Zwei Kostensprünge in kurzer Zeit

Allzu gern hätte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in der Nacht zum 1. Juli den Startknopf für die Inbetriebnahme der Lkw-Maut auf allen Bundesstraßen gedrückt. Doch die Koalitionskrise machte dem CSU-Politiker einen Strich durch die Rechnung. Statt Scheuer nahm dessen Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) den Mitternachtstermin in der Toll-Collect-Zentrale wahr. Pünktlich um null Uhr wurde die Maut für Lkw ab 7,5 Tonnen auf sämtliche 39.000 Kilometer Bundesstraßen ausgedehnt. Bereits seit 2005 bemautet werden rund 13.000 Kilometer Autobahn. Toll-Collect-Manager Hanns-Karsten Kirchmann lobte, wie flexibel das Mautsystem sei und über welch großes Know-how das Unternehmen verfüge. Die Logistikverbände rechnen mit Preiserhöhungen für die Endverbraucher. Die Bundesregierung widersprach dieser Prognose. Opposition: mehr Investitionen nötig Der Bund erwarte bis 2022 jährlich durchschnittliche Einnahmen von 7,2 Milliarden Euro, 2,5 Milliarden Euro mehr als bisher, freut sich das Verkehrsministerium. Voraussetzung dafür ist eine weitere Erhöhung der Abgabe ab Jahresbeginn 2019 aufgrund einer neuen Wegekostenrechnung. Darin werden erstmals auch Lärmkosten und stärkere Straßenbelastungen durch schwere Lkw einbezogen, um Anreize für die Anschaffung umweltfreundlicher, leiserer Lkw zu schaffen. Das gleiche Ziel verfolgt eine Förderrichtlinie für energieeffiziente und CO2-arme Lkw. Elektro-Lkw werden von der Maut ausgenommen. Die Mauteinnahmen "fließen zweckgebunden in die Finanzierung der Bundesfernstraßen", heißt es im Ministerium. Die oppositionellen Grünen halten dagegen. "Wir brauchen eine Abkehr vom Prinzip 'Straße finanziert Straße'", fordert deren Verkehrsexperte Stephan Kühn. Notwendig seien zusätzliche Investitionen in den Schienengüterverkehr, den Radverkehr sowie den Nahverkehr insbesondere auf dem Land. Die Mautausweitung dürfe nur ein erster Schritt für die Verkehrswende sein. Mehrkosten landen beim Kunden Die zusätzliche Milliardenbelastung könne keinesfalls "mal eben so aus der Portokasse" bezahlt werden, macht der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) geltend. "Wenn diese Zusatzbelastungen nicht an die Auftraggeber weitergegeben werden, ist das wirtschaftliche Überleben der Logistikdienstleister gefährdet", heißt es in einer Presseerklärung. Kein Verständnis hat der Verband für die Absicht der Regierung, die Maut ab 2019 auch für Lkw der saubersten Emissionsklasse Euro 6 um weitere 40 bis 60 Prozent zu erhöhen. Der Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), Mathias Krage, sagte, die Mehrkosten würden eins zu eins an die Kunden weitergegeben. Das Bundesstraßennetz werde überwiegend von deutschen Unternehmen nicht zuletzt für die regionalen Wirtschaftsverkehre und für die "letzte Meile" zum Zielort genutzt, sodass sich die Mautkosten für die deutsche Verkehrswirtschaft mindestens verdoppelten, befürchtet Dierk Hochgesang, Geschäftsführer des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ). 30.000 Unternehmen betroffen Nach Angaben des Mautkonsortiums wird die automatische Mautberechnung schrittweise von der dezentralen auf eine zentrale Erhebung umgestellt. "Die On-Board-Units (OBU) senden zeitversetzt und verschlüsselt Fahrdaten und mautrelevante Fahrzeugmerkmale an das Toll-Collect-Rechenzentrum", wird in einer Erklärung des Unternehmens betont. Dort finde die Berechnung der Maut für die befahrenen Streckenabschnitte statt. Seit Februar können mautpflichtige Lkw manuell über eine neue App über Smartphone und Tablet in das Mautsystem eingebucht werden. Eine vorherige Registrierung bei Toll Collect ist nicht erforderlich. Der Betreiber hat jetzt ein Streckenmodell mit 140.000 Tarifabschnitten aktiviert, das auch kurzfristige Änderungen wie Baustellen registriert. Etwa 30.000 Transportunternehmen, die insbesondere im Nahverkehr unterwegs sind, sind betroffen von der Mauterweiterung. Diese war noch von der vorherigen großen Koalition beschlossen worden.

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