Augen auf, Auftraggeber!

Guntram Schneider scheint sein Ziel fast erreicht zu haben. Nach erschreckenden Ergebnissen bei Kontrollen zum Arbeitsschutz und zur Verkehrssicherheit bei 131 Paket- und Kurierdiensten im vergangenen Mai hatte der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen eine zügige Reaktion des Gesetzgebers gefordert. Vor allem große Versandhändler müsse man stärker in die Pflicht nehmen, sagte der SPD-Politiker, da diese den wirtschaftlichen Druck an die mit der Auslieferung beauftragten Dienstleister oft weitergeben würden. "Sie haben, als wir kontrollierten, die Verantwortung für Mängel weit von sich geschoben und die Subunternehmer dafür verantwortlich gemacht, dass die Lenk- und Arbeitszeiten nicht eingehalten wurden", monierte Schneider damals. Im gleichen Atemzug kündigte er an, sich mit den Amtskollegen der anderen Bundesländer bezüglich einer Verschärfung der Regelungen für Auftraggeber abstimmen zu wollen. Kontrollvorschrift für Auftraggeber Gelegenheit dafür bieten nun Änderungen im Europarecht, die wiederum Anpassungen im Fahrpersonalgesetz (FPersG) und der dazugehörigen Fahrpersonalverordnung (FPersV) notwendig machen (siehe Kasten unten). Was anfangs wie eine Formsache anmutete - die Entwürfe der Bundesregierung enthielten bloß mehrere redaktionelle Änderungen sowie einige Ergänzungen und Klarstellungen - erweist sich nach den jeweiligen Stellungnahmen des Bundesrates als heikle Angelegenheit. Die Länderkammer billigte Anfang Februar nämlich nicht nur die formalen Anpassungen an das Europarecht, sondern nahm Ergänzungen vor. Die umstrittenste basiert auf der Empfehlung ihres Sozialausschusses zur FPersV: Sie sieht vor, dass sich der Auftraggeber künftig in angemessenen Zeitabständen darüber zu vergewissern und darauf hinzuwirken hat, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung sowie seiner betrieblichen Organisation in der Lage ist, die vorgeschrieben Lenk- und Ruhezeiten im Rahmen des Transportauftrags einzuhalten. Der neuen Prüfpflicht soll er demnach vor Vertragsabschluss und während der Vertragslaufzeit nachkommen. Da bisher nicht näher konkretisiert sei, wie der Auftraggeber seine bereits heute gesetzlich festgeschriebene Mitverantwortung für die Einhaltung der Sozialvorschriften wahrzunehmen habe, werde diese nach Erkenntnissen der Aufsichtsbehörden häufig nicht in gebotenem Maße wahrgenommen, heißt es dazu in einer Begründung. Verdoppelung des Bußgeldrahmens Damit der Auftraggeber der geplanten Prüfpflicht tatsächlich nachkommt, fordert der Bundesrat Bußgelder bei Verstößen. Wer als Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig nicht dafür sorgt, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Sozialvorschriften einhält, begeht demzufolge eine Ordnungswidrigkeit. Bislang kann eine solche bis zu 15.000 Euro kosten. Doch möglicherweise sind es bald sogar bis zu 30.000 Euro. Diese Höchststrafe sieht der Entwurf zur Anpassung des FPersG vor, den der Bundesrat ebenfalls ergänzte und billigte. Die Länder schlagen darin vor, den Bußgeldrahmen für Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu verdoppeln und die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden zu erweitern. Gleichlauf von Gesetz und Verordnung Derjenige, der an der Beförderungskette beteiligt ist, aber kein eigenes Fahrpersonal beschäftigt, solle künftig mehr Verantwortung bei der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten durch seine Auftragnehmer tragen, heißt es in der Stellungnahme zum FPersG. Verlader, Spediteur, Hauptauftragnehmer und Unterauftragnehmer sollen deswegen namentlich neben dem Arbeitgeber in das Gesetz aufgenommen werden. Dies wäre eine inhaltliche Angleichung an die Verordnung, die diese Personen schon seit 2008 ausweist. Zudem sei die Änderung erforderlich, so die Begründung, um gegen ebendiese Beteiligten in der Beförderungskette aufsichtlich tätig werden zu können, wenn sie ihre Mitverantwortung nach Paragraf 20a FPersV nicht wahrnehmen wollen oder der Aufsichtsbehörde Auskünfte, Unterlagen oder den Zutritt verweigern. Noch sind die beschrieben Verschärfungen der Regelungen für Auftraggeber nicht fix. Die Änderung des FPersG muss vom Bundesverkehrsminister und der Kanzlerin gegengezeichnet, vom Präsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Dies könnte in den nächsten Wochen geschehen. Die Änderung des FPersV muss die Bundesregierung hinsichtlich der Ergänzung des Sozialausschusses des Bundesrates prüfen und dann entscheiden, ob sie diese so in Kraft setzt. Laute Kritik an der Verschärfung Branchenverbände halten von den Plänen wenig: Einem Unternehmer, der täglich Hunderte von Sendungen zum Transport übergibt, die von einer Vielzahl von Dienstleistern und Subunternehmern zu den Adressaten gelangen, sei es unzumutbar, dass er alle zwei Wochen allen Beteiligten hinterhertelefoniere, mahnt Detlef Neufang, Justiziar des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). "Es kennt den Frachtführer, der den Transport durchführt, oft nicht einmal", gibt er zu bedenken. Der Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht vertritt die Auffassung, dass die derzeitigen Vorschriften genügen. "Neben den Verkehrsunternehmen sind auch heute bereits Verlader, Spediteure sowie Hauptauftragnehmer und Unterauftragnehmer dafür verantwortlich, dass die Sozialvorschriften eingehalten werden." Die bisherige Fassung schreibe darüber hinaus vor, dem Auftragnehmer keine zeitlichen Vorgaben für die Beförderung zu machen, die er nicht einhalten kann, sofern er die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten beachtet. "Und wer vorsätzlich veranlasst oder fahrlässig zulässt, dass Verkehrsunternehmen dagegen verstoßen, ist bereits heute mit in der Haftung", sagt der Rechtsanwalt. Setzt sich der Bundesrat durch, befürchtet Neufang für die Betroffenen ähnliche Probleme wie beim Mindestlohn: "Einerseits ist der Auftragnehmer nicht verpflichtet, seine Unterlagen offenzulegen oder sensible Auskünfte zu erteilen; andererseits geht es hier wieder einmal um personenbezogene Angaben, weshalb ich datenschutzrechtliche Bedenken habe", so der BWVL-Justiziar. "Schließlich ist zu bedenken, dass im Einzelfall eine derartige auch als lenkend anzusehende Kontrolle im Verhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber die Annahme nahelegen kann, dass es sich bei dem Dienstleister nicht um ein eigenverantwortliches, selbstständig agierendes Unternehmen, sondern um einen Scheinselbstständigen handelt", sagt er. Praktische Umsetzung gibt Rätsel auf Neufang rechnet damit, dass sich an den jüngsten Versionen der geänderten FPersV und des FPersG inklusive der Ergänzungen des Bundesrates nichts mehr ändert. "Man kann Auftraggebern daher nur raten, sich von ihren Auftragnehmern schriftlich zusichern zu lassen, dass diese sich an die Lenkund Ruhezeiten halten", sagt er. Dies reiche allerdings nicht aus, so der Experte. Auch während der Zusammenarbeit sei künftig wohl mehr Aufmerksamkeit gefordert. Der Gesetzgeber lässt diesbezüglich leider offen, wie Auftraggeber der geplanten Prüfpflicht ordnungsgemäß nachkommen können. Die rechtlichen Grenzen bei der Umsetzung der Berliner Vorgaben müssen am Ende wohl wieder die Gerichte regeln. Hintergrund Anlass ist eine EU-Verordnung Europarechtlicher Hintergrund ist die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr. Sie tritt zur Verbesserung der Wirksamkeit und der Effizienz des Fahrtenschreibersystems in zwei Stufen in Kraft. Bis zum 2. März 2015 müssen die Mitgliedstaaten ihre Verwaltungsvorschriften (in Deutschland die FPersV) und bis zum 2. März 2016 die Bußgeldvorschriften angepasst haben. Außerdem muss das FPersG als rechtliche Grundlage der FPersV an die EU-Vorgaben angepasst werden. ag Das fordert der Bundesrat Diese Ergänzung der Länder stört die Transportbranche Paragraf 20a Absatz 2 der Fahrpersonalverordnung soll folgender Satz anfügt werden:"Die an der Beförderungskette beteiligten Unternehmen haben mit dem Ziel, die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten, zusammenzuarbeiten und sich abzustimmen. Der jeweilige Auftraggeber hat dafür Sorge zu tragen, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Vorschriften einhält.Er hat sich vor dem Vertragsabschluss mit einem Verkehrsunternehmen und während der Vertragslaufzeit in angemessenen Zeitabständen darüber zu vergewissern und darauf hinzuwirken, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung sowie seiner betrieblichen Organisation in der Lage ist, die vorgesehenen Transportaufträge unter Einhaltung der Vorschriften durchzuführen." ag

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