Das Tor zur Ostsee

Das Holstentor in Lübeck ist ein zumindest deutschlandweit bekanntes Wahrzeichen der Hansestadt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das spätgotische Bauwerk über 30 Jahre lang den 50-DM-Schein zierte.Ganz soweit ist es mit der Berühmtheit des Baltic-Rail-Terminals im Hafen Lübeck noch nicht. Aber es gilt als Tor zur Ostsee, zumindest aus logistischer Sicht. Denn über die Lübeck anfahrenden Fähren der verschiedenen Reedereien können über 20 Häfen in der Ostsee erreicht werden. Vor allem nach Schweden und Finnland gibt es mehrere Verbindungen zu unterschiedlichen Häfen. Auch in die baltischen Staaten und nach Russland fahren Schiffe.35 Prozent mehr EinheitenEin besonderes Augenmerk hat der Hafen auf den Kombinierten Verkehr (KV) gelegt. Im letzten Jahr ist das Umschlagsvolumen um satte 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 88.000 Einheiten gestiegen. Damit werden 28 Prozent aller Trailer in Lübeck im KV umgeschlagen. "Dieses Jahr läuft wieder gut an", sagt Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG). Man sei wieder "zweistellig über dem schon guten Vorjahr", weshalb er darauf hinweist, dass es sich um ein "nachhaltiges Wachstum" handele. Den Intermodalbereich bezeichnet Jürgens als "ein wichtiges Segment" für den Hafen Lübeck, in dem man überproportional wachsen wolle. Er nennt gegenüber der VerkehrsRundschau mehrere Gründe, warum die KV-Verkehre so stark zulegen: "Zum einen haben wir uns zu einer Drehscheibe für die Ostsee entwickelt, von der aus alle wichtigen Häfen erreicht werden können." Mehrmalige Abfahrten jeden Tag die Woche von Fähren nach Malmö oder Trelleborg (beide Schweden), aber auch zahlreiche Verbindungen in weitere schwedische und in finnische Häfen gehören dazu. Zudem werden auch Lettland und Estland sowie St. Petersburg angefahren."Auch die Hinterlandanbindungen haben wir die letzten Jahre ausgebaut", verweist Jürgens auf eine weitere Ursache für den Boom im KV. Die Verkehre werden über das Baltic Rail Gate am Skandinavienkai abgewickelt, das die LHG seit über zehn Jahren mit Kombiverkehr betreibt. So gibt es tägliche Verbindungen (Ausnahme Samstag) nach Hamburg, Verona, Köln, Duisburg und Ludwigshafen. Hinzu kommt, dass auf den Routen zum Teil unterschiedliche Anbieter unterwegs sind. "Nach Duisburg, Ludwigshafen und Verona fährt unsere Tochtergesellschaft, die European Cargo Logistics", sagt Jürgens. Diese Routen werden aber auch von Kombiverkehr (Duisburg, Ludwigshafen) und TX Logistik (Verona) bedient. "Wettbewerb belebt das Geschäft", sieht Jürgens in dieser Vielfalt ein Element, das zum Wachstum im KV beigetragen hat."Wenn ein Terminal fast täglich zum Teil mehrere Abfahrten zu bestimmten Orten anbieten kann, dann kommen automatisch neue Sendungen hinzu", sagt Jürgens. Die Kunden wüssten dann, dass sie täglich eine Option haben, eine Einheit zu verschicken. Damit sei eine größere Sicherheit verbunden, dass Sendungen nicht lange stehen bleiben, was die Attraktivität des KV erhöhe.Einen Dämpfer hat der Hafen im Russland-Verkehr erleiden müssen. Die erst 2014 aufgenommene Fährverbindung nach Klaipeda (Litauen) musste wieder eingestellt werden, weil sich auf der Route viele Güter nach Russland befanden, die vom Embargo betroffen waren. "Das ist bedauerlich, weil wir gerade in Richtung Russland uns zusätzliches Wachstum vorgenommen hatten", sagt Jürgens. Andererseits betrug der Umschlag mit Russland acht Prozent des Aufkommens im Hafen, sodass der Rückgang keinen gravierenden Verlust bedeutet. Aber Jürgens behält den russischen Markt im Blick und glaubt an eine Wende, weshalb er an der Absicht festhält, in St. Petersburg eine Niederlassung zu gründen. "Wann wir soweit sind, kann ich aber derzeit nicht sagen, weil das sehr von der politischen Entwicklung abhängt."Die Krise in Russland ist noch auf anderem Weg spür- und sichtbar in Lübeck. "Wir sehen in Lübeck seit ein paar Monaten vermehrt Lkw mit osteuropäischen Kennzeichen. Das sind wir nicht gewohnt", so Jürgens. Er schließt daraus, dass viele Lkw-Fahrer versuchen, in Westeuropa Ladung zu finden, die derzeit in Osteuropa fehlt: "Damit ist ein niedriges Frachtratenniveau im Straßengüterverkehr verbunden, weshalb begleitete Ladung zunehmend auch auf dem Landweg transportiert wird."Seca-Regeln ohne gravierende FolgenEin weiteres Problem sind die Seca-Bestimmungen, die seit Anfang des Jahres für die Nord- und Ostsee gelten. Diese Regelungen sehen vor, dass nur noch schwefelarmer Diesel auf den Schiffen zum Einsatz kommen darf. Doch dieser umweltfreundliche Treibstoff ist deutlich teurer als der herkömmliche Diesel. "Zwar haben die meisten Reedereien einen Seca-Zuschlag erhoben. Aber der Rückgang der Ölpreisnotierungen hat dazu geführt, dass es zumindest zu keinen exorbitanten Ausschlägen gekommen ist wie anfangs befürchtet", so die Beobachtung von Jürgens.Sowohl die Russlandkrise wie auch die Folgen der Seca-Bestimmungen will Jürgens nicht als "tickende Zeitbomben" verstanden wissen. "Es ist eher ein Fahren auf Sicht", sagt der Hafen-Chef.Neben dem Intermodalgeschäft setzt der Hafen auf seine bisherigen Stärken. Der Umschlag von Papier gehört dazu, von Autos und das Ro-Ro-Geschäft. Doch wachstumsstärkstes Segment bleibt der KV, den Jürgens weiter ausbauen will. Kein Wunder, war er doch vor seiner Tätigkeit bei der LHG bei DB Schenker Rail und bei der HHLA für das Intermodalgeschäft verantwortlich.Zahlen und FaktenHafen Lübeck- Terminals: 4- RoRo-Anleger: 18- Abfahrten im Fährverkehr: mehr als 80 pro Woche- Umschlag-/Lagerfläche: 156 HektarBaltic Rail Gate- Anteilseigner: LHG, Kombiverkehr (jeweils 50 Prozent)- Umschlagkapazität: 120.000 Ladeeinheiten pro Jahr- Sechs zuglange Gleise à 600 Meter- Zwei Containerbrücken- Abstellkapazität: 240 Plätze cd

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