Renault gegen Nissan: Brüder unter sich

Da fehlt doch einer? Das dürften technikaffine Leser beim Betrachten des unteren Bildes schnell feststellen? Neben dem Renault Kangoo Rapid und dem Nissan Townstar nutzt schließlich auch Mercedes-Benz die gleiche brandneue Basis für seinen neuen Klein-Transporter. Selbstredend war auch der neue Citan zu diesem Bruder-Vergleich geladen, aber die Stuttgarter konnten zum Test-Zeitpunkt noch kein Exemplar zur Verfügung stellen. Deshalb trifft der neue Renault Kangoo hier "nur" auf den von ihm abstammenden Nissan Townstar. Welcher von beiden für Transportunternehmen das bessere Angebot darstellt und welche Konfigurationen die richtige Wahl sind, soll diese Gegenüberstellung klären. Viele optische Gemeinsamkeiten Bevor wir uns dem widmen, parken wir Kangoo und Townstar nebeneinander und stellen fest: Der persönliche Geschmack kann bei der Kaufentscheidung lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Gelingt es der Nissan-Front mittels schmalerer Scheinwerfer und eigenständiger Kühlermaske noch passabel, sich optisch vom Renault abzusetzen, sind beim seitlichen oder rückwärtigen Anblick selbst Insider auf das Markenemblem angewiesen, um erkennen zu können, aus welchem Stall der Cityvan jeweils stammt. Gleiches gilt beim Innenraum, in dem das Nissan-Emblem auf dem Lenkrad als einzige Abgrenzung zum Spender-Renault genügen muss. Deutlichere Unterschiede gibt es bei den inneren Werten, genauer gesagt bei deren Wahlmöglichkeiten. Die fallen beim Japaner teils überraschend eingeschränkt aus, beispielsweise beim Antrieb. Das Programm hält mit dem 130 PS starken Turbo-Benziner nur noch eine einzige Verbrenner-Variante vor. Auch das Kangoo-Testfahrzeug geht mit einem Fremdzünder ins Rennen, anders als bei Nissan gibt es den 1,3 Liter großen Vierzylinder aber wahlweise auch mit 102 Pferdestärken, was den Anschaffungspreis immerhin um 800 Euro reduziert. Laufruhiger Benziner-Vierzylinder Ein Downsizing, das unserer Meinung nach guten Gewissens erfolgen darf. Das nominelle Leistungsmanko von 28 PS und immerhin 40 Newtonmetern Drehmoment ist zumindest im Überlandverkehr auch bei beladenem Frachtabteil kaum spürbar. In beiden Fällen gefällt das kompakte Aggregat mit seidenweichem Lauf und niedrigem Verbrennungsgeräusch. Und punktet mit Diesel-Attributen: Schon ab 1300 Touren steht ausreichender Durchzug zur Verfügung, die in beiden Testfahrzeugen überraschend präzise Sechsgangschaltung kann so öfter pausieren. Einen Diesel gibt es nur bei Renault Bei höheren Tempi auf der Autobahn wandelt sich das Bild allerdings. Einerseits ist der bei 140 km/h mit 3000 Touren arbeitende Benziner dann akustisch deutlich präsenter. Vor allem ist aber das Leistungsplus des stärkeren Motors hier deutlicher zu spüren. Wer öfter weite Strecken absolvieren muss, sollte im Falle des Renault den größeren Benziner ordern oder greift wahrscheinlich gleich zum, auf der Langstrecke weiterhin, effizienteren Diesel. Wobei man dann wieder zwangsläufig bei Renault landet, denn den 1,5 Liter großen Diesel-Vierzylinder haben nur die Franzosen im Programm mit Leistungen zwischen 75 und 115 PS. Das Benziner-Verbrauchs-Duell auf unserer gemischten Testrunde entscheidet übrigens der stärkere Motor knapp für sich. Akzeptable 7,14 l/100 km wandeln die 130 PS in Vortrieb um, die 102-PS-Version des Renault gönnt sich 0,19 Liter pro 100 Kilometer mehr vom kostbaren E10-Kraftstoff. In beiden Fällen befinden sich 400 Kilogramm Testballast im Frachtabteil, womit die Zweitonner bereits bis auf 50 Kilo ausgeladen sind. Die von beiden Herstellern offerierte Auflastung auf 2,2 Tonnen Gesamtgewicht (jeweils 250 Euro) dürfte daher für viele Käufer eine empfehlenswerte Option sein. Apropos Frachtabteil, das schluckt in beiden Fällen 3,3 Kubikmeter. Wer mehr zu transportieren hat, muss entweder die variable Trennwand plus faltbaren Beifahrersitz ordern (390 Euro), wodurch sich das mögliche Transportvolumen auf 3,9 Kubik erhöht. Oder man geduldet sich bis Herbst dieses Jahres, wenn beide Hersteller die verlängerte L2-Version ins Programm nehmen, in die maximal 4,9 Kubik passen. Wer dabei Wert auf einen maximal breiten seitlichen Zugang zum Laderaum legt, wird wiederum zwangsläufig zum Re nault-Kunden. Denn der Verzicht auf die B-Säule, wodurch sich der seitliche Zugang in den Kangoo auf immense 1,45 Meter Öffnungsbreite erstreckt, ist exklusiv nur für den Kangoo lieferbar. Komfortable und agile Fahrwerke Wobei dieses immerhin 1000 Euro teure Extra mit dem klingenden Namen "Open Sesame" seine Vorteile unserer Meinung nach vorrangig bei ausgebauten Handwerkermobilen ausspielen kann, im Transporteinsatz hingegen weniger. Außerdem hat der Verzicht auf die B-Säule bei jeder Bodenunebenheit deutliche Klappergeräusche von rechts hinten zur Folge - zumindest beim Testfahrzeug. Abgesehen davon gefallen beide Modelle aber mit sauberer Verarbeitung, zudem macht sich die Neuentwicklung in puncto Fahrkomfort und -agilität positiv bemerkbar. Gehörte das Vorgängermodell des Kangoo, das Renault ebenfalls schon an Nissan verlieh, eher zu den weich abgestimmten Kandidaten, das sich in beladenem Zustand wenig fahraktiv gab, präsentiert sich das neue Modell deutlich frischer. Sowohl Kangoo als auch Townstar rollen in allen Beladungszuständen komfortabel ab und nehmen höhere Kurvengeschwindigkeiten oder plötzliche Lastwechsel gelassen hin. Günstigere Listenpreise bei Renault Bleibt noch der Blick auf die Kosten. In Sachen Listenpreise geht das Rennen zugunsten des Renault aus: Die Kangoo-Basisversion gibt es in Verbindung mit dem 130-PS-Benzinmotor ab 18.740 Euro, für einen Nissan werden bei ähnlicher Serienausstattung knapp 1500 Euro mehr fällig. Wobei man sowohl bei Renault als auch bei Nissan die nächst höhere Ausstattungslinie (bei Renault "Extra" ab 20.240 Euro, bei Nissan "Acenta" ab 21.900 Euro) in Betracht ziehen sollte. Neben einer manuellen Klimaanlage sind hier nämlich auch sinnvolle Extras wie Tempomat oder Parkpiepser hinten inklusive. Fünf Jahre Garantie bei Nissan Beim Thema Garantie schlägt dann die Stunde des Nissan Townstar: Traditionsgemäß gewährt der japanische Hersteller fünf Jahre Garantie (bis zu 160.000 km Laufleistung) auf das Gesamtfahrzeug sowie die Lackqualität. Bei Renault sind es lediglich zwei Jahre aufs Fahrzeug, wenn auch ohne Kilometerbegrenzung, sowie drei Jahre auf den Lack. Diese Tatsache könnte für manchen Transportunternehmer Grund genug sein, dem asiatischen Ableger des Transporter-Duos den Vorzug zu geben. Zumindest wenn sich die Konfigurationswünsche mit den Wahlmöglichkeiten des Townstar-Programms vereinen lassen. Mehr zum Thema finden Sie unter #RenaultNissanNfz www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Zusammenarbeit von Renault und Nissan bezieht sich nicht nur auf die Transporter und ist kein Zufall. Schließlich ist Renault seit 1999 an Nissan beteiligt. Der Kangoo wurde erstmals im Jahr 2003 auf Nissan umgelabelt, der so entstandene "Kubistar" bereicherte bis 2009 das Transporterprogramm von Nissan. 0,19 l/100 km beträgt die Verbrauchsdifferenz zwischen den beiden Transportern auf der VR-Testrunde. Technische Daten Renault Kangoo Rapid TCe 100 FAP Nissan Townstar DIG-T 130 Motor Vierzylinder-Reihenbenzinmotor, Direkteinspritzung, Turbolader, Euro-6d-Full mit Vierwege-Kat und Partikelfilter, Hubraum: 1333 cm³, Leistung: 102 PS (75 kW) bei 4500/min, Max. Drehmoment: 200 Nm bei 1500/min Vierzylinder-Reihenbenzinmotor, Direkteinspritzung, Turbolader, Euro-6d-Full mit Vierwege-Kat und Partikelfilter, Hubraum: 1333 cm3, Leistung: 130 PS (96 kW) bei 5000/min, Max. Drehmoment: 240 Nm bei 1600-3500/min Kraftübertragung manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe, Frontabtrieb manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe, Frontabtrieb Maße & Gewichte L x B x H: 4486 x 2159 x 1864 mm, Radstand: 2716 mm, L x B x H (Laderaum): 1806 x 1570 x 1215 mm, Breite zwischen Radkästen: 1248 mm Ladevolumen: 3,3 m³, zul. GG: 1976 kg, Leergewicht Testfahrzeug: 1530 kg; Nutzlast: 446 kg, Anhängelast (gebremst): 1500 kg L x B x H: 4486 x 2159 x 1864 mm, Radstand: 2716 mm, L x B x H (Laderaum): 1806 x 1570 x 1215 mm, Breite zwischen Radkästen: 1248 mm Ladevolumen: 3,3 m³, zul. GG: 1970 kg, Leergewicht Testfahrzeug: 1550 kg; Nutzlast: 420 kg, Anhängelast (gebremst): 1500 kg Messwerte Verbrauch Testrunde: 7,33 l/100 km Verbrauch Testrunde: 7,14 l/100 km Preise Renault Kangoo Rapid L1 TCe 100 FAP: ab 17.940,- Nissan Townstar L1 DIG-T 130: ab 20.210,- Garantien (Gesamtfahrzeug/Lack/Rost): 2 Jahre / 3 Jahre / 12 Jahre 5 Jahre / 5 Jahre / 12 Jahre Fazit Elektro als besserer Benziner Der Renault Kangoo Rapid punktet mit niedrigeren Listenpreisen und höherer Variantenvielfalt, der Nissan Townstar vorrangig mit vorbildlichen Garantieleistungen. Weil die Japaner keinen Diesel mehr anbieten, dürfte der Townstar für Langstreckler aber aus dem Rennen sein. Für Überlandverkehre sind die getesteten Benziner dagegen eine akzeptable Antriebsform. Zukunftsweisender erscheint trotzdem die kürzlich von beiden Herstellern nachgeschobene batterieelektrische Modellversion, die bald bestellbar ist. 122 PS stark und nach Herstellerangabe mit bis zu 300 Kilometer Reichweite. jan.burgdorf@springernature.com

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