Auf Expansionskurs

Wie machen die das? Mit Bewunderung, zuweilen auch Neid, blicken die Vertreter anderer europäischer Güterbahnen auf die Schweiz. 37 Prozent der Verkehrsleistung bei Gütertransporten (Stand: 2013) werden in der Alpenrepublik auf der Schiene erbracht (Deutschland: 17,5 Prozent). Das liegt nicht allein an der Verkehrspolitik, welche die Schiene nach Kräften fördert - auch die SBB Cargo als nationaler Schienencarrier gilt in puncto Qualität und Leistungsfähigkeit als vorbildlich. Die Zahlen für 2014 (siehe Kasten Seite 23) stützen dies: deutliche Steigerung der Transportmenge; Verdoppelung des Jahresergebnisses und erstmals auch Gewinn bei SBB Cargo International, die das Auslandsgeschäft verantwortet. Auch der Handel ist potentieller Kunde Für Jasmin Müller ist das allerdings kein Grund, sich damit zufriedenzugeben. "Wir wollen mit Bündelungsverkehren weitere Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern", sagt die Leiterin der Unternehmensentwicklung bei SBB Cargo. Dazu gehören Projekte wie die mit DB Schenker Rail: Anfang Juli präsentierten die beiden Bahnen ein neues Angebot im Einzelwagenverkehr, das die Schweiz mit deutschen Industriezentren verbindet. "Wir können innerhalb von 48 Stunden beispielsweise palettierte Konsumgüter aus Hamburg in jede Region in der Schweiz befördern", sagt Daniel Bürgy, Leiter Vertrieb von SBB Cargo. "Güterimporte aus Deutschland kommen bisher zum allergrößten Teil auf der Straße in die Schweiz. Wir wollen eine Alternative schaffen", sagt Jasmin Müller. Auch bei innerschweizer Verkehren stehen Branchen im Fokus, die in anderen Ländern nicht gerade als bahnaffin gelten. Die SBB-Cargo-Strategen wollen mit ihren Angeboten verstärkt Kunden aus der Handels- und Entsorgungsbranche gewinnen. "Wir brauchen diese Transporte auch", sagt Müller, denn allein mit Rohstofftransporten und Verkehren für das verarbeitende Gewerbe ist in Zeiten eines starken Schweizer Frankens und eines schwachen Euros kein Wachstum zu generieren. SBB Cargo ist unverändert ein Komplettanbieter im Schienengüterverkehr: Einzelwagen, Kombinierter Verkehr (KV) und Ganzzugverkehre. Bahnexperte Ralf Jahncke, Chef des Beratungsunternehmens Transcare, lobt die Schweizer: "SBB Cargo ist die einzige große Bahn, die ihre echten Kosten kennt und insoweit sehr schnell kostenbasierte Angebote macht. Das gilt insbesondere auch im Einzelwagen-Ladungsverkehr, wo man bei einigen Bahnen ewig wartet, bis man vernünftige Angebote erhält." Weitere Erfolgsfaktoren sind das eng geknüpfte Netz an Verladestellen im nationalen Verkehr und die Fähigkeit, schnell und zuverlässig im Nahbereich zuzustellen. Bei dem Angebot "Cargo Rail" transportiert SBB Cargo Einzelwagen oder Waggongruppen zwischen mehr als 300 Bedienpunkten in der Schweiz. "Cargo Express" ist eine schnelle Transportoption, in der Güter im Nachtsprung transportiert werden - ebenfalls inklusive einer Nahzustellung. Dieses Angebot nutzen Verlader für zeitempfindliche Waren - etwa Handelsund Kühlgüter oder Stückgut. In den meisten anderen Ländern sind diese Gütergruppen fest in der Hand von Lkw-Transporteuren. "SBB Cargo ist die einzige Bahn der Welt, die Stückgut netzweit mit einer Durchschnittsentfernung von deutlich unter 200 Kilometern erfolgreich auf die Schiene bringt", bestätigt Jahncke. Kein Export nach Ganz-Europa In einer anderen Beziehung zeigen sich die Schweizer als konservativ. Zum Exportschlager wollen sie ihr Erfolgsmodell im Wagenladungsverkehr nicht machen - und auch sonst haben die Internationalisierungsbestrebungen Grenzen. "Wir engagieren uns im Binnenverkehr, in Im- und Exportverkehren und in Transitverkehren durch die Schweiz. Unsere Verkehre haben immer einen Bezugspunkt zur Schweiz", umreißt es Müller. Um Verkehre wie Deutschland-Spanien bemüht sich SBB Cargo demzufolge nicht. Aber immerhin, SBB Cargo ist Mitglied in der europäischen Einzelwagenallianz Xrail - und kann damit für die Schweizer Kundschaft auch internationale Transporte, die die Schweiz nicht berühren, über die Partner anbieten. Auch die Investitionsschwerpunkte von SBB Cargo haben immer einen Schweiz-Bezug: "Wir können unseren Marktanteil nur dann halten, wenn wir das System modernisieren", sagt Unternehmensentwicklerin Müller. Wichtiges Investitionsprojekt im KV ist der Bau des Terminals Basel Nord. "Wir wollen den KV weiter ausbauen", erläutert Müller. Bisher haben Intermodal-Verkehre bei SBB Cargo einen Anteil von 34 Prozent an der Menge und 56 Prozent an der Verkehrsleistung. Rückenwind erhoffen sich die Schweizer, wenn Ende 2016 der Gotthard-Basistunnel in den Regelbetrieb geht und voraussichtlich 2019 der Ceneri-Basistunnel fertiggestellt ist. Die Erhöhung der maximalen Zuggewichte, zusätzliche Trassen und eine um eine Stunde schnellere Transitzeit haben das Potenzial, dafür zu sorgen, dass die Karten zwischen Straße und Schiene neu gemischt werden. Für Unruhe in der Eisenbahnwelt sorgt allerdings das Vorhaben der Schweizer Regierung, die Förderung im alpenquerenden Verkehr bis 2023 schrittweise auf Null zurückzufahren. Eine Studie im Auftrag der internationalen KV-Vereinigung UIRR ergab: Werden die Subventionen für eine KV-Strecke wie Ruhrgebiet-Norditalien von heute 134 Euro pro Sendung auf Null zurückgefahren, ergibt sich trotz der Ersparnisse durch den neuen Tunnel eine Mehrbelastung von 76 Euro. Im Ergebnis könnten die Speditionen und Verlader Sendungen auf die Straße verlagern, befürchtet die UIRR. Dass es in der Schweiz jemals so weit kommt, ist unwahrscheinlich - noch ist jedenfalls genügend Zeit, das Preissystem zu adjustieren. Die Serie Die großen GüterbahnenIn unserer Serie stellen wir die großen (Staats-)Güterbahnen in Europa vor- Teil 1: DB Schenker Rail (VR 27)- Teil 2: Rail Cargo Austria (VR 28)- Teil 3: PKP Cargo (VR 29)- Teil 4: SBB Cargo (VR 31/32)- Teil 5: Trenitalia Cargo (VR 33/34)- Teil 6: Fret SNCF (VR 35) SBB Cargo in Zahlen Umsatz:986 Millionen (Mio.) CHF* (953 Mio. CHF; + 3,5 %)Betriebsergebnis:37 Mio. CHF; (24 Mio. CHF; + 52,0 %)Jahresergebnis:33 Mio. CHF (15 Mio. CHF + 124,3 %)Verkehrsaufkommen:53,1 Mio. Tonnen (48,3 Mio. Tonnen; + 9,8 %)Verkehrsleistung:14,4 Milliarden Tonnenkilometer (12,3 Mrd. tkm, +17,9 Prozent): davon SBB Cargo International: 9,1 Mrd. tkm (7,8 Mrd. tkm, + 16 %)Beschäftigte SBB Cargo AG:2995 (3061, - 2,1 %) hel* Umtauschkurs 21. Juli 2015: 1 Schweizer Franken (CHF) = 0,958 Euro