Bisher fehlt der gemeinsame Plan

Die Grenzen sind dicht, der Binnenmarkt ist gelähmt, die Nerven sind aufgerieben: Die Corona-Pandemie wird für die Europäische Union zur Bewährungsprobe - und für die Transport- und Logistikbranche zunehmend zur Belastung. Denn es gibt keinen einheitlichen Plan für den Güterverkehr. Nationale Alleingänge haben in den rund sechs Wochen seit Beginn der Krise in Europa besonders viel Unmut gestiftet. Erst kam die einseitige Einführung schärfster Kontrollen an Grenzen, die eigentlich offen sein sollten. Lkw stauten sich Dutzende Kilometer, wichtige Güter hingen fest. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) schimpfte zwar mit den Mitgliedstaaten, drang aber nicht wirklich durch. Deutschland hat etwa vorübergehende Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark bis 14. April 2020 angeordnet - derzeit wird diskutiert, ob eine Verlängerung notwendig ist. Die EU-Kommission selbst versucht, die Maßnahmen der Länder zu koordinieren. Die Brüsseler Behörde hatte lange davor gewarnt, die Binnengrenzen im Schengenraum zu schließen. EU-Leitlinien liegen für Güterverkehre vor Schließlich machte auch bei den Regeln zur Eindämmung der Pandemie jedes Land seins. In den vergangenen Tagen verstärkte die Staatengemeinschaft ihre Anstrengungen, um in der weltweiten Corona-Krise zu einer abgestimmten Strategie zu kommen - auch für den Güterverkehr. Auf Drängen der EU-Kommission sind die Mitgliedstaaten dabei, die Lkw-Abfertigung an den Grenzen zu vereinfachen und zu beschleunigen und Berufskraftfahrer sowie andere Logistikfachkräfte, die als systemrelevant eingestuft worden sind, nicht unnötig aufzuhalten. Dafür hat von der Leyen kürzlich Leitlinien zur Aufrechterhaltung des Frachtverkehrs in der EU während der Corona-Krise veröffentlicht: Erstens soll der Grenzübertritt demnach auf sogenannten grünen Korridoren - gemeint sind Lkw-Sonderspuren - unabhängig von der Ladung höchstens 15 Minuten dauern, einschließlich aller Überprüfungen und Gesundheitskontrollen. Zweitens sollten die Länder Beschränkungen soweit wie möglich aufheben, beispielsweise Wochenend- oder Nachtfahrverbote. Drittens sollen die Formalitäten beim Grenzübertritt innerhalb der EU für Beschäftigte im Verkehrssektor aller Nationalitäten sinken, um eine schnellere Abfertigung zu ermöglichen. Polen und Tschechien ordneten bisweilen 14-tägige Quarantäne für Lkw-Fahrer an. Jedes Bundesland macht andere Regeln Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bemüht sich indes, zumindest im eigenen Land für schnelle und einheitliche Ausnahmen zu sorgen, damit flächendeckend und zu jeder Zeit die Lieferketten sowie die Versorgung mit Waren stabil funktionieren. Dafür steht der CSU-Politiker im wöchentlichen Austausch mit den Verbänden der Transport- und Logistikwirtschaft. Um das Vertrauen der Bürger in die Leistungsfähigkeit dieser Branche zu gewinnen, schloss er demonstrativ einen Gütertransportpakt mit AMÖ, BIEK, BGL, BWVL und DSLV. Scheuer machte deutlich, es gehe ihm jetzt um flexiblere und passgenaue Regelungen; etwa die bereits erfolgte Aufhebung des Sonntags- und Feiertagsfahrverbots für Lkw, die Lockerung der Lenk- und Ruhezeigen oder gesonderte Spuren. Zudem müsse der Warenverkehr über Grenzen hinweg gewährleistet werden. Den Föderalismus kann allerdings auch er in dieser schwierigen Zeit nicht abschaffen. Entsprechend bat der Bundesverkehrsminister in seinen Gesprächen mit den Ländervertretern vor Ostern mehrfach darum, Flexibilisierungen bei der Anwendung verkehrsrechtlicher Vorschriften abzusprechen und anzugleichen. Bisher existiert allerdings noch ein Flickenteppich an Sonderregelungen für Sonntagsund Feiertagsfahrverbote für Lkw. Zuletzt haben Hessen und Sachsen ihre jeweiligen Ausnahmen auf alle Warenlieferungen für den Einzelhandel ausgeweitet beziehungsweise bis Ende Mai 2020 verlängert. Ausnahmen bei Lenk- und Ruhezeiten Immerhin einige Ausnahmen sind einheitlich geregelt. Bezüglich der Lenk- und Ruhezeiten von Lkw-Fahrern gilt zum Beispiel derzeit: Die tägliche Lenkzeit darf höchstens fünfmal in der Woche auf zehn Stunden verlängert werden. Ein Fahrer kann zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten einlegen, sofern er in vier jeweils aufeinanderfolgenden Wochen mindestens vier wöchentliche Ruhezeiten einlegt, von denen mindestens zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten sein müssen. Diese Lockerung der Sozialvorschriften soll in Deutschland bis zum 17.April 2020 für den Transport von Treibstoff, medizinischen Produkten sowie Lebens- und Futtermitteln gelten. Es bleibt wohl vorerst unübersichtlich Das Wirrwarr neuer Reisebeschränkungen und Ausnahmen will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jetzt noch vergrößern. Er will Reisende auch an den Übergängen nach Polen, Tschechien, Belgien und in die Niederlande kontrollieren lassen. Der Warenverkehr soll weiter ungehindert fließen. Wirtschaftsvertreter warnten davor, die Grenzkontrollen auszuweiten. Sie plädieren stattdessen für einen Exit aus dem Corona-Krisen-Modus nach Ostern. In Kürze Seit Beginn der Corona-Krise in der Europäischen Union hat jeder Mitgliedstaat eigene Sonderregelungen für den Güterverkehr erlassen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Für Unternehmen wird es immer unübersichtlicher, zu wissen, wo und wann Lkw fahren dürfen. Die VR gibt online einen Überblick. Übersicht - Regelungen für den Lkw-Verkehr in Europa Jedes deutsche Bundesland und alle EU-Staaten haben in der Corona-Krise eigene Beschränkungen und Ausnahme-Regelungen für den Straßengüterverkehr erlassen, um die Versorgung mit Waren sicherzustellen. Die Verkehrs-Rundschau unterstützt, Transport- und Logistikunternehmen dabei, den Durchblick zu behalten. Auf dem Profiportal VR plus finden Abonnenten eine tagesaktuelle Länderübersicht mit allen Informationen zu Grenzkontrollen, Fahrverboten und Sozialvorschriften. agwww.verkehrsrundschau.de/plus/corona