Wird Seefracht teurer?

"Die überwiegende Mehrheit unserer 700 Schiffe wird im Jahr 2020 durch den Einsatz von konformen schwefelarmen Kraftstoffen den globalen Schwefelgrenzwert einhalten", erklärt eine Maersk-Sprecherin auf Nachfrage der VerkehrsRundschau. Drei Lager- und Verarbeitungsanlagen für den zulässigen Schiffsdiesel mit sehr niedrigem Schwefelgehalt sollen an wichtigen Netzwerk-Hubs der Reederei "einen erheblichen Teil des Kraftstoffbedarfs unserer Flotte decken". Dafür gebe es gemeinsame Initiativen mit Vopak und Koole in Rotterdam (Niederlande) sowie PBF Logistics in New Jersey (USA). Bei Hapag-Lloyd 237 Schiffe betroffen Ab 1. Januar 2020 sinkt die Obergrenze für den erlaubten Schwefelanteil im Schiffsdiesel weltweit (siehe Kasten Seite 23). Zulässig sind dann Very Low Sulphur Fuel Oil (VLSFO) oder Marinedieselöl (MGO). Schwefelreicher Schiffsdiesel darf nur noch mit Scrubbern, die Abgase reinigen, verwendet werden. Sie spielen bei der Strategie großer Reedereien aber eine untergeordnete Rolle. Hapag-Lloyd muss 237 Schiffe für IMO 2020 anpassen, davon 217 für VLSFO-konformen Treibstoff. Das bedeutet laut einem Sprecher, dass "zum Beispiel die Tanks gereinigt werden müssen, damit der neue Treibstoff genutzt werden kann". Schlammablagerungen durch herkömmliches Schweröl würden den schwefelarmen Kraftstoff sonst verunreinigen. Eine Mitgliederbefragung des Verbands deutscher Reeder (VDR) ergab, dass deutsche Reedereien mehrheitlich vorschriftenkonformen Kraftstoff verwenden wollen, um die IMO-2020-Regeln einzuhalten. "Die großen Reedereien testen alle Optionen", beobachtet Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim VDR. Flüssiggas (LNG) ist eine weitere Möglichkeit des künftig erlaubten Schiffsantriebs. Bei der Verbrennung entstehen weder Schwefeloxide noch Rußpartikel. Hapag-Lloyd stellt für nächstes Jahr ein 15.000-TEU-Schiff (TEU = 20-Fuß-Container) auf LNG um. "Sollte das Pilotprojekt gut funktionieren, halten wir es für möglich, mittelfristig alle unsere Großschiffe auf LNG umzurüsten", sagt der Reederei-Sprecher. Bei CMA CGM ist diese Entscheidung schon getroffen. Ende September lief in Shanghai ein 23.000-TEU-Schiff mit LNG-Antrieb vom Stapel. Die französische Reederei will neun solche Frachter auf Diensten zwischen Asien und Nordeuropa einsetzen. Zum Jahresende könnte es eng werden Größere Probleme bei der Umstellung des Schiffsantriebs sehen die Reedereien nicht. Die Maersk-Sprecherin räumt allerdings ein, dass dies für die große Flotte innerhalb kurzer Zeit "ein komplexer Prozess" sei, der gründliche Vorbereitung erfordere. In ein großes Containerschiff passen etwa 10.000 Tonnen Brennstoff. Einmal volltanken reicht für eine circa zweimonatige Rundreise von Nordeuropa nach Fernost und zurück. Das bedeutet, dass die Reedereien Mitte November anfangen müssen, ihre Flotten schwefelarm zu betanken. Nagel vom VDR befürchtet "Unsicherheiten bei der Verfügbarkeit" und hofft, dass die Versorgung reibungslos funktioniert. Fragezeichen gebe es zudem "bei der Kompatibilität des schwefelarmen Schiffsdiesels von verschiedenen Herstellern" - lässt sich Treibstoff von Shell beispielsweise mit dem von Total mischen? "Deutsche Schifffahrtsunternehmen werden sich genau an die neuen Schwefelobergrenzen halten", stellt Nagel klar. Branchenkenner gehen bei den Bußgeldern maximal von vierstelligen Beträgen aus. Wird ein Schiff festgesetzt, ist allerdings der Imageschaden groß: "Besonders wenn die Reederei Ladung für Kunden fährt, die viel Wert auf Umweltschutz legen, ist das ein Problem", so Nagel. Große Flaggenstaaten wie Liberia oder Panama achteten ebenfalls sehr auf ihr Ansehen. Vorgeschrieben ist, bei jedem Hafenanlauf zu überprüfen, ob ein Schiff die IMO-2020-Regeln einhält. Die Kontrollen sind Ländersache und können deshalb extrem unterschiedlich ausfallen. Während es in den USA und Nordeuropa sehr strenge Checks gibt, bezweifeln Experten, dass in Südeuropa oder Afrika engmaschig kontrolliert wird. Unterwegs lässt sich aus der Luft mit Sniffern (Messgeräten) testen, was aus dem Schiffsschornstein kommt. Zudem ist anhand von Logbüchern überprüfbar, ob unterwegs Schweröl verfeuert wurde. Jedenfalls in der Theorie. Mehrkosten in Milliardenhöhe Hapag-Lloyd erwartet eine Milliarde US-Dollar Mehrkosten für Treibstoff pro Jahr, für Scrubber veranschlagt das Unternehmen fünf bis sieben Millionen US-Dollar pro Schiff. "Die genaue Kalkulation des IMO-2020-Zuschlags variiert von Reederei zu Reederei, genauso wie der Zeitpunkt, wann man ihn zur Abrechnung bringt", sagt Willem van der Schalk, Geschäftsführer der Hamburger Spedition A. Hartrodt. Maersk passt den "Bunker Adjustment Factor" (BAF) an und führt eine "Environmental Fuel Fee" (EFF) ein. Bei Hapag-Lloyd heißt der Mechanismus "Marine Fuel Recovery" (MFR). BAF und MFR werden durch allgemeine Preisschwankungen und das jeweilige Fahrtgebiet beeinflusst. Auf den Mehrkosten wollen die Spediteure freilich nicht sitzen bleiben. "Das müssen wir eins zu eins weitergeben, Zuschläge sind nicht verhandelbar", stellt van der Schalk als Vorsitzer des Vereins Hamburger Spediteure klar. 400 Dollar mehr pro TEU? Aber solange die exakten Zuschläge seitens der Reedereien nicht bekannt sind, lässt sich über das Ausmaß der Verteuerung für die Spediteure und Kunden nur spekulieren. "Es gibt Kalkulationen, die von 400 Dollar per TEU an Mehrkosten für die Reeder ausgehen, derzeit sind aber nur 75 bis 150 Dollar im Markt als Zuschlag zu hören", berichtet Oliver-K. Thormählen, Geschäftsführer bei der Spedition Rieck Sea Air Cargo in Hamburg. Ob als Folge womöglich ganze Beschaffungsstrategien geändert werden, lasse sich "derzeit noch nicht eindeutig bei unseren Kunden absehen". Michele Acciaro, Professor an der Kühne Logistics University in Hamburg, vermutet, dass der Preisanstieg minimal sein wird - mit Ausnahme einiger Massengüter. Alles in allem sieht er mit IMO 2020 "kein großes Kostenproblem". Acciaro zufolge könnte es theoretisch einen Modal Shift geben, aber die Erfahrungen mit den Emissionsüberwachungsgebieten (siehe Kasten Seite 23) zeigten, "dass dies minimal ist". Die globale Konjunkturabschwächung und Handelskriege verunsichern die Branche zusätzlich. Michael Kleinwächter, Director Seafreight Central Europe bei der Spedition Bolloré Logistics Germany in Hamburg, zweifelt daran, dass die Reeder steigende Kosten in Zeiten sinkender Im- und Exportzahlen durchsetzen können: "Diverse Großcontainerschiffe werden noch in diesem und im kommenden Jahr in Dienst genommen. Das heißt, die Überkapazitäten bleiben unverändert und steigen sogar." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Auch die Seeschifffahrt steht vor der Herausforderung, massiv ihre Emissionen zu senken. 2020 tritt dazu weltweit ein neues Gesetz in Kraft: die IMO-Regeln. Doch wie viel teurer diese Regelung den Transport per Container macht, darüber herrscht noch Ungewissheit. IMO-Regeln Ab dem 1. Januar 2020 müssen Seeschiffe den Ausstoß von Schwefeloxiden um 85 Prozent reduzieren. Die Verordnung der internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO soll die Umwelt und Gesundheit schützen. Erlaubt sind nur noch Treibstoffe mit einem maximalen Schwefelgehalt von 0,5 Prozent anstatt 3,5 Prozent wie bislang. In den Emissionsüberwachungsgebieten (ECA-Zonen) wie Nord- und Ostsee bleibt eine strengere Regelung bestehen. Dort ist der Schwefelgehalt seit 2015 auf 0,1 Prozent begrenzt. kk