Die Krux mit dem Kreuz

Im Lager werden Dinge bewegt - und das trotz wachsender Automatisierung nach wie vor vor allem durch Menschen. Für viele Mitarbeiter heißt das: bücken, heben und tragen und das in einer hohen Frequenz. Dass Lageristen in Sachen Muskel-Skelett-Erkrankungen eine besondere Risikogruppe darstellen, lässt sich anhand harter Zahlen zwar nicht belegen. "Angesichts der körperlichen Belastungen liegt die Vermutung aber nahe, dass dem so sein könnte", sagt Hans-Peter Kany, Leiter Fachbereich Handel und Logistik der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW). Die These erhält durch den aktuellen Gesundheitsreport der DAK Nahrung, nach dem die Branche "Verkehr, Lagerei und Kurierdienste", zu denen schließlich auch Lagerarbeiter zählen, im vergangenen Jahr mit einem Krankenstandswert von 4,6 Prozent unter allen Branchen an der Spitze lag. Verantwortlich für die hohen Ausfallzeiten war nach Angaben der Krankenkasse vor allem die erhöhte Falldauer von durchschnittlich 14,7 Tagen pro Krankheitsfall. Befeuert wird die steigende Bedeutung des Themas Ergonomie in der Intralogistik durch den demografischen Wandel: Die Bevölkerung im Erwerbsalter wird mittel-und langfristig nicht nur zurückgehen, sondern auch stark altern. Es sollte also im ureigenen Interesse von Logistikunternehmen liegen, in den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter zu investieren. Bei Verstößen drohen Bußgelder Dabei haben Arbeitgeber schon von Arbeitsschutzes wegen einiges zu beachten. Wie sie Sicherheit und Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter bei manueller Bewegung von Lasten gewährleisten müssen, regelt die sogenannte Lastenhandhabungsverordnung. Neben der Gewerbeaufsicht und den Ämtern für Arbeitsschutz zählen auch die Berufsgenossenschaften zu den Kontrollinstanzen. Es gibt sowohl angemeldete als auch unangemeldete Besichtigungen. In der erforderlichen Gefährdungsbeurteilung bei der Handhabung von Lasten sind Kriterien wie Gewicht, Form und Größe der Last, Art und Häufigkeit des Greifens oder der zu überwindenden Wegstrecke zu berücksichtigen. Hilfsmittel sind die sogenannten Leitmerkmalmethoden. Die Bewertung wird dabei in einem Ampelsystem abgebildet: Während bei Grün eine Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter unwahrscheinlich ist, ist bei Gelb eine Gesundheitsgefährdung möglich. Liegt das Ergebnis der Bewertung im roten Bereich, ist eine Gesundheitsgefährdung wahrscheinlich. Bereits im gelben Bereich sind Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen angezeigt, im roten Bereich sind sie unumgänglich. Verstöße gegen die Lastenhandhabungsverordnung können durchaus auch Bußgelder nach sich ziehen. Ehe es dazu kommt, sollte dem Thema auf jeden Fall der nötige Stellenwert beigemessen werden. Ausreden, dies sei zu teuer, ziehen nicht. "Arbeitsschutz kann kurzfristig Geld kosten. Aber Firmen, die diese Investitionen vielleicht als hohe finanzielle Belastung scheuen, muss klar sein: Jeder Mitarbeiter hat das Recht, am Abend gesund nach Hause zu gehen. Schon im Grundgesetz ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit verankert", betont Kany. Obwohl es - wie in allen Branchen - Unternehmen gebe, die sich durch eine gewisse Beratungsresistenz auszeichnen, habe sich trotz Kostendruck die Einstellung vieler Logistikunternehmen zugunsten des Gesundheitsschutzes aber geändert, stellt Kany fest. Sie hätten schließlich etwas davon, in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren und damit deren Arbeitsleistung zu erhalten, wenn nicht sogar zu steigern. Nicht zuletzt wirke sich die physische Gesundheit auch auf die Motivation der Mitarbeiter aus. Und was können Lagerbetreiber konkret tun, um ihren Mitarbeitern den Job zu erleichtern? "Bei der Ware-zur-Person-Kommissionierung, also im stationären Rahmen, bietet sich beim Bewegen schwerer Lasten der Einsatz von Manipulatoren wie beispielsweise Vakuum-Greifern an, mit denen der Mitarbeiter die Ware auf die Fördertechnik hebt", empfiehlt Kany. Bei der Person-zur-Ware-Kommissionierung seien beispielsweise Kommissioniergeräte mit integriertem Vakuumgreifer wie der Ergopick von Still eine sinnvolle Lösung. Bei der Kommissionierung in unteren Regalebenen sollten sich die zu entnehmenden Produkte idealerweise im vorderen Bereich befinden. "Beim Kommissionieren entsteht durch die Entnahme der Waren ein Treppeneffekt. Das dann oft praktizierte Hineinkriechen in die Regale ist nicht nur wegen der ungünstigen Körperhaltung problematisch, sondern weil man sich dabei auch den Kopf anstoßen kann", sagt Kany. Eine Möglichkeit, hier für Entlastung zu sorgen, sei das rechtzeitige Drehen der Palette mit dem Hubwagen. Die BGHW hat in diesem Zusammenhang sogar eine Machbarkeitsstudie für ein sogenanntes Palettenwendegerät in Auftrag gegeben und in Logistikstandorten einen Prototypen getestet. "Die subjektiven Erfahrungen der Kommissionierer mit dem Einsatz dieses Geräts waren sehr positiv", berichtet Kany. Mitarbeiter zum Rotieren bringen Auch die Gebindegrößen seien mitunter ein Problemfaktor. "Damit Mitarbeiter zum Beispiel keine 40- bis 50-Kilo-Säcke bewegen müssen, sollte darauf hingewirkt werden, dass kleinere Einheiten produziert und geliefert werden", schlägt Kany vor. Ein wichtiger Präventionsansatz im Lager ist schließlich Jobrotation: "Insbesondere im Hinblick auf die Rückengesundheit ist sehr zu empfehlen, dass Mitarbeiter nicht acht Stunden am Stück die gleiche Tätigkeit mit den immer gleichen Bewegungen und Belastungen ausüben", sagt Kany. Der Arbeitgeber solle Fall versuchen, den Personaleinsatz so zu organisieren, dass ein Mitarbeiter abwechselnd in verschiedenen Tätigkeiten eingesetzt wird, zum Beispiel einige Stunden als Kommissionierer und dann einige Stunden als Staplerfahrer. Alles in allem läuft es bei dem Thema ergonomisches Arbeiten im Lager immer wieder auf das Prinzip Return on Prevention hinaus. "Es lohnt sich, in den betrieblichen Gesundheitsschutz zu investieren, denn auch Ausfallzeiten kosten viel Geld. Wenn jemand wochenlang wegen Rückenbeschwerden nicht zur Arbeit kommen kann, hat das Unternehmen wenig davon. Auch wenn sich die Effekte nicht gleich bemerkbar machen - langfristig betrachtet bekommt ein Unternehmen mehr zurück, als es ausgibt", resümiert Kany. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Personalwesen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Tipps Was Unternehmen beachten sollten - Ergonomische Regalaufteilung: Das klassische Palettenregal ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Lagersystem für palettierte Ware. Achten Sie darauf, dass jede Palette und die darauf platzierten Waren leicht zugänglich sind und die Regalaufstellung leicht verändert und ergänzt werden kann.- Einsatz von Hebehilfen: Vakuum-Hebegeräte entlasten vor allem im stationären Rahmen, beispielsweise beim Umpacken, den Mitarbeiter. Der Gegenstand wird mit dem Vakuum-Heber angesaugt, kann mit wenig Kraftaufwand angehoben und an anderer Stelle wieder abgesenkt werden. Noch relativ neu sind Exoskelette, die den Rücken bei Hebe- und Tragetätigkeiten entlasten.- Jobrotation: Über einen langen Zeitraum die gleiche Tätigkeit mit den immer gleichen Bewegungen und Belastungen auszuüben, ist ergonomisch problematisch. Organisieren Sie den Schichtplan so, dass ein Mitarbeiter möglichst abwechselnd in verschiedenen Tätigkeiten eingesetzt wird.- Beratung: Holen Sie sich Hilfe von Profis. Die Berufsgenossenschaften stehen in Sachen Arbeitsschutz und Ergonomie beratend zur Seite, bieten Seminare zu verschiedensten Themen an und informieren über neue Vorschriften und Gesetzesänderungen.mh

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