fahrwerk gelang den Ford-Ingenieuren der schwierige Spagat zwischen Komfort und Fahraktivität. Auch die Tatsache, dass wir während der 100.000 Kilometer nicht ein einziges Mal Öl nachfüllen, noch ein durchgebranntes Leuchtmittel vorne oder hinten ersetzen mussten, zeugt vom Qualitätspotenzial des Custom. Und auch der ADAC, der den Dauertester nach Testende für uns genau in Augenschein nahm, fand keine größeren Kritikpunkte: Antriebswellen, Staubmanschetten, Querträger und Federbeine überstanden die Distanz ohne Ermüdungserscheinungen. Gleiches gilt für Bremsbeläge und -scheiben sowie für die Stoßdämpfer, die laut Prüfer allesamt noch mindestens für weitere 50.000 Kilometer fit gewesen wären. Am Ende errechnete der ADAC für den zweijährigen Dauertester einen Händlereinkaufswert von 14.118 Euro. Ergibt in zwei Jahren einen Wertverlust von knapp 26.000 Euro für K-QS 3004, für den Ford ursprünglich mal 40.110 Euro Listenpreis aufrief. Ein Wert der übrigens deutlich unter dem liegt, was andere deutsche Hersteller für vergleichbar ausgestattete Vans verlangen. Für viele sicher allein schon Grund genug, dem Custom eine Chance zu geben. Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Fragen an Ford Das sagt Ford zu den Defekten Zu dem sich mehrmals lösenden Dachhimmel inklusive Innenleuchten und Klimamodul für den Fahrgastraum:"Das Problem ist bekannt und mittlerweile dauerhaft gelöst. Betroffen waren von dieser Problematik lediglich Fahrzeuge, die - wie der Dauertester - aus dem ersten Produktionsanlauf der neuen Baureihe stammten."Zu den über Monate nicht lieferbaren Ersatzteilen"Auch dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass es sich bei dem betreffenden Dauertestfahrzeug um ein Exemplar aus der frühen Produktionsphase handelte. Natürlich sind mittlerweile alle Ersatzteile innerhalb kürzester Zeit erhältlich!"Dazu, dass der Testwagen kurz vor Testende eine neue Kolbensoftware benötigte"Uns liegen keine Erkenntnisse vor, dass es sich bei dem aufgetretenen Defekt um ein generelles Problem der Baureihe handelt." AHG-Automobilforum in München Immer freundlich, aber nicht immer zuverlässig Insgesamt fünf Mal steuerten wir mit dem Dauertester das"AHG-Automobilforum" im Münchner Osten an. Immer freundlich und ohne lange Wartezeiten nahmen die Serviceberater den Custom entgegen. Ein Ersatzfahrzeug bot man uns trotz Garantiefällen allerdings nie an. Dann hörten wir meist lange nichts mehr vom Händler, selbst einfache Reparaturen zogen sich über Tage hin. Als sich der Händler bei der Reparatur des Spurwächters nach vier Tagen noch nicht meldete, fassten wir nach und erfuhren, dass unser Ford bereits seit zwei Tagen abholbereit war. Nur hatte uns niemand darüber informiert. Minuspunkte sammelte AHG auch dafür, dass bei der Abholung unser Fahrzeugschein nicht auffindbar war, der dann beim nächsten Besuch, Wochen später, wie von Geisterhand aus der Auftragsmappe fiel. bj

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