Empörung über Preisforderungen

Zunächst war es die Spedition Hellmann, die für reichlich Unmut sorgte. Das Unternehmen mit Sitz in Osnabrück hatte Mitte März eine Mitteilung an seine Transportpartner verschickt und darin einen Abschlag von 15 Prozent gefordert. Die VerkehrsRundschau (VR) hatte die Firma mit dem Brief konfrontiert. Wenige Stunden später ruderte Hellmann zurück. Sven Eisfeld, Managing Director Deutschland bei Hellmann Worldwide Logistics, teilte der VR mit, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe und "das Schreiben als gegenstandslos zu betrachten" sei. "Krisen-Schnäppchenjäger" Doch die Entrüstung darüber war groß. Vor allem deshalb, weil Hellmann zugleich an die Kunden einen Brief geschickt hatte und darin einen kräftigen Aufschlag forderte (siehe Kasten Seite 9). Der Verband BGL-Süd sprach daraufhin von dem "Krisen-Schnäppchenjäger aus Osnabrück", der die "aktuelle Situation eiskalt ausnutzt". Nur wenige Tage später wurde der nächste Fall bekannt: Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) hatte einen Brief an seine Frachtführer verschickt. Darin fordert TKSE eine Frachtreduzierung von zehn Prozent für alle noch nicht abgewickelten Einzelaufträge im Rahmen des bestehenden Transportrahmenvertrages. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in den Frachtenmärkten und "der rapide fallenden Faktorkosten für Treibstoffe" würden sich entsprechende Handlungsspielräume für eine "aus unserer Sicht dringend erforderliche Absenkung der Transportkonditionen" ergeben, schreibt der TKSE-Vorstand. TKSE hält an Frachtreduzierung fest Im Gegensatz zu Hellmann hält TKSE an der Erhöhung fest. "Wir kommentieren Vertragsbeziehungen nicht öffentlich", war der einzige Satz, den sich das Unternehmen auf Anfrage der VR entlocken ließ. Als Reaktionen auf solche Preisabschläge kommen aus dem Markt Aussagen wie: "Das darf man keinesfalls mitmachen." "Wer darauf eingeht, zeigt kein Rückgrat und beschleunigt die Abwärtsspirale." Kornelia Reifenberg hat Verständnis, aber teilt nicht die Ansicht: "Ethisch mag man ein solches Vorgehen verurteilen. Aber wir leben in einer Marktwirtschaft, in der jeder frei ist, die Preise festzulegen. Eine Vorgabe an alle im Markt hingegen bewegt sich am Rande der Legalität, da Preisabsprachen nicht zulässig sind", sagt die Partnerin bei Simon-Kucher. Das Unternehmen befasst sich mit Preisstrategien. Reifenberg ist spezialisiert auf die Logistikbranche. Aber sie sagt auch: "Je konsequenter eine Branche solche Preiszugeständnisse ablehnt, desto besser ist es für alle Unternehmen." Wie soll man dann reagieren auf solche Briefe wie die von Hellmann oder TKSE? "Man muss miteinander reden", sagt die Expertin und stellt klar: "Die schlechteste Variante ist, kommentarlos einem solchen Vorschlag zuzustimmen." Denn dann würde man den Eindruck erwecken, als könne man den Abschlag mühelos verkraften. "Zudem besteht die Gefahr, dass nach Beendigung der Krise dieser Abschlag nicht rückgängig gemacht wird." In einem solchen Gespräch mit dem Auftraggeber müsse man versuchen, Kompromisse auszuloten. Als Beispiel nennt sie ein verändertes Leistungsangebot (verringerter Service) oder statt Preiszugeständnisse lieber eine verbesserte Leistung (zum Beispiel eine Transportversicherung), die mit einem geringeren Zusatzaufwand verbunden ist als der Nachteil eines Abschlages. Und umgekehrt: Wie steht es mit Preiserhöhungen, die Transportdienstleister aussprechen, weil bei ihnen die Kosten gestiegen sind? Die sind aus Sicht von Reifenberg nicht nur legitim, sondern je nach finanzieller Lage der Betroffenen betriebswirtschaftlich erforderlich. Damit sollte man auch nicht zu lange zögern. Denn sonst könnten Liquiditätsengpässe drohen. Wird die Forderung zudem erst Wochen später vorgetragen, hat man die Zeit davor draufgezahlt und der Kunde bekommt den Eindruck: Es ging doch vorher ohne, warum ausgerechnet jetzt eine Erhöhung der Frachtrate? Deshalb gilt: Preisverhandlungen sind wie in "normalen" Zeiten legitim, und zwar beiderseits. Aber in Krisenzeiten wie diesen erfolgen solche Nachforderungen deutlich häufiger - und mit deutlich extremeren Forderungen. Weitere Tipps, wie damit umzugehen ist und was zu beachten ist, wenn man selbst die Preise anheben will, finden Abonnenten der VR auf VR plus (siehe Kasten unten). In Kürze In Krisenzeiten wie diesen mehren sich Forderungen der Auftraggeber, die Preisnachlässe von ihren Dienstleistern fordern. Doch die Höhe der gewünschten Abschläge ist enorm. Für viele kleine und mittlere Betriebe, die ohnehin mit schmalen Margen arbeiten, sind diese Forderungen kaum zu stemmen. Mehr Geld von den Kunden und weniger für die Transportpartner Eigentlich hört sich das ja ganz gut an, was die Spedition Hellmann Logisitics Worldwide ihren Partnern anlässlich der Corona-Krise geschrieben hat."Nur gemeinsam können wir die wirtschaftlichen Folgen in der für uns alle nie dagewesenen Situation schultern. Wir zählen auf Ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit."Doch was als "partnerschaftlich" bezeichnet wurde, sahen die Dienstleister sehr kritisch: Die sollten nämlich auf 15 Prozent der Rate für die Nettofracht verzichten und würden dafür als "bevorzugter Unternehmer" gelistet. All diese Maßnahmen seien für alle Beteiligten "unerfreulich, aber alternativlos", heißt es in dem Schreiben.Kunden sollen Sicherheitszuschlag zahlenDiese Forderung kam auch deshalb nicht gut an, weil Hellmann zeitgleich einen Brief an seine Kunden verschickt hatte und darin einen Supply-Chain-Sicherheitszuschlag in Höhe von 8,5 Prozent für nationales und 12,5 Prozent für internationales Stückgut und Teil- und Komplettladungen gefordert hatte. Mehr Geld von den Kunden für zusätzlichen Aufwand, aber zugleich einen Abschlag für die Dienstleister: Das kam nicht gut an.Die VerkehrsRundschau konfrontierte Hellmann mit diesem Schreiben. Nur wenige Stunden später dann die Aussage von Hellmann-Manager Sven Eisfeld, dass es sich um ein Versehen handele und man sich für diesen Fehler "ausdrücklich entschuldige". cd