Berlin. Nach den Kontrollen in NRW bei Paketdiensten wächst der politische Druck auf die großen Paketdienste. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider fordert deshalb deutlich verschärfte gesetzliche Vorgaben. Könnte dies die Situation verbessern und steht die KEP-Branche zurecht im Fokus? Die VerkehrsRundschau sprach darüber mit Andreas Schumann, Vorsitzender beim BDKep.
Sind Ihre Mitgliedsunternehmen betroffen gewesen?
Ja. Wir vertreten als Verband ja die Subunternehmer, und dort wurde ja auch kontrolliert.
Steht die Branche zurecht im Fokus?
Es ist nicht verwunderlich, dass bei Geschäftsbeziehungen mit einer ungleichen Verteilung von Macht Probleme entstehen. In der Praxis haben die Netzwerkzentralen die Kontrolle über den gesamten Prozess und sich dazu entschieden, möglichst keine eigenen Fahrer einzustellen sondern dafür externe Unternehmen einzusetzen. Das hat für die Beteiligten Vor- aber auch Nachteile. Grundsätzlich begrüßen wir Maßnahmen wie in NRW, wenn sie dabei helfen, die Stellung der Unternehmen zu stärken.
Hat Minister Schneider recht, wenn er verschärfte gesetzliche Vorgaben fordert?
Die Auftraggeber sollten eine Mitverantwortung für die Arbeitsbedingungen bei den Subunternehmer tragen und sich nicht komplett freistellen können. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten wie eine wirksame Selbstverpflichtung der Auftraggeber. Diese Selbstverpflichtungen funktioniert aber nur, wenn es entsprechende politische Regelungen gibt. Ohne das geht es nicht. Hier darf es nicht um Feigenblätter gehen – und wenn nichts passiert, sollte die Politik tätig werden und eine Art Nachunternehmerhaftung wie beim Mindestlohn vorgeben. Ich fordere also ein zweistufiges Konzept, eine regulierte Selbstregulierung. In der ersten Stufe müssen die Arbeitsminister die großen Dienste auffordern: Macht etwas und weist die Wirksamkeit nach, ihr habt ein Jahr Zeit. Wenn das nicht hilft, kommen in der zweiten Stufe gesetzliche Vorgaben.
Engagieren sich die großen Dienste genug?
Die großen Player sind in einem Dilemma, auf der einen Seite der Kostendruck der Versender und auf der anderen Seite politischer und gesellschaftlicher Druck. Laut Presse ist die Reaktion auf die Situation in NRW wie folgt: Wir haben korrekte Verträge und wenn das Unternehmen sie nicht einhält, dann muss es die Konsequenzen tragen? Auf die eigene Verantwortung wird nicht eingegangen. So sollte nachweislich sichergestellt sein, dass die Netzwerkzentralen Aufträge vergeben, die so strukturiert sind, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben möglich sind. Man darf aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass es auch Unternehmen gibt, die die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben nicht mit dem nötigen Nachdruck und Wissen vorantreiben
Aber können Paketdienste die Arbeitszeiten Ihrer Subunternehmer überhaupt kontrollieren?
Es geht nicht darum, die Arbeitszeiten selbst zu kontrollieren, das liegt in der unternehmerischen Verantwortung vor Ort. Es geht darum, dass die Unternehmen so organisiert sind, das die gesetzlichen Regelungen bei der Leistungserbringung eingehalten werden. Diese Systemetik wiederum können Auftraggeber vorschreiben und kontrollieren. Das sind normale Qualitätssicherungsthemen. So wie ich kontrollieren kann, ob die Rechnung richtig ist, kann ich auch kontrollieren, ob die Arbeitszeiten vom Grundsatz her eingehalten werden. Das muss auf jeden Fall Teil der Selbstverpflichtung der Dienste sein.
Wer ist außer der Politik in der Pflicht?
Verbraucher und Versandhändler müssen ein solches Siegel, a la „faire Logistik“, fordern. Nur dann funktioniert es.
Aber liegt nicht auch eine Schuld bei den Subunternehmern?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind zum Teil sehr komplex und nicht praxisorientiert. So sind Unternehmen, die Universaldienstleistungen im Postbereich erbringen, von der Aufzeichnungspflicht für Lenk- und Ruhezeiten ausgenommen. Diese Universaldienstleistung ist jedoch nur bis 20 Kilo definiert. Diese Grenze ist völlig praxisfern, in einem Pakettransporter sind Pakete unter und über 20 Kilo. Für letzten Teil müsste der Fahrer dann Fahrzeiten dokumentieren, für den Rest nicht. Das ist total unpraktikabel. Der Minister kommt nun daher und sagt: Ein Paket über 20 Kilo dabei, wo sind die Aufzeichnungen? Sprich: Die Dokumentationsvorgaben bei Postunternehmen machen so keinen Sinn und sollten aufgehoben werden. Die 20-Kilo-Regelung muss weg und Postdienste allgemein ausgenommen werden. In Europa gibt es auch Bestrebungen, Postdienste von den Lenk- und Ruhezeiten auszunehmen. Genau das fordern wir. Und: Wenn ich die Lenk- und Ruhezeiten weglasse bei den Postdiensten, habe ich immer noch die soziale Absicherung über das Arbeitszeitgesetz.
Das Interview führte VR-Redakteur Tobias Rauser.
Einen ausführlichen Artikel zum Thema sowie ein Interview mit NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) lesen Sie in der VerkehrsRundschau 34-35/2014.
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