Erfurt. Der Griff in den Genitalbereich eines Kollegen rechtfertigt laut dem Bundesarbeitsgericht eine außerordentliche Kündigung. Das gelte auch, wenn der Übergriff nicht vordergründig sexuell motiviert sei, entschied das höchste deutsche Arbeitsgericht mit Blick auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Im konkreten Fall hatte ein Stahlarbeiter in Bremen einen Leiharbeiter bei der Verpackung und Etikettierung von Bandstahlrollen schmerzhaft von hinten am Geschlechtsteil gepackt und dazu rüde Bemerkungen gemacht.
Sein Arbeitgeber hatte das als sexuelle Belästigung gewertet und dem Arbeiter aus der Stammbelegschaft gekündigt, nachdem ihm der Vorfall bekannt wurde. Dagegen hatte der Mann, der das Fehlverhalten bestritten hatte, geklagt. Der „MDR“ hatte zuvor über die Veröffentlichung des Urteils berichtet. Das zuständige Landesarbeitsgericht Bremen hielt die Kündigung zunächst für unverhältnismäßig. Unter der Berücksichtigung der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und der Schwere des Fehlverhaltens zu dem Schluss, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.
Das BAG wertete die Aktion in nächster Instanz aber als Eingriff in die körperliche Intimsphäre. „Auf die sexuelle Motivation kommt es nicht an“, heißt es in dem Urteil. Der Fall wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung –dabei geht es auch um die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Mit der Entscheidung in dem Bremer Fall habe das Gericht klargestellt, dass die absichtliche Berührung von Geschlechtsteilen in jedem Fall eine Kündigung rechtfertigen könne. (dpa/ag)
Urteil vom 29.06.2017
Aktenzeichen: 2AZR 302/16