"Win-win-Situation für Ökonomie und Ökologie"

Herr Fücks, warum müssen nach Ihrer Meinung Gütertransporte künftig deutlich teurer werden? Die Güterverkehrsmengen sollen in den kommenden fünfzehn Jahren in Deutschland um rund 35 Prozent steigen und sich weltweit sogar verdoppeln. Die damit verbundenen Belastungen für Mensch und Natur lassen sich durch reine Effizienzsteigerungen nicht in einem erträglichen Korridor halten. Aus diesem Grund müssen wir über eine Entkopplung von Wirtschafts- und Transportwachstum nachdenken. Bisher wächst die Verkehrsleistung schneller als das Sozialprodukt. Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Und das heißt Transportkosten erhöhen? Ja, dies ist eine entscheidende Maßnahme. Je geringer die Kosten, desto weitläufiger die Transportketten. Es ist lukrativ, weite Wege in Kauf zu nehmen, weil die Transportkosten kaum ins Gewicht fallen. Durch eine schrittweise Verteuerung kann zumindest die Steigerung der Transportmengen gedämpft werden. Außerdem gilt: Je höher die Transportpreise, desto eher rechnen sich Investitionen in Effizienzsteigerung und Verkehrsvermeidung. Ist es sinnvoll, dass Deutschland hier allein voranschreitet? Würde dies nicht den Wirtschaftsstandort gefährden? Am besten ist es, wenn solche Maßnahmen auf europäischer Ebene festgelegt werden. Weltweit werden wir hier nur durch ein globales Emissionshandelssystem vorankommen, das den Transportsektor einbezieht. Aber gerade das ist schwer umzusetzen, selbst wenn Europa es will. Dies zeigt sich aktuell ja gerade beim Streit um den Emissionshandel im Luftverkehr. Ja, deshalb muss sich die Weltgemeinschaft auf der kommenden Weltklimakonferenz in Paris unbedingt auf verbindliche CO2-Emissionsziele verständigen. Bisher konnten sich die Staaten auf den Klimakonferenzen aber nicht einigen. Wird es in Paris anders sein? Meine Zuversicht ist leicht gestiegen. In den letzten Monaten gab es interessante Bewegungen in den USA und China. Die USA haben sich ambitionierte Ziele für Kraftwerke und den Verkehrssektor gegeben und in China wächst die Erkenntnis, handeln zu müssen, weil die Umweltbelastung dramatische Ausmaße annimmt. Kritiker verweisen darauf, dass der weltweite Handel und globales, arbeitsteiliges Arbeiten Wohlstand schaffen. Vernichtet Ihr Vorschlag also Wohlstand und dies insbesondere in den Schwellenländern? Durch ein ungebremstes Transportwachstum entstehen hohe Folgekosten für die Volkswirtschaften dieser Länder, vom Straßenbau bis zum Gesundheitswesen. Die Gleichung "Je mehr Verkehr, desto höher der Wohlstand" geht schon lange nicht mehr auf. Mein Ziel ist nicht, aus der internationalen Arbeitsteilung auszusteigen, sondern das überproportionale Transportwachstum zu bremsen. Und dies geht nur über höhere Preise. Um welchen Faktor müssen die Transportpreise ungefähr steigen? Ich plädiere für Kostenwahrheit, das heißt, alle gesamtgesellschaftlichen Folgekosten des Verkehrs müssen berücksichtigt werden. Eine konkrete Zahl kann ich nicht aus dem Stegreif nennen, aber die Erhöhung muss schon signifikant sein. Sie können es auch Abbau der verdeckten Subventionen nennen, die heute in den Gütertransport fließen, weil ein Gutteil der Kosten vom Steuerzahler aufgebracht wird. Kommen wir zu einer ganz konkreten Effizienzsteigerung in der Logistik, der Ausweitung der zulässigen Gesamtlängen von Lastkraftwagen. Sind Sie für oder gegen den aktuell laufenden Lang-LKW-Feldversuch in Deutschland? Man kann die Argumente, die für längere Fahrzeugeinheiten sprechen, nicht einfach wegwischen. Die Branche spricht davon, dass sich CO2-Emissionen und Verkehrsaufkommen bis zu 20 Prozent reduzieren lassen. Das sollte in der Praxis getestet werden. Wir sollten uns auch die Erfahrungen in unseren Nachbarländern anschauen, in denen Lang-LKW bereits eingesetzt werden. Aber gerade die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung boykottieren den Feldversuch. Warum herrscht eine so vehemente Ablehnung bei vielen grünen Verkehrspolitikern? Der Lang-LKW ist mit vielen Befürchtungen verbunden. Schon der Begriff "Monster-Trucks" schreckt ab. Bei den Grünen gibt es die Sorge, dass man mit diesen Fahrzeugen weitere Verkehre von der Bahn abzieht und unter dem Strich nur noch mehr Güterverkehr auf der Straße produziert. Aber selbst wenn die Bahn durch den Lang-LKW Verkehre verlieren würde, sollte Verkehrspolitik aus diesem Grund Innovationen im Straßenverkehr aufhalten? Es macht keinen Sinn, Effizienzgewinne im Straßenverkehr zu verhindern, um die Bahn zu schützen. Die Bahn muss selbst leistungsfähiger werden. Deshalb könnten Effizienzgewinne durch den Einsatz von Lang-LKW vom Staat teilweise abgeschöpft und in die Schiene investiert werden. Das wäre eine Win-win-Situation für Ökonomie und Ökologie. Der Lang-LKW stößt in der Bevölkerung überwiegend auf Skepsis und Ablehnung. Lehnen die Grünen den Lang-LKW ab, weil er unpopulär ist? Ob populär oder unpopulär, ist hier nicht die Frage. Entscheidend ist, wie am Ende die Umweltbilanz und die Kostenrechnung von Lang-LKW aussieht. Geht es hier lediglich um Kostenersparnisse für die Wirtschaft oder gibt es auch eine Entlastung für Umwelt und Bevölkerung? Das sollte man erproben und dann gründlich auswerten. Der Feldversuch macht nur dann Sinn, wenn alle Bundesländer mitmachen. Wie könnte hierzu ein Kompromiss mit den Grünen aussehen? Die Grünen können sich auf keine Argumentation einlassen, die heißt, wir schaffen durch Lang-LKW einfach mehr Platz für weitere Güterverkehre auf der Straße. Akzeptanz für den Lang-LKW werden Sie nur im Rahmen einer Paketlösung finden, die auch die Belange der Öffentlichkeit aufgreift: Reduzierung von Schadstoffen und Lärm, Entlastung des Straßenverkehrs, Stärkung der Schiene. Verbindlich geklärt werden muss auch, auf welchen Strecken die langen Fahrzeuge eingesetzt werden können. Sie taugen nicht für die innerstädtische Güterverteilung und für enge Landstraßen. Wer könnte denn einen Kompromiss vermitteln? Ich denke, wie bei der Energiewende müssen alle Interessengruppen an einen Tisch, um die Eckpunkte einer mittel- und langfristigen Verkehrspolitik abzustimmen. In diesem Rahmen könnte auch der Lang-LKW-Feldversuch geklärt werden. Glauben Sie, dass die Grünen beim Lang-LKW ihre starre Position in absehbarer Zeit ändern werden? Darüber möchte ich nicht spekulieren. Ich fände gut, wenn darüber von allen Seiten offen und sachlich diskutiert wird. Letztlich geht es nicht um isolierte Einzelentscheidungen, sondern um die Verständigung auf ein integriertes und nachhaltiges Verkehrskonzept. Vita Ralf Fücks Ralf Fücks steht seit dem Jahr 1996 an der Spitze der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, die er zusammen mit Barbara Unmüßig führt. Der 1951 in Edenkoben geborene Pfälzer studierte Sozialwissenschaft, Ökonomie und Geschichte in Heidelberg und Bremen. Parallel engagierte er sich in der Studentenbewegung und in der außerparlamentarischen Opposition. 1982 schloss sich Fücks den Grünen an, wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter ihrer Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft und von 1985 bis 1989 selbst Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender. 1991 wurde er Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz sowie zweiter Bürgermeister in der Bremer"Ampelkoalition". Als Mitglied der Grundsatzprogramm-Kommission und anderer Beratungsgremien von Bündnis 90/Die Grünen hält er die Verbindung zwischen Stiftung und Partei. Er hat an mehreren Wahlprogrammen mitgewirkt. Im Februar 2013 hat Fücks sein neuestes Buch mit dem Titel"Intelligent Wachsen - Die grüne Revolution" veröffentlicht. ak Heinrich-Böll-Stiftung Politische Bildung fördern Die Heinrich-Böll-Stiftung ist ein parteinaher Verein von Bündnis 90/Die Grünen, der Ende der 1980er-Jahre aus mehreren Landesorganisationen entstand und nach dem deutschen Schriftsteller Heinrich Böll benannt wurde. Die Stiftung hat das Ziel, die politische Bildung im In- und Ausland zu fördern. Die Heinrich-Böll-Stiftung beschäftigt sich mit Themen wie Klimawandel, Finanz- und Wirtschaftspolitik oder auch Europapolitik. ak

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