Interview mit dem ehemaligen MAN-Technik-Vorstand Viktor Schaller zur neuen Führungsspitze und zur gemeinsamen Zukunft von MAN und Scania im Volkswagen-Konzern
München/Wolfsburg. Mit Leif Östling hat der ehemalige Scania-Boss das Sagen über die gesamten Nutzfahrzeugaktivitäten im VW-Konzern übernommen. Neben seinen eigenen Nutzfahrzeugaktivitäten ist der Wolfsburger Konzern Mehrheitsaktionär bei MAN und Scania. All das soll einmal neben dem PKW-Geschäft zu einem zweiten Standbein zusammenwachsen. Bislang konnten die erhofften Synergien aber noch nicht gehoben werden. Die Frage ist: Wie geht es weiter, nachdem Östling nun vom Beteiligten zum Verantwortlichen wurde und viele Führungspositionen bei MAN, Scania und VW Nutzfahrzeuge neu besetzt wurden?
Die VerkehrsRundschau im Interview mit dem ehemaligen Technik- und Einkaufs-Vorstand von MAN, Karl Viktor Schaller (MAN-Vorstandsmitglied von 2006 bis 2009). Der 53-jährige ist heute Geschäftsführer der Münchner Unternehmensberatung KVS Consulting und Honorarprofessor an der TU München.
Was bedeutet die Personalrochade im NFZ-Bereich des VW-Konzerns?
Karl Viktor Schaller: VW hat auf diese Weise sehr intelligent Herrn Östling vom Beteiligten zum Verantwortlichen gemacht. Früher hat er sich das Ganze mehr als Zuschauer von der Scania-Tribüne aus angesehen, jetzt muss er dafür sorgen, dass die Nutzfahrzeug-Zusammenarbeit im Konzern funktioniert. Zudem kenne ich keinen in der ganzen Branche, der das Nutzfahrzeuggeschäft so gut kennt wie er. Typisch Schwede, arbeitet er sehr logisch und ruhig. Ich habe zwar keine Insider-Informationen, kenne die handelnden Personen aber gut und beobachte mit meiner Beratungsfirma den Nutzfahrzeugmarkt sehr genau.
Was werden Östlings erste Maßnahmen sein?
Außer Volvo-Renault gibt es bislang keine erfolgreichen Groß-Hochzeiten im Nutzfahrzeugbereich. Hier wurde zuerst die Integration des Rolling-Chassis (Motor, Getriebe, Achsen und Fahrwerk) vorangetrieben. Das macht drei Viertel des Wertes eines LKW aus. Hier sind daher die größten Synergien zu heben und diese Aufgabe fällt jetzt Östling bei VW zu.
Es ist immer von Synergien die Rede …
Kurzfristig können Sie auf der Einkaufsseite einen kleinen dreistelligen Millionen-Betrag heben. Das sind aber nicht die ganz großen Potenziale. Die lassen sich nur über eine Plattformstrategie erzielen, bei der sich auf weniger Motoren, Achsen und Getrieben größere Stückzahlen verteilen.
Bekommen MAN und Scania dann die gleichen Motoren?
Wie das genau aussieht, kann ich im Moment noch nicht sagen. Es wird sicher markenspezifische Ausprägungen geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Scania V8 im MAN geben wird oder ein MAN-Reihenmotor in einen Scania einzieht. Das wird irgendwo in der Mitte liegen.
Wie weit darf eine Gleichteilestrategie gehen?
Im Nutzfahrzeugbereich sind die Kunden deutlich besser über Details informiert als PKW-Käufer. Das birgt ein Risiko für die Gleichteilestrategie, muss aber nicht zwangsläufig nachteilig sein. Wichtig ist das markenspezifische Erscheinungsbild wie das Fahrerhaus oder das Eingehen auf spezielle Kundenanforderungen.
Die Zahl der unabhängigen Hersteller reduziert sich – werden LKW mittelfristig teurer?
Ach, das glaube ich nicht, es bleiben ja noch genügend übrig. Scania-MAN kommt als Marktführer in Europa auf einen Marktanteil von 30 Prozent. Normalerweise ist es so, dass die Synergieeffekte nicht direkt in die Taschen der Eigentümer fließen. Die werden zum Teil an den Markt weitergegeben – Fahrzeuge werden tendenziell billiger und die Konsolidierung des Marktes wird so weiter angetrieben.
Interview: Serge Voigt