Kampf um die Paketbox

Das erste Mal tauchten sie im April 2013 in einigen Bonner Stadtteilen auf: gelbe Metallkästen in den Vorgärten, etwa halb so groß wie ein Zigarettenautomat und mit einem deutlich sichtbaren DHL-Logo versehen. Es waren die ersten Testversionen einer Aufbewahrungsbox, in denen Paketboten Sendungen deponieren können, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist. Im vergangenen Mai stellte der Bonner Konzern Deutsche Post DHL den DHL Paketkasten dann offiziell vor; ab 99 Euro plus Montagekosten ist das kleinste Modell zu haben. Bewohner von Ein- oder Mehrfamilienhäusern können hier nicht nur Sendungen hinterlegen lassen, sondern auch Pakete aufgeben, die ein Fahrer oder Zusteller des Unternehmens dann mitnimmt. Obwohl der Service derzeit erst angerollt ist, sorgt ein Detail schon für richtig Ärger: In der Box dürfen nämlich nur Pakete hinterlegt werden, die der DHL-Bote bringt - Sendungen anderer Dienstleister nicht. Und das bringt die Konkurrenz auf die Palme. Für und wider geschlossene Lösung Grundsätzlich liebäugeln viele KEP-Dienste schon länger mit solchen Kästen, schließlich versprechen diese, das größte Problem der Branche (nicht angetroffene Empfänger) zu lösen. "Paketboxen können eine gute komplementäre Lösung sein", sagt Thomas Schlichting, Pressesprecher von UPS Deutschland. Sprich: Der Kasten vor der Tür ist ein Weg unter vielen, um Empfänger und Sendung zusammenzubringen. Das von DHL verfolgte Modell "ein Dienstleister, eine Box", lehnt UPS allerdings ab. "Eine geschlossene Lösung ist nach unserer Auffassung nicht zielführend", betont Schlichting. Zusammen mit den Paketdiensten Hermes, General Logistics Systems (GLS) und DPD überlegt UPS deshalb, eine eigene Lösung zu entwickeln - die letztlich auch für die Deutsche Post offen sein könnte. "Bis Ende des Jahres soll ein marktreifes Konzept vorliegen", erklärt Peter Rey, Unternehmenssprecher von DPD in Aschaffenburg. Die schwierigste Aufgabe dabei dürfte aber weniger die physische Box selbst sein, sondern eher die IT-technische Zusammenschaltung aller beteiligten Dienstleister, schätzen Insider. Initiative Open Postal Alliance Opposition gegen den Alleingang von DHL kommt auch vom Bundesverband Kurier-Express-Postdienste (BdKEP) in Berlin. Unter seiner Schirmherrschaft wollen Versender, Paketbox-Hersteller und Logistikdienstleister deshalb ein eigenes System erarbeiten. Die Initiative namens "Open Postal Alliance" wurde aktuell im Juni ins Leben gerufen und will sich im September wieder in Berlin treffen, um weitere Schritte und Maßnahmen zu besprechen. "Wir müssen jetzt handeln, denn in 24 Monaten hat es jemand anderes gemacht", begründet der BdKEP-Vorsitzende Andreas Schumann das Engagement. An Alternativen zum unlängst präsentierten DHL Paketkasten mangelt es also nicht. Das zeigt auch die exklusive Service-Übersicht der VerkehrsRundschau (siehe Tabelle). Auf dem Markt tummeln sich mittlerweile viele Anbieter, die mit Paketbox-Lösungen aufwarten. Als eine der vielversprechendsten Lösungen gilt Marktkennern zufolge die Lockbox, eine Kiste aus Hartplastik, die mittels eines Metallankers an der Wohnungstür befestigt wird. Anders als bei der Box von der Deutschen Post fallen also keine Montagekosten an. Real und Edeka liefern in Berlin schon an Lockbox-Besitzer, den Transport übernimmt DPD. Kunden nehmen das Angebot an Stellt sich nur eine Frage: Lohnt sich der Wirbel um die Paketboxen überhaupt? Vermutlich schon, denn Versuche im Ausland zeigen, dass das Angebot von den Kunden angenommen wird. So bietet die österreichische Post schon länger eine sogenannte Empfangsbox; an einer Außenwand montiert kostet die größte Variante 319 Euro. 4000 dieser grauen Kästen wurden bislang allein in Wien installiert, gerade in Mehrparteienhäusern sind sie sehr beliebt. Die Bedienung ist simpel: Der Postbote wirft in den regulären Briefkasten des Empfängers eine Karte mit eingebautem RFID-Chip. Sie muss nur noch an die Box gehalten werden - und schon lässt sich die Sendung entnehmen. Allerdings kranken alle Paketkästen an folgenden Punkten. Zum einen kann in einer solchen Box aus Sicherheitsgründen immer nur ein Paket für einen Empfänger hinterlegt werden. Das führt in Mehrparteienhäusern zu Problemen: Ist der Empfänger zum Beispiel im Urlaub und kann das Schließfach nicht leeren, bleibt es auf Wochen hinaus blockiert. Zum anderen kämpfen alle Paketbox-Systeme mit einem grundsätzlichen Widerspruch: Da, wo es genug Platz gibt, um sie zu installieren, also in Wohngebieten oder auf dem Land, werden sie am wenigsten gebraucht. Denn in diesen Gebieten ist die Neigung der Menschen noch relativ groß, für Nachbarn ein Paket anzunehmen. In den Ballungsräumen dagegen ist kaum noch ein Hausbewohner dazu bereit - hier fehlt aber der Platz, um Boxen aufzustellen. Eine Zwickmühle. Wie der Kampf um die Paketboxen weiter geht? Schwer zu sagen. Zumindest erscheint es unwahrscheinlich, dass sich Hausbesitzer eine ganze Batterie von Paketkästen verschiedener Box-Anbieter und KEP-Dienste vor die Tür stellen werden. Mit der Folge, dass auf lange Sicht die Deutsche Post ihre Paketkästen letztlich doch für ihre Konkurrenz öffnen könnte. "Ich kann mir vorstellen, dass es in fünf bis zehn Jahren ein stark kooperierendes System gibt", schätzt zum Beispiel KEP-Experte Horst Manner-Romberg, Geschäftsführer der MRU-Unternehmensberatung in Hamburg. Sein Argument: steigende Sendungszahlen, Fahrermangel und Zufahrtsbeschränkungen in den Städten werden die Dienstleister quasi dazu zwingen, bei der Zustellung zusammenzuarbeiten - und auch bei den Paketboxen.

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