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Stefan Kauffeldt ist ein wenig ratlos. Die Hälfte seiner rund 80 Auftraggeber, für die er vor allem Schüttgut- und Silotransporte abwickelt, hat ihm in den letzten Wochen mehrseitige Vertragspapiere vorgelegt. Ihnen geht es darum, sich gegen rechtliche Risiken, die sich aus dem neuen Mindestlohngesetz (MiLoG) ergeben, abzusichern. "In den MiLoG-Vereinbarungen wird teilweise von mir verlangt, dass ich Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie die Zeitnachweise unserer Mitarbeiter übermittle", erklärt der Geschäftsführer von Kauffeldt Transport & Logistik aus dem niedersächsischen Nienstädt. "Einerseits darf ich das nicht, andererseits verliere ich eventuell Kunden, wenn ich nicht unterschreibe", hadert der Chef des mittelständischen Unternehmens. Wie Kauffeldt geht es derzeit vielen Speditions-, Transport- und Logistikunternehmern, die Aufträge bekommen oder längerfristige Rahmenverträge mit ihren Kunden abgeschlossen haben. Auf ihre Schreibtische flattern Anforderungen, denen sie teilweise nicht zustimmen wollen oder können. Haftungsvorschrift ist unklar formuliert Laut Rechtsanwalt Andreas Stommel bemüht sich aktuell fast jeder Unternehmer, der annimmt, er sei Auftraggeber im Sinne des MiLoG, per Vereinbarung mit seinem Auftragnehmer darum, dass sich alle an die neuen Vorschriften halten. "Das liegt daran, dass der Gesetzgeber und die zuständigen Bundesministerien nicht klar Stellung dazu genommen haben, wer Adressat der Auftraggeberhaftung gemäß Paragraf 13 ist", sagt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Spedition und Logistik Deutschland (ASL) im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Strittig ist nämlich, ob nur der derjenige als Auftraggeber für die gesamte Nachunternehmerkette haftet, der eigene vertragliche Verpflichtungen weitergibt - etwa zur Frei-Haus-Lieferung von Waren - und aus deren Übertragung auf Subunternehmer den unmittelbaren Vorteil zieht, wie das Bundesarbeitsministerium mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts meint. Oder ob stattdessen alle Verlader für Ausgleichszahlungen von Arbeitnehmern geradestehen müssen, die weniger als 8,50 Euro pro Stunde erhalten haben, wie es der Wortlaut des MiLoG ebenfalls vermuten lässt. Regulierungswut wegen Verunsicherung Angesichts dieser Unsicherheit versuchen Verlader und Spediteure, die Frachtführer engagieren, gegenwärtig so viele Unwägbarkeiten wie möglich zu regeln. Der wichtigste Punkt bei der vertraglichen Gestaltung von Dienst- und Werkverträgen mit Subunternehmern: Man sollte sich vom Geschäftspartner zusichern lassen, dass dieser sich an das Mindestlohngesetz hält und auch bei der Auswahl von Subunternehmern seinerseits eine solche Bestätigung einholt. "Wer diese Anforderung nicht erfüllt, mit dem sollte man nicht zusammenarbeiten", rät ASL-Geschäftsführer Stommel. Das alleine genügt aber nicht. "Der Auftraggeber muss schauen, dass das, was auf dem Papier steht, in der Praxis auch gelebt wird", betont Detlef Neufang, Justiziar im Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). In diesem Zusammenhang kursieren diverse Klauseln, von denen einige nicht nur Auftragnehmern Sorgen bereiten, sondern auch Juristen. Viele Spediteure unterfüttern ihre Anforderungen an Frachtführer zum Beispiel mit einer Vertragsstrafe. Dies ist erlaubt, solange sie angemessen ist. Dennoch solle man mit Augenmaß vorgehen, sagt Stommel. "Langjährigen Vertragspartnern schreibt man lieber keine Sanktionen in die MiLoG-Vereinbarung, weil diese das Miteinander erschweren könnten." Bei neuen Kunden oder bei Ausschreibungen über Frachtenbörsen plädiert er hingegen für eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung. "Hier empfiehlt der DSLV den Neuen Hamburger Brauch", sagt der Rechtsanwalt. Der Auftragnehmer erklärt sich danach bereit, bei Verstößen gegen das MiLoG eine Vertragsstrafe zu zahlen, die der Auftraggeber nach billigem Ermessen festsetzt. "Diese flexible Lösung hat sich im kaufmännischen Verkehr bewährt und ist besser als pauschal fünf Prozent der Auftragssumme festzulegen", erklärt Stommel. Pauschale Freistellung heftig umstritten Umstritten ist unter Spediteuren, Transporteuren und Logistikern die Freistellungsklausel. Damit verpflichtet sich der Auftragnehmer, den Auftraggeber von Ansprüchen Dritter im Innenverhältnis freizustellen. Zivilrechtlich haftet der Auftraggeber nämlich unabhängig von der eigenen Schuld wie ein Bürge für die Zahlung des Mindestlohns. Wer die Nettoentgeltdifferenz zahlen muss, kann wiederum den Subunternehmer, der seinem Mitarbeiter die 8,50 Euro pro Stunde vorenthalten hat, in Regress nehmen. Beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) sieht man eine solche Freistellung kritisch, sofern sie den Auftraggeber nicht nur vor finanziellen Forderungen unterbezahlter Arbeitnehmer schützen soll, sondern auch vor einem Bußgeld bei Verstößen seines Auftragnehmers gegen das MiLoG. Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt meint, dass eine Klausel, die vorsieht, bei der Ahndung einer solchen Ordnungswidrigkeit auf den Subunternehmer zurückzugreifen beziehungsweise von diesem Schadensersatz zu verlangen, rechtlich keinen Bestand hat. Deshalb sei in absehbarer Zeit mit rechtlichen Auseinandersetzungen vor Gericht zu rechnen. "Ich kann mir zum Beispiel ein Urteil vorstellen, wonach eine vorzeitige Auflösung des Frachtvertrags mit dem Subunternehmer, der die Unterschrift verweigert hat, nicht statthaft ist, weil das Ansinnen der vorgelegten Vereinbarung sittenwidrig gewesen ist", erklärt der BGL-Hauptgeschäftsführer. Bedenken haben viele Aufragnehmer darüber hinaus, wenn sie regelmäßig Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie die Daten aus der Zeiterfassung vorlegen sollen. "Bei solchen Klauseln bekomme ich aus datenschutzrechtlichen Gründen Bauchschmerzen", erklärt BWVL-Justiziar Neufang. Die Ansicht des Fachanwalts für Transportund Speditionsrecht deckt sich mit einer Auskunft der Datenschutzaufsicht in Rheinland-Pfalz und Berlin. Demnach stellt die Auftraggeberhaftung gemäß MiLoG keine Rechtfertigung für die Übermittlung von personenbezogenen Dienstnachweisen dar. Hier überwiegen demnach die schutzwürdigen Interessen der jeweiligen Arbeitnehmer. Allenfalls sollen stichprobenartige Kontrollen von geschwärzten Verdienstbescheinigungen möglich sein, heißt es. "Ich schlage stattdessen vor, dass im Zweifel ein Dritter, der aus gesetzlichen und berufsständischen Gründen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, sich die Unterlagen des Auftragnehmers anschaut und anschließend allgemein Auskunft darüber gibt, ob alles im grünen Bereich ist", so Neufang. Das könne ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Anwalt sein. Wer die Daten seiner Arbeitnehmer trotzdem herausgibt, der mache sich strafbar und schadensersatzpflichtig, ergänzt Stommel. Bei Bedenken unter Vorbehalt zeichnen Zur Vorsicht raten Juristen nicht zuletzt, wenn der Auftraggeber vorschreibt, dass der Auftragnehmer die Dienstleistung selbst erbringen muss beziehungsweise nur nach vorheriger Einwilligung weitergeben darf. Dies kann zwar bei Neukunden und Gelegenheitsaufträgen auf dem Spotmarkt gegebenenfalls angebracht sein, um sicherzugehen, dass am Ende der Auftragskette kein Billiganbieter den Zuschlag erhält. Bei einem Selbstfahrer komme aber schnell der Verdacht der Scheinselbstständigkeit auf, sagt Neufang vom BWVL. "Wer vor allem einem kleinen Subunternehmer diktiert, wie er seine Geschäfte zu machen hat, läuft Gefahr, dass er sich einen Arbeitnehmer ans Bein bindet." Trotz aller Bedenken und auch im Hinblick auf die Fortführung ihrer Geschäftsbeziehungen schlägt der BGL vor, MiLoG-Vereinbarungen zu unterzeichnen. "Allerdings sollte ein Vorbehalt der rechtlichen Wirksamkeit der jeweiligen Klausel schriftlich fixiert werden", sagt Schmidt. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Soweit einzelne Klauseln rechtlich unwirksam sein sollten, führe dies nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der übrigen Klauseln und damit der gesamten Verpflichtungsvereinbarung. Stefan Kauffeldt aus Nienstädt hat schlichtweg keine andere Wahl, als zuzustimmen. Er hofft, dass sich seine Kunden auf einen Kompromiss einlassen: "Wir weisen unsere Auftraggeber darauf hin, dass wir die geforderten Angaben aus Datenschutzgründen nicht machen können, unser Steuerberater aber gern eine Versicherung abgibt, wonach wir uns an das MiLoG halten", erklärt der Transport- und Logistikunternehmer. Achtung, Auftraggeber! Klauseln sind kein Freibrief Insgesamt sollten sich Verlader und Spediteure klarmachen, dass sie sich durch MiLoG-Klauseln nicht aus der Verantwortung stehlen können, warnt Rechtsanwalt Andreas Stommel. Um den Verschuldensvorwurf im Rahmen der Bußgeldvorschriften zu entkräften, müsse jeder Auftraggeber seine Auftragnehmer sorgfältig auswählen und alle Angebote einer Plausibilitätsprüfung unterziehen. Aus dieser sollte hervorgehen, dass die Pflicht zur Zahlung eines Mindestlohnes in die Vergütung eingerechnet ist. "Kommen Zweifel auf, dass die Beförderungsleistung zu dem angebotenen Preis betriebswirtschaftlich sinnvoll erbracht und der Mindestlohn gezahlt werden kann, sind zumindest Rückfragen beim Auftragnehmer notwendig, um sich gegen Ansprüche unterbezahlter Mitarbeiter und eine Geldstrafe von bis zu 500.000 Euro abzusichern, die der Zoll verhängt." ag

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