Berlin. Die Differenzen zwischen der Bundesregierung und der EU über den deutschen Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer bestehen auch nach dem Gespräch zwischen EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc und dem Verkehrsausschuss des Bundestages weiter. Es gebe noch „Informationsbedarf“ sagte der Ausschussvorsitzende Martin Burkert nach der Sondersitzung. Bulc äußerte sich nicht. Die Tatsache, dass sich der polnische Botschafter zu einem Besuch angesagt habe, zeige, dass das Thema in dessen Land diskutiert werde. Offene Fragen würden bei einem Gegenbesuch des Ausschusses am 4. März mit der EU-Kommission in Brüssel erörtert, kündigte der SPD-Politiker an.
Bulc habe aber die Einführung des Mindestlohns aus sozialpolitischen Gründen begrüßt. Inzwischen hätten zehn von 28 EU-Staaten bei der Kommission Anfragen wegen des deutschen Mindestlohns gestellt, hieß es von Mitgliedern des Ausschusses. Die Bundesregierung pocht auf eine Durchsetzung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde auch bei ausländischen Lkw-Fahrern, die Transitfahrten durch Deutschland machen. Die ausländischen Branchenverbände sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Andererseits befürchtet das deutsche Transportgewerbe gefährliche Wettbewerbsverzerrungen, wenn der Mindestlohn nicht für ausländische Unternehmen gilt. In der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission eine Vorprüfung über den deutschen Mindestlohn eingeleitet.
Bewertung der Pkw-Maut erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens
In Sachen Pkw-Maut betonte Bulc, die Kommission werde die deutschen Pläne erst nach Verabschiedung des Gesetzes genauer bewerten. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kirsten Lühmann, bedauerte dieses Verfahren. Jetzt könnten Bedenken gegen die Maut erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens geltend gemacht werden. Vor ihrem Besuch des Ausschusses hatte die EU-Kommissarin mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) über die Pkw-Maut gesprochen. Sie sehe Chancen für eine europarechtlich zulässige Maut in Deutschland, erklärte sie nach dem Treffen mit dem Ressortchef. Die Nutzerabgabe müsse „europarechtlich konform“ sein.
Im Europäischen Parlament (EP) stößt die Untersuchung des deutschen Mindestlohngesetzes durch die EU-Kommission auf Zustimmung. Es sei „gut, dass die Verkehrskommissarin die Diskussion mit den Verantwortlichen sucht und das nationale Gesetz auf den Prüfstand stellt“, sagte der Verkehrsexperte der EVP im EP, Markus Ferber(CSU) am Dienstag in Brüssel. Vor allem Spediteure und Transportunternehmen sähen sich durch das deutsche Mindestlohngesetz in ihrer Existenz bedroht. Die Kommission untersucht gegenwärtig mit den deutschen Behörden, ob die deutsche Praxis von der Entsenderichtlinie gedeckt ist und den Grundsätzen des freien Waren- und Personenverkehrs entspricht. Sozialkommissarin Marianne Thyssen sprach am Montag mit Arbeitsministerin Andrea Nahles über das deutsche Mindestlohngesetz. Zu Ergebnissen sei man allerdings noch nicht gekommen, hieß es danach in der Kommission.
Ferber hat jedoch Zweifel an der Europatauglichkeit des deutschen Mindestlohnes, mit dem die deutsche Wirtschaft gestärkt werden solle. „Die Menschen, die in Deutschland leben und arbeiten, tragen zur Wertschöpfung in Deutschland bei. Für einen Transportunternehmer, der von Warschau nach Amsterdam über Deutschland fährt, trifft das jedoch nicht zu.“ (jök/tw)