Zwischenbilanz Peter Ramsauer

Zwischenbilanz Peter Ramsauer Zeit fürs Zwischenzeugnis Vor zwei Jahren löste die FDP die Sozialdemokraten als Partner der CDU/CSU ab. Mit Peter Ramsauer zog wieder ein Unionspolitiker als Ressortchef ins Bundesverkehrsministerium ein. Eine Zwischenbilanz. Der Bundesverkehrsminister verwaltet nicht nur, sondern kann mehr als jeder seiner Kabinettskollegen investieren. Ressortchef Peter Ramsauer (CSU) verfügt über den größten Investitionsetat des Bundes, deshalb sind die Begehrlichkeiten hoch. Ein Blick in den Koalitionsvertrag von 2009 versprach viel: „Die Koalition bekennt sich zur Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und weiter auszubauen. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur werden wir auf hohem Niveau für Straße, Schiene und Wasserstraße sicherstellen“, heißt es dort. Entsprechend groß waren die Erwartungen. Die Koalition war angetreten mit dem Ziel, zukunfts- und leistungsfähige Infrastruktur zu garantieren, fasst Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, zusammen. „Das hat man sich damals wohl anders vorgestellt – allerdings war die Schuldenkrise auch noch nicht absehbar“. Das Urteil über die Halbzeitbilanz des Ressortchefs fällt beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) gleichwohl günstig aus. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des BGL, sieht Ramsauer „gut vorangekommen“. Die schwarz-gelbe Regierung habe wie besprochen die noch von der Großen Koalition beschlossene Mauterhöhung für Euro-3-Fahrzeuge rückgängig gemacht, ein Konzept für den Feldversuch mit Lang-LKW sei auf den Weg gebracht worden. Außerdem würden nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen die Mittel aus dem Mautkompensationsprogramm fließen, lobt Schmidt im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. „Es gibt eine Reihe von Dingen, die vernünftig gelaufen sind“, pflichtet Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), bei. Er betont: „Ramsauer ist konsensfähig und sucht das Gespräch.“ Der Bundesverkehrsminister will Verbände und Meinungsbildner immer mit einbeziehen und praxisgerecht handeln, bestätigt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). „Es hat sich unter Schwarz-Gelb einiges in die richtige Richtung bewegt“, stellt Labrot insgesamt fest. Doch ein Blick in die Details verrät, warum die Branche nicht restlos zufrieden ist und dem Minister nur durchwachsene Noten ausstellt (siehe Bild links). Verkehrshaushalt: Leere Kassen zwingen zur ewigen Suche nach neuen Einnahmen Bereits eine Woche nach seinem Amtsantritt im November 2009 hatte das Thema PKW-Maut den frisch vereidigten Bundesverkehrsminister eingeholt. Peter Ramsauer hatte sich missverständlich über diese Abgabe geäußert und war damit zu einer Klarstellung gezwungen. So dementierte der CSU-Politiker die Einführung einer PKW-Maut zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Knapp zwei Jahre später hat der Ressortchef eine Kehrtwende vollzogen. Massiv unterstützt von seiner Partei verlangt Ramsauer, die Autobahngebühr als Finanzierungsquelle für Straßeninvestitionen zum Thema in der Koalition zu machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die Maut weiterhin nicht als ihr Projekt – ist jedoch bereit, darüber zu sprechen. Und ihr Verkehrsminister stellt auch klar, dass die erhofften Mauteinnahmen seinem Haushalt nicht entzogen werden dürften. „Wichtig ist natürlich, dass der Stammhaushalt für Verkehr um diese Mittel nicht abgesenkt wird und dass ein solches Aufkommen aus einer Maut ungeschmälert direkt in die Straße läuft. Wir brauchen auf Dauer deutlich höhere Mittel für die Straße. Statt ungefähr fünf Milliarden Euro Investitionen brauchen wir ungefähr 7,5 Milliarden Euro.“ Damit hat der Verkehrsminister erstmals einen konkreten Betrag genannt, der aus seiner Sicht erforderlich ist, um die Infrastruktur auskömmlich zu finanzieren. Anlass für den Sinneswandel des Ministers ist die seit langem beklagte Unterfinanzierung des Verkehrsträgers Straße. Bis zum Jahr 2015 sollen durchschnittlich zehn Milliarden Euro jährlich in die gesamte Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Für den Verkehrsträger Straße sind rund fünf Milliarden Euro vorgesehen. Damit ist es Ramsauer zwar gelungen, die Investitionshöhe der vergangenen Jahre zu halten. Das mag angesichts knapper Kassen und Schuldenbremse ein Erfolg sein, reicht aber nicht aus, um das sich zunehmend verschlechternde Straßennetz zu sanieren. Seit vielen Jahren weisen die Verbände den Verkehrsminister auf die zu geringen Straßeninvestitionen hin. Der DSLV beobachtet den anhaltenden Substanzverlust der Straße mit Sorge und schlägt deshalb „Flexibilisierungskredite“ vor. Bereits ab 2012 hätte damit die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft die Möglichkeit, dringend notwendige Ersatzinvestitionen per Kreditaufnahme zu finanzieren. Die Schuldenbremse und der damit verbundene Sparkurs trifft alle Verkehrsträger. „Überall reichen die Mittel nur noch für Erhalt, für Aus- und Neubau bleibt nichts mehr übrig“, analysiert Thomas Hailer vom Deutschen Verkehrsforum. Als Antwort auf dieses Dilemma suche Ramsauer neue Einnahmequellen. „Der Staat holt sich mehr Geld aus dem Verkehrssektor“, befürchtet Hailer. Es könne jedoch nicht sein, dass mehr Investitionen immer nur über neue Belastungen für den Verkehrssektor bezahlt würden. Hailer nennt die Luftverkehrssteuer und die Bahndividende als abschreckende Beispiele, wo neue Abgaben dem Verkehrssektor nicht zugutekamen. Auch die Projekte, für die Geld vorhanden ist, sind umstritten. „Bei uns hat sich der Eindruck verfestigt, dass sich die Investitionspolitik der Deutschen Bahn mit Billigung des Bundes auf den Hochleistungsschienenpersonenschnellverkehr konzentriert – mit sehr spektakulären und sehr teuren Projekten. Und für den Güterverkehr bleibt dann zu wenig Geld übrig“, kritisiert DSLV-Hauptgeschäftsführer Rogge mit Blick auf das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Es gebe eine Reihe von Infrastrukturmaßnahmen, die nicht vorangetrieben würden. Rogge nennt etwa den Zulauf zum Gotthardbasistunnel oder den Anschluss an die Betuwe-Linie. Aktionsplan: Im Oktober zieht Ramsauer auf einer neuen Logistik-Konferenz selbst Bilanz Mit dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik legte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im Herbst letzten Jahres die Fortsetzung des Masterplans seines Vorgängers Wolfgang Tiefensee vor. Vor allem die Transport- und Logistikverbände zeigten sich hochzufrieden mit der Überarbeitung. „Ein Verkehrsminister muss schauen, dass das Gesamtsystem effizient funktioniert“, insofern sei der Aktionsplan ein Fortschritt, sagt Hailer. DSLV-Hauptgeschäftsführer Rogge verweist vor allem auf die gemeinsam mit dem Ministerium entwickelte Vermarktungsgesellschaft für den Logistikstandort Deutschland. Und der zuständige Staatssekretär Andreas Scheuer sei ein sehr effizienter Logistikkoordinator, lobt Rogge. „Die Änderungen im Aktionsplan können wir nur begrüßen“, sagt auch Labrot. Herausheben lasse sich etwa der Ausbau der Parkplätze für LKW entlang der Autobahnen. Dennoch wünscht sich der BWVL-Hauptgeschäftsführer an einigen Punkten „mehr Action“ bei der Umsetzung. Dies drückt der grüne Verkehrspolitiker Stephan Kühn etwas deutlicher aus: „Ich messe den Minister nicht an den bunten Broschüren, die er drucken lässt, sondern an seinen Taten.“ Ein Punkt aus dem Aktionsplan wird dieses Jahr erstmals in Hannover durchgeführt: Die Nationale Konferenz Güterverkehr und Logistik soll jährlich über den Stand der Umsetzung des Aktionsplans berichten. Lang-LKW: Der bundesweite Feldversuch mit überlangen LKW kommt nicht in Fahrt Lang-LKW gibt es erst seit dem Frühjahr 2010. Der Anglizismen-Verweigerer Ramsauer hatte nach einem neuen Wort für die überlangen Laster gesucht. Ein wichtiger Grund für die Wortneuschöpfung war sicher der negative Beiklang, den die Begriffe Eurocombi, Gigaliner oder gar Monstertruck in der Öffentlichkeit hervorrufen. Bereits im Koalitionsvertrag wurde ein bundesweiter Feldversuch größerer LKW versprochen. Für Anfang des Jahres 2011 wurde der Start angekündigt, doch dann kamen die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und die überraschende Niederlage der dortigen schwarz-gelben Koalition. Seither kann von einem bundesweiten Feldversuch keine Rede mehr sein, denn nach NRW fielen auch die CDU-Bastionen Hamburg und Baden-Württemberg und die politischen Gegner der Eurocombis waren damit in der Mehrheit. „Der Feldversuch ist in seiner Wertigkeit deutlich eingeschränkt, wenn wichtige Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Bremen nicht mitmachen“, sagt Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des DSLV. Trotzdem hält er, wie auch andere Branchenvertreter, weiter am Feldversuch fest: „Der Lang-LKW ist ein zusätzliches technisches Modul in unserem Verkehrssystem, was wir nutzen sollten.“ „Auch mit weniger Bundesländern wird es Logistikkonzepte geben, die Sinn machen“, unterstützt ihn sein Kollege vom BWVL Christian Labrot. Kritik kommt dagegen von der Opposition, die mit ihrer neuen Mehrheit den Feldversuch im Bundesrat stoppen will. Rein ideologische Gründe weist der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Stephan Kühn zurück. Die Forderung nach lang laufenden Strecken für den Feldversuch zeige doch das Problem, moniert Kühn. Hier werde ein Systemvorteil der Güterbahn zerstört, die gerade auf langen Strecken bisher ihre Stärken habe. „Dabei erzählt Ramsauer bei jeder Gelegenheit, dass er Verkehre auf die Schiene verlagern will“, sagt Kühn. Während die Transport- und Logistikverbände weiter an eine Zukunft des Lang-LKW glauben, sieht SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer in dem geplanten Feldversuch „keine neuen Ansätze“. „Wir hatten schon genügend Tests mit Longliner, Gigaliner, Monstertrucks oder wie diese Fahrzeuge auch immer genannt werden“, betont Beckmeyer. An einen erfolgreichen Start des Feldversuchs glaubt er nicht mehr. Priorisierung: Das Bundesverkehrsministerium will die Wasserstraßen neu ordnen Das Diktat der knappen Kassen bekommt nicht nur der Verkehrsträger Straße zu spüren, auch die Wasserstraßen sind vom Sparkurs des Bundesverkehrsministers betroffen. Anfang des Jahres schockte Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle (CSU) die Binnenschiffer mit einer Neuordnung des Wasserstraßennetzes. Diese sieht vor, dass Flüsse und Kanäle auf Grundlage der transportierten Menge in vier Klassen eingeteilt werden: Das Vorrangnetz (wenigstens zehn Millionen Tonnen Güter pro Jahr), das Hauptnetz (fünf Millionen), das Ergänzungsnetz (drei Millionen) sowie das Neben- und Randnetz (wenigstens eine beziehungsweise 0,1 Millionen Tonnen Güter pro Jahr). Ein zügiger Ausbau soll nur noch im Vorrangnetz stattfinden. Bereits im Hauptnetz steht nur noch der Erhalt im Vordergrund. In dem Papier des Ministeriums hieß es: „Das politische Ziel, den Anteil des Gütertransports auf den Wasserstraßen zu steigern, wird in nachrangigen Netzteilen aufgegeben.“ Erstmals werde anerkannt, dass die bisherige Investitionsstrategie nach dem Motto „wir bauen aus, dann kommt mehr Verkehr“ nicht aufgegangen sei, betont der Grüne Kühn. Seine Partei unterstützt deshalb in diesem Punkt Ramsauer, auch wenn es bei Detailfragen durchaus Unterschiede gibt. In der Branche wirkte diese Abkehr von der bisherigen Politik wie ein Paukenschlag, der beim Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) bis heute nachhallt. Ramsauer sagte zwar eine flexible Handhabung des Konzepts zu, hält aber an der Kategorisierung der Wasserstraßen fest. „Künftig müssen wir Investitionen in den Ausbau dort konzentrieren, wo sie den höchsten wirtschaftlichen Nutzen erzielen – nämlich auf Bundeswasserstraßen mit hoher Verkehrsbedeutung.“ Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Halbzeitbilanz des BDB durchwachsen ausfällt. „Drei minus bis Vier“, sagt BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen. Ihn stört die Endgültigkeit des Ministeriumskonzepts, das wesentliche Teile des Wasserstraßennetzes zu Naturschutzreservaten machen würde. Die schwarz-gelbe Koalition habe mit rund 838 Millionen Euro einschließlich der Mittel aus den Konjunkturpaketen 2011 zwar das Investitionsniveau gehalten, „doch schützt die Verstetigung nicht vor dem Hungertod“. Da der Bund seit Jahren zu wenig in die Flüsse und Kanäle investiert habe, könnten viele Wasserstraßen und bauliche Anlagen nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet werden, beklagt Schwanen. Der Verband setzt jetzt auf eine Entschärfung des Wasserstraßenkonzepts. Kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause haben die Koalitionsfraktionen das Verkehrsministerium aufgefordert, nicht nur die Gütermenge, sondern zusätzlich auch die Verkehrs-, Erschließungs- und Zugangsfunktionen der Flüsse und Kanäle sowie die Wertschöpfung der Transporte und die Leistungen der Personenschifffahrt zu berücksichtigen. Zudem solle die Anzahl der geplanten Netzkategorien reduziert werden. Positiv bewertet Schwanen die gewerbepolitische Bilanz der Koalition. „Mit der Entfristung des § 6 Einkommenssteuergesetz ist die Übertragung stiller Reserven beim Verkauf von Binnenschiffen dauerhaft möglich und ein Kernanliegen des BDB erfüllt.“ De-Minimis: Die Mautharmonisierung soll sieben Jahre nach dem Mautstart funktionieren Seit Jahren wartet die Transportbranche vergeblich auf einen finanziellen Ausgleich für die 2005 eingeführte LKW-Maut. Die noch von Ramsauers Vorgänger Wolfgang Tiefensee aufgelegten Förderprogramme De-Minimis und Aus- und Weiterbildung erfüllten bisher nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Zu bürokratisch und kompliziert war das Prozedere, deshalb zeigten sich die Unternehmen eher verwirrt von der staatlichen Hilfe als begeistert. Es war ein langer Weg, bis die Fördergelder ihren Weg zu den Unternehmen fanden. Zu Beginn wurde beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) der Aufwand – vor allem beim Personal – deutlich unterschätzt, aber auch die Unternehmen haben Fehler bei den Anträgen und den Nachweisen gemacht, sagt DSLV-Hauptgeschäftsführer Rogge. Doch nicht nur BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt erwartet, dass die Mittel endlich fließen. „Die Mautharmonisierung läuft“, bestätigt BWVL-Hauptgeschäftsführer Labrot. „Das würde ich jedoch nicht dem Ministerium zuschreiben, sondern dem BAG und den beteiligten Verbänden“, sagt Labrot. Er geht davon aus, dass 2012 die Mittel das erste Mal komplett ausgeschöpft werden und damit sieben Jahre nach dem Start der LKW-Maut das Harmonisierungsversprechen eingelöst wird. „Wir brauchen eine Kontinuität in den Maßnahmen, damit sich die Unternehmen künftig darauf einstellen können“, fordert Rogge. Der DSLV lehne deshalb eine erneute Umschichtung der Fördergelder in andere Programme ab. Das Thema Aus- und Weiterbildung werde angesichts des Fachkräftemangels immer wichtiger und auch die De-Minimis-Mittel würden von den Unternehmen genutzt, sagt Rogge. „Deshalb wollen wir nicht, dass die Fördergelder in das Innovationsprogramm umgelenkt werden.“ ❙❚■ Sebastian Bollig, Jörg Kürschner Die Branche stellt Peter Ramsauer ein mäßiges Zeugnis aus: Es sollte ihm Ansporn für die zweite Hälfte seiner Amtszeit sein Zwischenbilanz Peter Ramsauer „Wir haben erste wichtige Erfolge erzielt“ Patrick Döring, Vize-Vorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zieht nach zwei Jahren Bilanz. Seit zwei Jahren regieren CDU/CSU und FDP im Bund. Was ist seitdem verkehrs-politisch erreicht worden? Patrick Döring: Wir haben einige erste wichtige Erfolge erzielt. Der Finanzierungskreislauf Straße ist endlich geschlossen, die LKW-Maut fließt zu hundert Prozent in die Straße. Gleichzeitig haben wir die Investitionen bei über zehn Milliarden Euro stabilisiert – mehr als vor der Krise. Beim Thema Lärmschutz an der Schiene sind wir ein gutes Stück weitergekommen: Die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise ist angeschoben, die Abschaffung des Schienenbonus steht bevor. Das Güterkraftverkehrsgewerbe wartet seit Langem auf den Start des Feldversuchs mit Lang-LKW, der im Koalitionsvertrag ausdrücklich genannt wird. Auf Initiative der FDP distanziert sich jetzt auch das wichtige Transitland Hessen von dem Vorhaben. Die Zahl der unterstützenden Länder wird immer geringer. Mal ehrlich: Der Versuch ist längst gescheitert. Das sehe ich ausdrücklich anders. Das Land Hessen hat den Versuch ja nicht abgelehnt, sondern in der Sache einige Nachbesserungen am Verordnungsentwurf gefordert, damit der Feldversuch gelingt. Darüber wird jetzt mit allen Beteiligten gesprochen und an Lösungen gearbeitet. Es gibt da keine unüberbrückbaren Hindernisse. Die CSU beklagt zu geringe Investitionsmittel für den Verkehrsträger Straße. Etataufstockung oder PKW-Maut fordert der Bundesverkehrsminister. Die FDP lehnt eine PKW-Maut ab. Sehen Sie Möglichkeiten, die Mittel für die Straße zu erhöhen? Vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltsdebatten bin ich froh, dass wir das Investitionsniveau von vor der Krise sogar wieder übertreffen. Aber keine Frage: Der Zustand unserer Straßen ist nicht zufriedenstellend. Ich halte aber nichts davon, einmal mehr den Bürgern in die Taschen zu greifen. Der Staat muss bei sich selber anfangen. Das heißt zum Beispiel, günstiger zu planen und zu bauen. Auch durch Verkehrslenkungsmaßnahmen können wir die Auslastung der Straßen verbessern. In spätestens zwei Jahren wird der Bundestag neu gewählt. Welche verkehrspolitischen Vorhaben stehen noch auf der Tagesordnung der Koalition? Einiges haben wir ja bereits erreicht, andere Dinge angeschoben – etwa die neue Konzeption für den Bundesverkehrswegeplan. Aber in den verbleibenden zwei Jahren ist noch viel zu tun. Wir müssen den Finanzierungskreislauf Straße weiter stärken und wollen eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit den Ländern, um die Investitionen effizienter umzusetzen. Auch das Planungsrecht müssen wir überprüfen. Bei der Bahn wollen wir Liberale eine Politik für mehr Wettbewerb auf der Schiene – auch dieses Thema bleibt fest auf der Agenda. jök Interview Patrick Döring Zwischenbilanz Peter Ramsauer Zwischenbilanz Peter Ramsauer „Finanzprobleme sind selbst verursacht“ Uwe Beckmeyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zieht eine kritische Bilanz der Regierungsarbeit. Welchen Gestaltungsspielraum hat der Verkehrsminister noch angesichts der leeren Staatskasse? Uwe Beckmeyer: Die Einnahmeprobleme von Peter Ramsauer sind teilweise selbst verursacht. So hat die jetzige Regierung die bereits von der Großen Koalition beschlossene Mauterhöhung zurückgenommen. Auch die Bundesstraßenmaut kommt dieses Jahr nicht mehr. Insgesamt kommen Sie schnell auf dreistellige Millionenbeträge, die alleine durch diese verpassten Maßnahmen fehlen. Sie sehen, im Haushalt ist viel selbst gemachtes Leid. Sind die Einnahmen zu niedrig? Nicht unbedingt. Es wird viel zweckentfremdet: Etwa die 500 Millionen Euro Bahndividende oder die rund eine Milliarde Euro aus der Luftverkehrssteuer. Davon sieht der Bundesverkehrsminister keinen Cent. Die als Erfolg verkauften zehn Milliarden Euro im Verkehrsetat sind nicht ausreichend? Im Kern ist die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland mit jährlich etwa 2,5 Milliarden Euro unterfinanziert. Ramsauers Vorgänger Wolfgang Tiefensee hatte noch das Glück, dass in seiner Amtszeit zwei Konjunkturpakete beschlossen wurden. Das hatte die Verkehrsinvestitionen kurz auf die nötigen gut zwölf Milliarden Euro im Jahr angehoben. Zudem sind die zehn Milliarden Euro von heute nicht mehr so viel wert wie noch vor drei Jahren. Es gab etwa massive Preissteigerungen im Bausektor. Gibt Ramsauer wenigstens das wenige Geld für die richtigen Projekte aus? Den Ansatz, dass sich Ramsauer bei den Bundesfernstraßen auf den Erhalt konzentriert, unterstütze ich. Doch es müssen endlich Taten folgen. Der Minister und seine Staatssekretäre fahren durch Deutschland, verkünden tolle Sachen, aber am Ende passiert nichts. Ich habe mal nachgezählt: Allein Ramsauer hat 60 Projekte angekündigt, die bis heute nicht angegangen wurden. Das ist eine reine Ankündigungseuphorie. Ramsauer ist kein Mobilitäts-, sondern ein Stillstandsminister. Was macht Ramsauer in Ihren Augen falsch? Anstatt sich eine verkehrspolitische Strategie zu überlegen, verzettelt er sich in Klein-Klein. Verkehrssünderkartei in Flensburg reformieren oder der Führerschein mit 17 – das sind alles im Grundsatz richtige Vorhaben, doch der Bundesminister sollte sich nicht mit diesen Dingen herumschlagen, sondern mit der großen Verkehrspolitik. Dazu hört man nichts. sb Interview Uwe Beckmeyer