BAG-Zuschuss für Online-Kurse strittig

Georg Dettendorfer kann da nur mit dem Kopf schütteln: Seit 2010 beantragt der Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition mit Sitz in Nußdorf am Inn regelmäßig staatliche Fördermittel beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Köln. Und jedes Jahr bekam seine Firma sie bewilligt von der Behörde, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums unter anderem einen Teil der branchenbezogenen Qualifizierung von Beschäftigten in Unternehmen des Güterkraftverkehrs finanziert. Als Dettendorfer diesmal digitale Weiterbildungen bezuschussen lassen wollte, die ein Großteil seiner Mitarbeiter inzwischen absolviert, gab es allerdings kein Geld vom Staat. Stattdessen herrscht nun Streit über die BAG-Vergabepraxis. Der hat nicht nur Bedeutung für den oberbayerischen Spediteur, sondern für die gesamte Branche. Schwachstelle Nutzeridentifikation Es geht um sogenannte E-Learnings und Blended-Learnings. Laut einer BAG-Richtlinie sind diese seit 2019 förderfähig. Theoretisch übernimmt der Bund also erstmals bei onlinebasierten Seminaren, Schulungen und Lehrgängen einen Teil der Kosten. In der Praxis gingen Antragsteller in diesem Jahr jedoch leer aus beziehungsweise wurden abgewiesen. Jedenfalls will oder kann die Bewilligungsbehörde keine Beispiele für Online-Qualifikationen dieser Art nennen, die sie teilfinanziert. Der Grund: "Das BAG verlangt, dass eine nachweisbare, gleichzeitige virtuelle Präsenz des Lehrgangspersonals und der -teilnehmer gegeben und dauerhaft eine Kommunikation zwischen beiden möglich ist", erklärt Dettendorfer. Es verlangt quasi ein Internet-Meeting via Webcam. Anderen Formen der digitalen Wissensvermittlung vertraut der Staat offensichtlich nicht. Es seien keine zuverlässige Nutzeridentifikation und keine effektive Kontrolle möglich, berichtete die zuständige Referatsleiterin des Bundesverkehrsministeriums, Renate Bartelt-Lehrfeld, vor einigen Wochen beim "BKF-Symposium" der VerkehrsRundschau in Dortmund. Bartelt-Lehrfeld sagte dort: Es gebe derzeit noch viele Schwachstellen und Rechtsunsicherheiten - Stichwort: Manipulation. Auch praktizierte Lösungen in Österreich und den Niederlanden hätten Defizite und kämen so für Deutschland nicht infrage. Vorwurf: Unzeitgemäß und unlogisch "Dem Güterverkehrsgewerbe wird eine kriminelle Energie unterstellt, gegen die ich mich verwehre", kontert Dettendorfer. Er gehe davon aus, dass die große Mehrheit der Berufskraftfahrer ehrlich ist und ihre Weiterbildungen selbst absolviert. "Wieso muss dann ihre Teilnahme an E-Learnings mehr abgesichert sein als Homebanking?" Der Spediteur findet die Einwände des Bundes in einer sich wandelnden Arbeitswelt nicht nur unzeitgemäß, sondern auch unlogisch. "Wenn Verkehrsminister Andreas Scheuer seine regelmäßigen Predigten über die Digitalisierung und Logistik 4.0 ernst meint, sollte mediengestütztes Lernen gefördert werden", sagt er. Damit sich etwas ändert, klagt sein Unternehmen gegen einen Bescheid, mit dem das BAG seinen Antrag auf Förderung von E-Learnings abgelehnt hatte. Es hatte in diesem Sommer eine finanzielle Beihilfe zu einem Angebot des Weiterbildungsträgers INN-ovativ auf der Online-Plattform Spedifort verwehrt. Inhalt: insgesamt neun Kurse über 174,5 Stunden für einen Preis von 750 Euro. Auch wenn die Vater Staat dies anders zu sehen scheint, habe sich diese Investition gelohnt, versichert Dettendorfer. "Es ist toll, weil wir dadurch einerseits Zeit und Geld sparen und andererseits jeden Einzelnen zielgerichtet auf seinen Berufsalltag weiterbilden lassen können - egal, wann, wo und mit welchem Medium", betont er. Jeder Spediteur wisse nur zu gut, was für eine Mammutaufgabe und wie teuer es allein sei, alle Lkw-Fahrer zur selben Zeit am selben Ort für einen Präsenzunterricht zu versammeln. "Auch für die Mitarbeiter ist es einfacher, wenn sie am Wochenende nicht in die Firma kommen müssen." Knackpunkt virtuelle Präsenz Dettendorfer ist der Ansicht, dass im Fall der strittigen Spedifort-Kurse eine ununterbrochene Präsenz des Lehrgangspersonals nachweisbar sei. Die Trainer von Spedifort helfen demzufolge in der Zeit zwischen 7 und 21 Uhr. "Die Verfügbarkeit ist dadurch gegeben, dass auch im Fall der Abwesenheit eines Mitarbeiters dieser in Kenntnis seiner permanenten Bereitschaft per Live-Chat über sein Handy von einem Schulungsteilnehmer kontaktiert werden kann", erläutert der Oberbayer. Das belege eine Auswertung der Online-Kurse. Doch ein Live-Chat-Fenster auf der Spedifort-Plattform, über das ein Serviceteam eventuelle Fragen beantwortet, reicht dem BAG nicht. "Wenn alle Beteiligten ständig am Bildschirm gegenübersitzen müssen, dann widerspricht das dem Sinn und Nutzen einer digitalen Weiterbildung für den Unternehmer", entgegnet Dettendorfer. "Die Politik erwartet, dass wir unsere Prozesse mit den neuesten Technologien gut managen - nicht nur, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern auch, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken", erläutert der Speditionschef. "Dazu gehören für mich Weiterbildungen mithilfe von E-Learnings." Doch bei seinen Bemühungen um eine digitale Qualifizierung seiner Beschäftigten bremst ihn eine vom Bund beauftragte Bewillungsbehörde, die noch immer überraschend analog denkt. Deshalb die Klage, darum der Behördenkrieg. Dettendorfer geht es vor dem Verwaltungsgericht Köln nicht um die Summe, die er trotz eines rechtzeitig und fehlerfrei eingereichten Antrags selbst tragen musste. Ihm geht es um die Sache: "Ich hoffe auf ein Urteil im Sinne des Güterverkehrsgewerbes, damit das BAG seine Vergabepraxis im nächsten Jahr entsprechend anpasst", erzählt er. Egal, wie sie ausgehe - die Klage erzeuge öffentlichen Druck. Politischer Wille versus Wirklichkeit Etwas Anlass zur Hoffnung gibt ein Treffen von Logistik- und Fahrschulverbänden im Bundesverkehrsministerium, das Mitte November stattgefunden hat. Die zuständige Referatsleiterin Bartelt-Lehrfeld hatte dabei zwar darauf hingewiesen, dass ein Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Straßenwesen zu E-Learnings nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt habe und man keine rechtlichen Rahmenbedingungen für unausgereifte Konzepte schaffen wolle. Ihr Haus stimmte aber immerhin einem Pilotprojekt zu, um die Möglichkeiten von E-Learnings und die Nachfrage zu ermitteln. Ob diese Fachtagung zur Berufskraftfahrer-Qualifiktion etwas bewirkt, ist unklar. Offen ist aktuell auch, wie schnell das Ministerium und seine Bewilligungsbehörde die Anforderungen für die Weiterbildungsförderung überarbeiten. Kurz vor Weihnachten deutet wenig darauf hin, dass es zum Jahreswechsel bereits Anpassungen der Regeln zugunsten der Unternehmen gibt, die auf E-Learnings setzen. Und dass das BAG seine Vergabepraxis in einer laufenden Förderperiode ändert, ist unwahrscheinlich. Letztlich bleibt die Frage, ob diesem Weiterbildungsformat auch ohne Zuschuss vom Staat die Zukunft gehört. Dettendorfers vielsagende Antwort: Er nickt. Mehr zum Thema unter #Foerderprogramme www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Seit 2019 fördert das Bundesamt für Güterverkehr Online-Weiterbildungen. Zuschüsse für E-Leanings- und Blended-Learnings zahlt die Behörde allerdings nur bei gleichzeitiger virtueller Präsenz aller Beteiligten. Die Dettendorfer Spedition klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen diese Anforderungen bei der Vergabepraxis. BAG-Förderung von E-Learnings und Blended-Learnings Seit dem Jahr 2019 sind branchenbezogene Weiterbildungen von Beschäftigten in Unternehmen des Güterkraftverkehrs in Form von E-Learnings und Blended-Learnings förderfähig. Gemäß seiner eigenen Förderrichtlinie gibt das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) Geld für onlinebasierte Seminare, Schulungen und Lehrgänge, die nicht von Gesetz wegen sowieso Pflicht sind.E-Learnings und Blended-Learnings sind laut der Rechtsvorschrift folgendermaßen definiert: Der eine Begriff meint die zeitgleiche virtuelle Verknüpfung von Lehrgangsteilnehmern und Dozenten, der andere Begriff beschreibt eine Mischform aus E-Learning und realer Begegnung von Weiterbildungsteilnehmern und Dozenten. Ein Beispiel für Blended-Learning könnte sein, dass ein Berufskraftfahrer in einer Fahrschule und im Beisein eines Lehrers am Computer einen Teil des Unterrichts absolviert.Bei beiden Varianten muss das Lehrgangspersonal die Qualifikationen gemäß der Förderrichtlinie für Weiterbildungen erfüllen und der Verwendungsnachweis den Vorgaben entsprechen. Zudem verlangt das BAG einen Nachweis, dass sich das Lehrgangspersonal und die -teilnehmer live im virtuellen Unterrichtsraum begegnet sind. Kurse ohne Trainer, die sich online nur aus einer Datenbank abrufen lassen, sind nicht förderfähig. ag

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