BWVL-Forum: Neues Lieferkettengesetz belastet die Unternehmen

Mit dem neuen Lieferkettengesetz kommen neue Belastungen auf die Wirtschaft zu. Durch das neue Regelwerk werden große Unternehmen in die Pflicht genommen, stärker auf soziale Missstände in den Lieferketten zu achten - von der Rohstoffproduktion bis zum Endprodukt. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung - und der Grünen, die ebenfalls für das Gesetz gestimmt hatten - sollen hierdurch Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der Produktion von Waren eingedämmt werden. Unternehmen sollen sicherstellen, dass in ihrer gesamten Lieferkette - auch international - Menschenrechte nicht verletzt werden. Bei Verstößen gegen die im Gesetz normierten Sorgfaltspflichten drohen hohe Bußgelder. Auf eine zivilrechtliche Haftung der deutschen Unternehmen für Rechtsverstöße ihrer Zulieferer wurde aber, anders als in früheren Entwürfen, schließlich verzichtet. Die Bundesregierung sieht das gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnete Gesetz offenbar als Blaupause für eine noch ausstehende unionsrechtliche Regelung. In Brüssel wird diese schon länger diskutiert, ohne dass es bisher zu einer abschließenden Einigung gekommen ist. Ab 2024 mehr Betriebe betroffen Ab dem Beginn des kommenden Jahres gilt das Gesetz für in Deutschland ansässige Firmen mit 3000 oder mehr Arbeitnehmern. Es betrifft damit rund 700 Unternehmen und erfasst auch die deutschen Niederlassungen ausländischer Firmen. Ab dem 1. Januar 2024 greifen die Vorschriften dann auch für die gut 3000 Unternehmen mit 1000 oder mehr Arbeitnehmern. Damit werden auch größere Mittelständler in Industrie und Handel vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst, die in erheblichem Maße von Lieferungen aus Ländern abhängen, in denen deutlich niedrigere Sozial- und Umweltstandards herrschen als in Deutschland. Es ist schließlich damit zu rechnen, dass die in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes fallenden Gesellschaften auch von ihren eigentlich nicht erfassten deutschen Subunternehmern vertraglich die Einhaltung der sich aus dem Lieferkettengesetz ergebenden Pflichten verlangen werden. Kontrollen zum Teil nicht möglich Damit sind die betroffenen Unternehmen durch Gesetz oder Vertrag gehalten, jede Lieferbeziehung hinsichtlich menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken zu überprüfen. Das ist zum einen mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden. Zum anderen ist eine Überprüfung von Zulieferern in bestimmten Entwicklungs- oder Schwellenländern auch nicht ohne weiteres möglich; Kontrollen vor Ort scheiden vielfach aus. Nicht alle Zulieferer sind in Ländern ansässig, die nach demokratischen Spielregeln arbeiten und Kontrollen der Arbeitsbedingungen durch ausländische Kunden erlauben. Ob es etwa bei einem Produktionsstandort eines Zulieferers in Nordchina zum Einsatz von Zwangsarbeitern kommt, und ob die Standards der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit eingehalten werden, wird sich für das am Ende der Lieferkette stehende deutsche Unternehmen im Einzelfall schwer klären lassen. Aufgrund der hohen Bußgelddrohungen wird sich mancher Unternehmer überlegen müssen, die bestehenden Lieferbeziehungen vorsorglich zu beenden und die Warenströme neu zu organisieren. Deutschland als EU-Blaupause Grundsätzlich sind die mit dem Lieferkettengesetz verfolgten Ziele gut und nachvollziehbar; sie verdienen natürlich auch aus Sicht der Wirtschaft Unterstützung. Es ist im Interesse aller, dass Menschenrechte geachtet werden und die Natur vor Zerstörung bewahrt wird. Die Logistik hatte dem schon längst Rechnung getragen. Der BWVL hat sich zusammen mit den anderen Trägerverbänden bereits im Jahr 2016 in den neuen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp 2017) auf gemeinsame Compliance-Regelungen geeinigt. Danach verpflichten sich die Vertragsparteien beispielsweise, die Menschenrechte und die vorerwähnten Erklärungen der ILO einzuhalten, keine Kinder zu beschäftigen oder Zwangsarbeiter einzusetzen, Mindestlöhne zu zahlen, die geltenden Umweltgesetze einzuhalten und überdies ihren Geschäftspartnern und Nachunternehmern anzutragen, diese Grundsätze auch ihrem Handeln zugrunde zu legen. Das gilt zumindest hinsichtlich der Logistik entlang der gesamten Nachunternehmerkette bis zum Warenursprungsland. Kritisch zu sehen ist allerdings, dass Deutschland mit dem Lieferkettengesetz einen Alleingang unternommen hat, der zunächst nur deutsche Unternehmen belastet und in einem derzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfeld dem ausländischen Wettbewerb einen Kostenvorteil verschaffen wird. Es wäre auch aus Sicht des BWVL besser gewesen, auf eine schnelle europäische Lösung zu drängen. Die Europäische Kommission will selbst baldmöglichst ein EU-weit geltendes Lieferkettengesetz auf den Weg bringen. Wenn dies kommt, muss das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz ohnehin an die EU-Vorgaben angepasst werden. ADSp der Zeit voraus Die Logistikdienstleister und die verladende Wirtschaft haben sich bereits in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp 2017) freiwillig zur Einhaltung der Grundsätze verpflichtet. Das Lieferkettengesetz macht jetzt aber für weite Teile der deutschen Wirtschaft bußgeldbewehrte Vorgaben. Allerdings arbeitet das Gesetz mit einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe. Künftig werden die von dem neuen Gesetz betroffenen Betriebe gehalten sein, eine "Supply Chain Due Diligence" zu etablieren, Überprüfungen der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen und im Einzelfall eine Nachjustierung vorzunehmen. ImpressumBWVL-Forum, eine Information des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik e.V., Lengsdorfer Hauptstraße 75, 53127 BonnTelefon 0228/92535-0, Fax 0228/9253545,www.bwvl.de, E-Mail: Info@bwvl.deSchriftleitung: Markus Olligschläger (verantwortlich)Verlag: Springer Fachmedien München GmbH, Aschauer Straße 30, 81549 München

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