Wie ein Diesel

Auch mit 40 Tonnen sind 460 PS eine ordentliche Motorisierung. Bislang stoßen nur Iveco und Volvo bei Erdgasmotoren in diese Region vor. Die VerkehrsRundschau hat den neuen Stralis 460 NP (Natural Power) im bergigen Allgäu einem ersten Test unterzogen. Der Iveco verfügt über zwei isolierte Tanks für flüssiges Erdgas (LNG). Ungeachtet der aktuell geringen Anzahl von Tankstellen kommt man mit den vorhandenen 1080 Liter Erdgas rund 1600 Kilometer weit. Wer gasförmiges Erdgas (CNG) bevorzugt, reduziert seine Reichweite auf 570 Kilometer, hat dafür aber ein besseres Tankstellennetz. Auch die Kombination LNG- und CNG-Tank ist möglich. Technisch macht es keinen Unterschied; der Stralis 440 S 46 NP verfügt immer über dieselbe Technik. Und die präsentiert sich überraschend gut. Zugegeben, der Erdgas-Motor, der auf dem Cursor-13-Sechszylinder basiert, hat nicht den von einem Diesel bekannten Antritt. Er braucht ein wenig Drehzahl, um Temperament zu entwickeln. Die Differenz zum Selbstzünder ist aber nicht groß - vielleicht 100 bis 200 Touren, ehe genauso viel Power zur Verfügung steht. Und weil der Gasmotor so schön leise ist, fällt nicht mal auf, dass er ein wenig höher dreht. (Fast) so gut wie der Diesel Ist er erst einmal auf Betriebstemperatur, lässt er die Drehzahl in Steigungen schon mal bis auf 900 Touren fallen und zieht die 40 Tonnen ohne Rückschaltung über die Kuppe. Dabei bleibt er stets vibrationsarm und läuft geschmeidig. Der größte Vorteil des neuen 460: Im Gegensatz zum 400, der noch auf der "alten" Fahrzeugarchitektur und dem Cursor-11-Motor basiert, verfügt er schon über alle Merkmale der neuen Generation. Das heißt im Falle des Getriebes Traxon statt AS-Tronic. Für den Fahrer bedeutet das schnellere Gangwechsel, eine viel häufigere Nutzung von Eco-Roll und damit etwas weniger Verbrauch, vor allem aber ein noch niedrigeres Geräuschniveau. Ein üppiges Getriebe für 2000 Nm Iveco verbaut im 460 NP eine eigentlich nicht nötige Overdrive-Version. Zwar bietet der Gas-Cursor-13 wie sein Diesel-Pendant auch 2000 Newtonmeter maximales Drehmoment. Dafür braucht's aber noch lange keinen ins Schnelle übersetzten zwölften Gang. Die Konfiguration hat aber ihr Gutes: Speziell auf der Autobahn führt diese Auslegung dazu, dass die Schaltbox in Steigungen relativ früh einen Gang zurückstuft. Andererseits muss man zugeben, dass der NP mit dieser Auslegung flott unterwegs ist. Was letztlich dazu führt, dass der Fahrer nicht in die Schaltstrategie eingreift und damit auch keine negativen Auswirkungen, sprich hohen Verbrauch, produziert. Es gibt noch einen Vorteil: Naturgemäß verfügt ein Ottomotor - und um einen solchen handelt es sich beim Iveco-Gasaggregat - über kein gutes Bremsmoment. Ergo verbauen die Italiener stets einen ZF-Intarder. In aktueller Auslegung hat der sechs linear abgestufte Rasterungen, ein enormes Verzögerungsmoment und ermöglicht es, rund 95 Prozent aller Bremsungen mit der verschleißfreien Bremse zu erledigen. Mit dem Overdrive-Getriebe und dem höheren Drehzahlniveau an der Kardanwelle steigt auch das Bremsmoment des Intarders. Der Fahrer gebietet über ein Plus an Verzögerungsleistung. Weiterer Vorteil des neuen Gas-Lkw: Er hat jetzt alle Funktionalitäten, die man vom Diesel kennt. Der Fahrer verfügt über das volle Programm des Bordrechners und kann sich zum Beispiel seine Verbräuche anzeigen lassen. Auch die mit der neuen Generation eingeführte "Driving Style Evaluation" ist jetzt verfügbar. Wobei da eine Kritik erlaubt sein muss: Muss man als Fahrer scharf abbremsen, weil andere Verkehrsteilnehmer den Weg abrupt versperren, reißt das gleich ein tiefes Loch in die Bewertung. Das sollten die Programmierer besser hinbekommen! Wenig Verbrauch, wenig Schadstoffe Ansonsten glänzt der Stralis NP mit einer direkten Lenkung, wirkungsvollen Betriebsbremsen und einem Paket an gut funktionierenden Assistenzsystemen. Nur die gewichtsoptimierte Einblatt-Parabelfeder an der Vorderachse zeigt auf schlechtem Untergrund mehr Härte, als einem komfortbewussten Fahrer lieb sein kann. In der Summe überzeugt der 440 S 46 NP. Ob sich sein Mehrpreis über die garantiert niedrigeren Kraftstoffkosten hereinfahren lässt, wird sich wohl erst zeigen, wenn das deutsche Tankstellennetz vernünftig groß ist. Ein aktuelles Handicap sind außerdem unbekannte Rückkaufswerte, was Leasing schwierig macht.

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