Dezent nachgeschärft

Nicht wenige erwarteten von MAN große Neuerungen auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 in Hannover. Beispielsweise den lange angekündigten D15-Sechszylinder mit neun Litern Hubraum, der in der Bussparte der Münchner schließlich längst etabliert ist. Oder die neuen Fahrerhäuser für TGX/TGX, von denen aktuell viele getarnte Prototypen auf den Straßen Europas unterwegs sind. Beides sei zwar intensiv in Vorbereitung, aber zur IAA noch nicht serienreif, ließ MAN im Rahmen der IAA-Vorpressekonferenz verlauten. Stattdessen erweitern die Münchner ihre Variantenvielfalt und legen eher dezente Detailverbesserungen nach. Wie beim Notbremsassistenten, wobei MAN hier kein Detail nachlegt, sondern weglässt: Der im Ernstfall lebensrettende Fahrerassistent ist nämlich ab sofort nicht mehr abschaltbar. Angesichts der horrenden Bilder von Lkw-Auffahrunfällen eine löbliche Entscheidung. Mehr Komfort im Falle eines Verkehrsstaus bringt die neue Stop-and-go-Funktion des ACC-Abstandstempomaten. Kommt der MAN bei aktiviertem System kürzer als zwei Sekunden zum Stehen, fährt die Elektronik automatisch wieder an. Steht der Lkw länger, genügt ein Tippen aufs Gaspedal oder auf die Memory-Taste, um ACC wieder zu aktivieren. Aus Sicherheitsgründen funktioniert Stopand-go aber nur, wenn der Fahrer sich auch wirklich auf seinem Sitz befindet, angeschnallt ist und die Fahrertür geschlossen ist. Kamera gegen Rechtsabbiegeunfälle Gegen die aktuell in der Öffentlichkeit im Fokus stehende Gefahr von Rechtsabbiegeunfällen bietet MAN ebenfalls ab sofort eine Option. Wenn auch eine eher hemdsärmelige: Eine an der rechten hinteren Dachseite des Fahrerhauses montierte Kamera mit 150-Grad-Weitwinkellinse überwacht den Bereich, den Rück- und Rampenspiegel nicht abdecken. Ihre Bilder werden auf einen Sieben-Zoll-Bildschirm übertragen, den MAN im Innenraum an der A-Säule befestigt und der sich selbsttätig einschaltet, sobald der Fahrer den Blinker rechts setzt. Alternativ lässt sich das System auch jederzeit per Tastendruck im Armaturenbrett einschalten. Die Abbiegekamera, die sich auch bei älteren MAN-Fahrzeugen nachrüsten lässt, ist im Stadtverkehr ohne Frage hilfreich. Trotzdem hätten wir von der "Maschinenfabrik" eigentlich etwas mehr erwartet, wie einen bei akuter Gefahr aktiv ins Geschehen eingreifenden Abbiegeassistenten à la Daimler. Zumal MAN doch bereits vor Jahren zusammen mit Knorr-Bremse einen entsprechenden Prototypen gezeigt hatte ... Mehr auf dem neuesten Stand ist MAN traditionell beim Thema Hydrodrive, dessen Programm um mehrere Modellvarianten ausgeweitet wird. Ab 2019 ist die hydrostatische Traktionshilfe auch für die Vierachsfahrgestelle erhältlich - immer in Kombination mit dem automatisierten Schaltgetriebe Tipmatic. Auf diese Weise wird aus einem 8x4 oder einem 8x2 mit gelenkter Nachlaufachse temporär ein 8x6 beziehungsweise 8x4, sobald Achse Nummer zwei zugeschaltet wird. Technische Verbesserungen kommen auch außerhalb des Bausektors: Dank neuem Stator soll der abkoppelbare Retarder (nur lieferbar in Verbindung mit dem D26-Sechszylinder und der Tipmatic 12 + 2, die wie der Retarder von der Konzernschwester Scania zugeliefert wird) weniger Kühlung benötigen und seine volle Leistung von 500 Kilowatt oder 4100 Newtonmeter so über einen längeren Zeitraum abliefern können. Eine Leistungsspritze erhalten dagegen die Nebenabtriebe. Maximal 120 Kilowatt und 800 Newtonmeter kommen ab sofort bei Hydraulikpumpe & Co. an. Auch bei den Hinterachsübersetzungen legt MAN nach. Bei den Direktganggetrieben geht die Bandbreite jetzt von 1,48erbis 2,34er-Achsen, die Overdrive-Getriebe lassen sich von i=1,21 bis i=1,91 übersetzen. Passend dazu will MAN die Steuerungssoftware der Tipmatic-Schaltung weiter auf Sparen getrimmt haben. Wohl wissend, dass das meiste Sparpotenzial nach wie vor beim Fahrer liegt, weitet MAN zusätzlich die Fahrerschulungen bei seiner Akademie Profi-Drive um ganzheitliche Systemtrainings aus. Beispielsweise für Holzfahrer, die neben einem Spritspartraining gleich den richtigen Umgang mit dem Ladekran bei MAN üben können. Mehr zum Thema im Dossier "Messe IAA Nutzfahrzeuge" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Neues Rücksicht-System Kamera ersetzt AußenspiegelAusnahmsweise gingen die VerkehrsRundschau-Redakteure bei einem Reisebus an Bord. Denn der Neoplan Cityliner gewährte einen Blick in die Zukunft, die auch für Lkw bald Realität werden könnte. Anfang 2019 will die Firma Vision Systems ihr Kamerasystem auf den Markt bringen, das herkömmliche Außenspiegel überflüssig machen soll. Zwei Kameras pro Fahrzeugseite ersetzen die Haupt- und Weitwinkelspiegel und übertragen Bilder in Echtzeit auf zwei Monitore, beim Neoplan-Bus jeweils an den A-Säulen montiert. Vorteil: Eine bessere Aerodynamik, geringere Gefahr von Beschädigungen durch "Feindkontakt" und das Bild hellt sich nachts oder beim Durchfahren von Unterführungen und Tunneln automatisch auf. Verschmutzungen oder Wassertropfen filtert das System aus, auch beschlagen die Kameralinsen nicht. Fazit nach der Testfahrt: funktioniert, erfordert aber einige Gewöhnung. bj Elektrifizierter Transporter MAN startet E-TGE-ProduktionPremiere feiert auf der IAA die elektrifizierte Version des MAN TGE. Wie die Dieselmodelle nutzt der E-TGE die Technik des Zwillingsbruders VW E-Crafter und läuft wie dieser im polnischen Wrzesnia vom Band, wo die Produktion laut MAN bereits seit Juli in vollem Gang ist. Vorerst gibt es den Stromer, der die Karosse der heckgetriebenen Dieselmodelle mit erhöhtem Laderaum nutzt, um unterflur Platz für die 36 kWh große Batterie zu schaffen, nur als Hochdach-Kastenwagen mit knapp elf Kubikmetern Ladevolumen. Zulassen kann der Kunde den Löwen-Stromer wahlweise als 3,5- oder 4,25-Tonner, in letzter Version verspricht MAN eine Nutzlast von 1750 Kilo. Maximal 160 Kilometer (nach NEFZ) soll der E-TGE schaffen, für städtische Liefereinsätze mehr als genug. Das gilt gleichermaßen für den maximal 100 Kilowatt und 290 Newtonmeter starken Elektromotor des E-TGE. bj

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