Berlin. Nach einer positiven Bewertung des Bundesverkehrsministeriums hoffen die Chefs der großen deutschen Güterbahnen auf einen schnellen Ausbau des deutschen Schienennetzes für Güterzüge von 740 Metern Länge. Nach Informationen der Allianz pro Schiene hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) die Projekte für längere Güterzüge im Dezember positiv bewertet und diese im Bedarfsplan hochgestuft.
Nun rechnen die Chefs von DB Cargo, SBB Cargo International, der Havelländischen Eisenbahn, der Hamburger Hafenbahn und der Lokomotion Gesellschaft für Schienentraktion mit großen Verlagerungspotenzialen für die Güterbahnen. Von der Politik forderten die Güterbahnchefs nun eine zügige Gangart bei der Ertüchtigung des deutschen Netzes.
Zuglänge verbessert Wettbewerbsfähigkeit
Zurzeit werde die europäische Standard-Zuglänge von 740 Metern auf vielen Strecken in Deutschland nicht erreicht, so die Kritik des Schienenverbands. Zumeist wegen geringfügiger Netzbeschränkungen verkehrten nur 11 Prozent der Züge in dieser Länge. Das BMVI kalkuliere den Aufwand für die Beseitigung aller Netzengpässe auf 405 Millionen Euro.
Der Vorstandsvorsitzende der DB Cargo, Roland Bosch, begrüßte die Entscheidung des Bundes, ein mit 740-Meter-Zügen befahrbares Netz in Deutschland zu schaffen. „Damit wird ein wesentlicher Produktivitätshebel der Eisenbahnverkehrsunternehmen, die Zuglänge, deutlich verbessert. Mit einer Standardzuglänge von 740 Metern erhöhen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber dem Lkw in puncto Preis und Qualität“, so Bosch in der Mitteilung der Allianz pro Schiene.
Klimaschutz durch starken Schienengüterverkehr
Auch der Leiter der Hamburger Hafenbahn, Harald Kreft zeigte sich erfreut. Ein durchgängig auf 740 Meter ausgebautes Netz werde für die bereits gut ausgelasteten Züge vom Hamburger Hafen ins Hinterland aus dem Stand einen deutlichen Effizienzzuwachs generieren.
Ludolf Kerkeling, Vorstand bei der Havelländischen Eisenbahn (HVLE), betonte den Zusammenhang zwischen Effizienzgewinnen beim Schienengüterverkehr und den Klimaschutzzielen der Politik. „Dies ist ein wichtiger Schritt für eine Effizienzsteigerung und damit Stärkung des Schienengüterverkehrs.“ Er fordere die Politik aber gleichzeitig auf, auch die anderen vom Verkehrsministerium gemeinsam mit den Bahnverbänden erarbeiteten Punkte aus dem Masterplan Schienengüterverkehr zügig anzugehen und umzusetzen.
Effizienzschub für Europa
Für Michail Stahlhut, Vorstand von SBB Cargo International, sind die deutschen Netzengpässe inzwischen ein Hindernis für den gesamten europäischen Schienengüterverkehr. Der Ausbau des 740 Meter-Netzes sei daher ein erster wichtiger Schritt: „Mit dem 740-Meter-Netz erreichen wir im europäischen Schienengüterverkehr einen großen Effizienzschub. Wir sind jedoch noch nicht am Optimum angekommen.“
Besonders der Rastatt-Unterbruch habe gezeigt, dass ein Umdenken nötig ist. „Unsere Infrastrukturen müssen dringend internationaler werden. Der Schienengüterverkehr ist europäisch, das Infrastrukturmanagement muss europäisch werden. Interoperabilität auf dem gesamten Korridor ist die Forderung“, so Stahlhut.
740-Meter-Züge nur der Anfang
„Nur auf Basis einer Infrastrukturerweiterung kann man die Systemstärke der Eisenbahn wirklich nutzen, nämlich lange und schwere Züge über große Distanzen zu befördern“, meint Armin Riedl, Geschäftsführer der auf den alpenquerenden Güterverkehr spezialisierten Lokomotion Gesellschaft für Schienentraktion.
Riedl sieht das 740-Meter-Netz als Wegbereiter für deutlich längere Züge. „Perspektivisch kann diese Diskussion aber nur der Einstieg sein in die weitere Erhöhung von Zuglängen auf 900 Meter oder mehr. Wagen und Lokomotiven können das heute schon aus technischer Sicht völlig problemlos. Einzig die Infrastruktur hindert uns, diese Effizienzgewinne zu realisieren.“
Längere Züge müssen Standard werden
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, verlangte von der Politik nun einen klaren Zeitplan für das 740-Meter-Netz. „Nachdem das BMVI die Bewertung abgeschlossen hat, sollten die Maßnahmen schnell finanziert und umgesetzt werden“, denn sie brächten volkswirtschaftlich und klimapolitisch einen hohen Nutzen und seien zugleich wenig aufwendig. „Es handelt sich oft nur um das Versetzen von Signalen und das Verlängern von Überholgleisen“, sagte Flege und mahnte mit Blick auf die europäischen Nachbarn zu einer Beschleunigung beim Planungsrecht und bei der Umsetzung.
In den EU-Nachbarländern seien längere Züge bereits im Einsatz. Laut EU Kommission sollen spätestens im Jahr 2030 alle Strecken des europäischen Kernnetzes für mindestens 740 Meter lange Züge geeignet sein.