100.000 locker abgehakt

Er läuft und läuft und läuft. Dieser bekannte Werbeslogan, den eigentlich Volkswagen für den Käfer in den 60er-Jahren adaptierte - und der damals nicht unbedingt immer der Realität entsprach - trifft auf unseren Mercedes-Vito-Dauertester umso mehr zu.Zum einen, weil er in den vergangenen zwei Jahren ein überaus beliebtes Redaktionsmitglied war, auf dessen komfortable Dienste jeder gern zurückgriff. Zum anderen bewältigte "S-VI 5112" die zurückgelegte Distanz von 100.000 Kilometern nahezu ohne Probleme. Soll heißen: Ein ungeplanter Werkstattbesuch wurde nur ein einziges Mal und bereits bei Kilometerstand 10.084 fällig, und den werten wir als einmaligen Ausrutscher.Auslöser war eine unsauber montierte Dichtung der Heckscheibe, durch die es bei Fahrzeugwäschen kräftig in den Kofferraum kleckerte. Die örtliche Mercedes-Niederlassung behob den Mangel wie immer professionell (siehe Kasten auf Seite 42).Überhaupt schien der in "Feuerrot" lackierte Achtsitzer von einer regelrechten Werkstattphobie befallen zu sein. Denn auch das Serviceintervall von 40.000 Kilometern überzog der Wartungsrechner, wahrscheinlich dank unseres überwiegenden Langstreckeneinsatzes, im ersten Fall um 6000 Tachowellenumdrehungen und beim späteren Service sogar um mehr als 12.000 Kilometer.Fast zu viel für die Bremsbeläge des 2380 Kilo schweren Automatik-Testwagens, deren fortgeschrittener Verschleiß sich erstmals durch den Warnhinweis "Bremsflüssigkeitsstand prüfen!" bei Kilometer-Stand 75.000 in Aufmerksamkeit brachte. Mit regelmäßiger Beobachtung hielt die Bremsanlage aber noch bis zur Inspektion bei km-Stand 92.165 durch. Hier genügte an beiden Achsen übrigens der Austausch der Bremsbeläge.Die Armlehne rastete plötzlich wiederZusätzlich entschloss sich der im spanischen Vitoria (wovon sich der Name Vito ableitet) montierte Mercedes bei zwei kleineren Defekten zur Selbstheilung. Als wir kurz nach der Hälfte der Dauertestdistanz die nicht mehr rastende Armlehne des Fahrersitzes ins Fahrtenbuch eintrugen und einen entsprechenden Werkstattbesuch erwägten, funktionierte die Höhenverstellung der Lehne ein paar Tage später plötzlich wieder einwandfrei.Ganz irdisch zu erklären ist dagegen der Grund für die ab und an nicht korrekt funktionierende Tankanzeige. Die mag es nämlich nicht, wenn beim Tanken die Zündung eingeschaltet wird, um beispielsweise den Kilometerstand fürs Tankprotokoll abzulesen. In solchen Fällen blieb die Nadel dann einfach bei beispielsweise halb voll hängen, auch wenn der Tank bis zum Rand gefüllt wurde. Eine Kleinigkeit, an die wir uns bei insgesamt 172 Tankvorgängen während des Testzeitraums zwar gewöhnten. Trotzdem möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass die Tankanzeigen der Wettbewerber hier weniger empfindlich reagieren.Wenn sie im Vito korrekt funktionierte, dann stieß sie oftmals erst nach deutlich über 700 gefahrenen Kilometern in den Reservebereich vor. Ans Herz legen möchten wir Vito-Kunden an dieser Stelle besonders die Option auf den größeren, 80 Liter fassenden Dieseltank, über den der Testwagen verfügte. Gegenüber dem 57 Liter kleinen Serientank vergrößert sich der Aktionsradius dadurch deutlich.Wie weit S-VI 5112 mit einer Tankfüllung kam, ist wie immer reine Physik: Eilige Kollegen, die meinten, auf der Autobahn die eingetragene Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h ausnutzen zu müssen, rissen mit dem 1890 Millimeter hoch bauenden Vito locker die 15 Liter Marke. Im anderen Extrem begnügte sich der Mercedes bei besonders schonender Fahrweise mit weniger als 7,0 l/100 km.Meistens bewegte sich der Testwagen auf der Autobahn aber im Tempobereich zwischen 130 und 160 km/h. Ergab am Ende der Testdistanz einen Durchschnittsverbrauch von 9,0 l/100 km. Ein respektabler Wert, der auf dem Niveau anderer im Vorfeld getesteter Dauertest-Vans liegt.Niedriger AdBlue-VerbrauchLetztere erfüllten allerdings noch nicht die Euro-6-Norm. Für die dafür obligatorische Reduzierung der Schadstoffe und besonders der Stickoxide setzt Mercedes auf einen Mix aus Partikelfilter, Abgasrückführung und Oxidations-Katalysator. Weshalb Vito-Besitzer neben dem Dieseltank auch den AdBlue-Vorrat (11,5 Liter) regelmäßig ergänzen müssen, was über den dafür vorgesehenen Stutzen hinter der Tankklappe problemlos funktioniert.Ob oder inwieweit das Dauertest-Fahrzeug von den Manipulationsvorwürfen betroffen ist, mit denen sich Mercedes-Benz aktuell bei mehreren Vito-Modellen konfrontiert sieht, können wir nicht beurteilen. Aber: S-VI 5112 verbrannte über die Testdistanz im Schnitt 0,12 l/100 km AdBlue und liegt damit auf einem eher niedrigem Niveau.Für den Hersteller liegt dieser Wert allerdings voll im Soll, schließlich bewegte sich der Dauertester nur selten im Volllastbereich, wo eine höhere AdBlue-Dosierung nötig würde. Im mittleren Geschwindigkeitsprofil, in dem sich der Dauertester meist bewegte, ist dagegen kaum Harnstoff für eine Euro-6-konforme Schadstoffreinigung vonnöten.Erzeugt werden die Schadstoffe durch die Arbeit des 2,1 Liter großen Vierzylinders, der im Test-Vito in seiner zweitstärksten Einstellung mit 163 PS und 380 Newtonmeter Drehmoment für Vortrieb sorgte. Seine Aufgabe erfüllt der OM 651 in jeder Arbeitssituation souverän, in Sachen Laufkultur und Elastizität ist der doppelt beatmete Common-Railer allerdings nur durchschnittlich und kommt längst nicht an die Geschmeidigkeit heran, die beispielsweise Transporter-Motoren französischer oder italienischer Hersteller bieten. Sicher ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis im Vito der neue Zweiliter-Diesel aus der Merdedes-Pkw-Abteilung übernehmen darf.Portioniert wird die Antriebskraft über die Siebengang-Wandlerautomatik, zu der sich innerhalb der Redaktion zwei Lager bildeten: Während sportlichere Fahrer die eher leistungsorientierte Abstufung der Automatik schätzten, störten sich auf Wirtschaftlichkeit bedachte Lenker an verfrühten Rückschaltungen in Steigungen oder dem zu langen Ausdrehen der Gänge bei Beschleunigungsvorgängen.Gute Automatik, fummeliges NaviEinigkeit herrschte über die stets sauberen und schnellen Schaltvorgänge und darin, dass die 7-G-Tronic eine echte Arbeitserleichterung darstellt, weshalb wir für diese immerhin 2165 Euro teure Option eine Kaufempfehlung aussprechen.Für das Radio-Navigationssytem "Becker Map Pilot" können wir das leider nicht. Zu oft verzweifelten wir an dessen fummeliger und unlogischer Bedienung. Ebenfalls für Verdruss sorgte der Staumelder, der über Verkehrsstörungen meist erst dann informierte, wenn es längst zu spät war.Hier fährt man mit einem Nachrüst-Navi auf jeden Fall stressfreier. Allerdings hat Mercedes in diesem Punkt mittlerweile Verbesserungen einfließen lassen (siehe Kasten Seite 42). Gleiches gilt, so der Hersteller, für die mit steigendem Alter fortschreitenden Klappergeräusche von den Sitzen und aus Richtung der Schiebetür, die für einen Mercedes-Transporter nicht würdig erscheinen. Ebensowenig wie die sehr kratzempfindlichen und schwer zu reinigenden Kunststoffe im Innenraum oder die früh schwächelnden Dämpfer, die schon bei km-Stand 43.120 die Heckklappe nicht mehr richtig halten konnten. Auch der niedrigen Nutzlast des Achtsitzers von gerade einmal 670 Kilogramm kann Daimler nun mit einer Version mit höherem Gesamtgewicht begegnen.Keine Überraschungen beim TÜV SüdWie alle unsere Dauertester fuhren wir nach Ende der Testdistanz beim TÜV Süd für eine Zustandsbewertung vor. Die Prüfingenieure konnten keine größeren Problemzonen bei S-VI 5112 ausmachen. Weder war Rost nach zwei intensiven Wintern mit entsprechenden Streusalzduschen ein Thema, noch fanden sich Verölungen an Motor und Getriebe oder Ermüdungserscheinungen an Fahrwerk und Karosserie.Die Konstruktion des Vito ist also robust und erfüllt die Anforderungen an ein Nutzfahrzeug locker. Kritik beschränkt sich auf Kleinigkeiten, auf die der Hersteller größtenteils bereits reagiert hat. Schön, dass sich bei Daimler auch in Sachen laufruhigerer Diesel über kurz oder lang wohl etwas tun wird.Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbankFragen an DaimlerDas sagt Mercedes-Benz ...*... zum langsamen und fummelig bedienbaren Navigationssystem:"Das Problem ist erkannt. Seit Juli bieten wir für den Vito ein neues Radio-Navigationssystem mit deutlich verbesserter Bedienung über einen Touchscreen an."... zu den im Laufe des Tests vermehrten Klappergeräuschen, den Wellen in den Sitzpolstern und den bei Kälte nachlassenden Dämpfern der Heckklappe:"Bei diesem Thema haben wir in der jüngeren Vergangenheit viel investiert. Vito, die später als das Testfahrzeug (Baujahr 2015) produziert wurden, weisen eine deutliche Verbesserung auf. Auch die Dämpfer der Heckklappe wurden in diesem Zusammenhang durch verstärkte Bauteile ersetzt."... zur eingeschränkten Nutzlast des Testfahrzeugs:"Zum Zeitpunkt der Produktion des Testfahrzeugs hatten wir tatsächlich noch keine Version mit höherem Gesamtgewicht als 3050 Kilogramm im Programm. Mittlerweile können unsere Kunden aber eine Version mit 3200 kg Gesamtgewicht wählen, die wir für den Vito Tourer empfehlen."* Andreas Hasselwander, Entwicklungsleiter Mercedes-Benz TransporterMercedes-Benz-Niederlassung in MünchenImmer professionell, zuverlässig und freundlichDas erste Fahrzeug verkauft der Verkäufer, alle weiteren ein guter Service. Diesen Grundsatz scheint die Daimler-Niederlassung am Frankfurter Ring in München tief verinnerlicht zu haben. Vom Cityvan Citan bis zur Actros-SLT-Schwerlastzugmaschine reicht die Brandbreite, die an diesem Standort gewartet und repariert wird. So gesehen gehörte unser Vito zu den kleineren Kalibern. Durchs Raster fiel er deshalb nicht: Sowohl bei der Nachbesserung an der Heckscheibe als auch bei den beiden Inspektionen klappte die Terminvergabe per Telefon schnell, problemlos und vor allem zuverlässig. Auch lange Öffnungszeiten von 7.30 bis 22 Uhr sind im Transportersegment noch längst nicht selbstverständlich. Auf längere Wartezeiten bei Abgabe und Abholung mussten wir uns in keinem Fall einstellen und das Fahrzeug war immer pünktlich zum vereinbarten Termin abholbereit. bj

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