Das will keiner hören

Die Güterbahnen rühmen sich gerne, weil sie so umweltfreundlich sind: Pro Kilometer und Tonne wird beim Transport auf der Schiene vier bis fünf Mal weniger CO2 ausgestoßen im Vergleich zum Lkw. Doch gibt es eine gravierende Achillesferse der Schiene: der Lärm, den die Güterzüge verursachen. Jürgen Tuscher lässt keinen Zweifel daran, dass die Bahn hier Defizite hat und handeln muss. "Da sind wir uns einig", sagt der Geschäftsführer des Verbandes der Güterwagenhalter (VPI) in Deutschland und spricht hier nicht nur für seine Mitgliedsunternehmen. Denen soll im Jahr 2020 immerhin ein Drittel aller Güterwaggons in Deutschland gehören. Dobrindt will laute Waggons verbieten Warum 2020? Weil das Jahr ein ganz entscheidendes für den Schienengüterverkehr wird. Denn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, dass er bis Ende 2020 den Schienenlärm in Deutschland halbieren will. "Wir verschärfen die Vorschriften - mit einem Gesetz zum Verbot von lauten Güterwagen ab 2020", kündigte der Minister an. Laut den Prognosen soll es dann 180.000 Güterwaggons in Deutschland geben. Davon gehören der Deutschen Bahn (DB) und den Vermietern von Waggons, die sich im VPI organisiert haben, jeweils 60.000. Das letzte Drittel sind Waggons ausländischer Bahnen oder Unternehmen. "Wir werden bis 2020 die Vorgaben erreichen", ist sich Tuscher sicher. Seine Unternehmen hätten die wenigsten Probleme mit der Zielerreichung, weil die Kunden der Vermieter moderne Waggons nachfragen. "Jedes Jahr bringen unsere Unternehmen etwa 3500 neue Waggons in den Markt", so Tuscher. Damit werden 2020 die VPI-Mitglieder auf 40.000 Neubauwagen zurückgreifen Die teure Umrüstung (siehe Kasten Seite 17) sei dann bei nur noch 20.000 Waggons notwendig. Die DB steht hingegen vor deutlich größeren Herausforderungen. 2015 gehörten der größten Bahn Europas noch 87.000 Waggons, ein immer noch großer Bestand. Die DB muss also noch viele Waggons umrüsten. Doch bei der DB ist man zuversichtlich, die Vorgaben von Dobrindt zu erreichen: Ende 2015 verfügte DB Cargo über 21.000 Wagen mit moderner Bremstechnologie. Bis Ende 2016, so das Ziel, sollen es dann 32.000 leise Wagen sein, also gut die Hälfte, die für Ende 2020 angestrebt werden. Das Jahr 2016 ist ebenfalls von großer Bedeutung. Denn Dobrindt hat angekündigt: Sollte bis 2016 nicht mindestens die Hälfte der in Deutschland verkehrenden Güterwagen leise sein, wird die Bundesregierung noch in dieser Wahlperiode ordnungsrechtliche Maßnahmen auf stark befahrenen Güterstrecken umsetzen. Die Rede ist von Geschwindigkeitsbegrenzungen und Nachtfahrtverboten. Auch aus dem VPI ist zu hören, dass sie es schaffen, bis zum Jahresende die Hälfte ihrer Waggons umzurüsten. Und die ausländischen Waggons? "Wir haben keine Angaben, wie es bei den ausländischen Wagenhaltern aussieht", sagt Steffen Kerth, Koordinator der Sparte Schienengüterverkehr im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die SBB Cargo habe ausschließlich lärmarme Waggons im Einsatz. Aber gerade bei den Zügen aus Osteuropa kenne man nicht den Anteil lärmarmer Waggons. "Es wäre jedoch fatal, wenn unsere Bemühungen jetzt durch ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert würden. Dann würden unsere Investitionen verpuffen", sagt Tuscher. Bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung hätte fatale Folgen, weil schon jetzt auf den viel befahrenen Strecken kaum noch freie Trassen zu bekommen seien. Zudem würden die Umläufe nicht mehr klappen, sodass Tuscher solche Maßnahmen als gravierenden Eingriff für den Schienengüterverkehr empfindet. Das Bundesverkehrsministerium wollte sich auf Anfrage der VerkehrsRundschau nicht dazu äußern, was passiert, sollte das Ziel verfehlt werden. "Wir werden zum Jahresende eine Bilanz ziehen und dann entscheiden, ob und wenn ja, welche Maßnahmen getroffen werden", hielt sich ein Sprecher des Ministeriums bedeckt. Eine Milliarde Euro Mehrkosten So oder so: Die Bahn und die Vermieter müssen kräftig in die Tasche greifen. Die Mehrkosten erstrecken sich nicht nur auf die Investition bei der Anschaffung der Flüsterbremsen (siehe Kasten). Zwar wird die Hälfte der reinen Umrüstkosten sogar im Rahmen eines Förderprogramms der Bundesregierung aus öffentlichen Mitteln finanziert. Aber weil die neuen Radsätze häufiger inspiziert und reprofiliert werden müssen und die Verbundstoff-Bremssohlen teurer sind, steigen die Betriebskosten deutlich an. "Diese Betriebsmehrkosten belaufen sich unter Berücksichtigung der Mehrkosten aus der Zulassung auf 0,7 Eurocent je Achskilometer", sagt Kerth. Weshalb er die Zusatzkosten für die Lärmsanierung für die gesamte Flotte im gesamten Zeitraum zwischen 2013 und 2020 für Umrüstung und Betrieb auf insgesamt knapp eine Milliarde Euro beziffert. Das würde die gesamten zugbezogenen Produktionskosten um 7,2 Prozent erhöhen. Besonders stark betroffen sei der Kombinierte Verkehr, da hier die Laufleistung der Waggons mit 120.000 bis 150.000 Kilometer deutlich höher sei als im sonstigen Schienengüterverkehr. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Verkehrslärm" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Flüsterbremsen halbieren den Lärm von Waggons Bremsen als Hauptverursacher des Lärms eines Zuges Es ist nicht das Bremsen an sich, weshalb die Schienengüterverkehrsunternehmen sich so lauten Protest anhören müssen - obwohl so ein Stoppen eines Güterzuges auch sehr laut sein und hohe Töne verursachen kann. Es sind vielmehr die Folgen des Bremsens. Denn die alten Graugussbremssohlen rauen die Räder der Waggons auf mit der Folge, dass die Waggons einen permanenten Lärm erzeugen.Es gibt jedoch zwei Arten von Bremsen, die die Reifenoberflächen weniger stark angreifen und mit denen die Rollgeräusche eingedämmt werden können. Sie werden Flüsterbremsen genannt und sind in der Lage, den Lärm eines vorbeifahrenden Zuges zu halbieren.Die sogenannte K-Sohle kommt bei Neuwagen zum Einsatz. Deren Installierung in die Bestandswagen ist jedoch sehr teuer, weil die komplette Bremsanlage umgebaut werden muss und auch eine Neuzulassung der Bremsanlage erforderlich ist. Kosten für die Umrüstung pro Wagen: 5000 bis 7000 Euro. Deshalb kommt die K-Sohle mittlerweile in der Regel nur bei Neuwagen zum Einsatz. Bei der seit Juni 2013 zugelassenen LL-Sohle muss nur der Sohlentyp ausgetauscht werden ohne Folgen für die Bremsanlage. Mit 1700 Euro je Wagen ist die Umrüstung deutlich günstiger. cd

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