Leipzig. Nicht ganz unerwartet haben die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig am Donnerstag die Entscheidung über die Weservertiefung wegen unklarer Fragen zur EU-Wasserrahmenrichtlinie ausgesetzt und das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg weitergeleitet. Schon im Frühjahr hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVG) einen solchen Schritt angedeutet. In gestelztem Juristen-Deutsch befand nun der 7. Senat des Leipziger Gerichts: „Aus Sicht des Senats bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Diese Punkte würden in einer abschließenden Entscheidung im gegenwärtigen Zeitpunkt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen.“ Unmissverständlich der Schlusssatz: „Gegenwärtig darf mit dem Ausbau der Weser nicht begonnen werden.“
Die zuständige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes will die rund 65 Kilometer lange Außenweser so ausbaggern, dass künftig Containerschiffe mit einem Tiefgang von 13,5 Metern Bremerhaven erreichen können. Auch die 57 Kilometer lange Unterweser soll vertieft werden. Tideabhängig soll Bremen von Schiffen mit bis zu 11,1 Metern Tiefgang erreichbar sein. Der beklagte Planfeststellungsbeschluss als Grundlage des Ausbaus datiert von 2011.
Kopfschütteln bei der maritimen Wirtschaft
Kopfschütteln bei der maritimen Wirtschaft und ihren Verbänden: So erklärte der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) in Hamburg sein Bedauern über den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. „Nach zehn Jahren Planungszeit ist es noch immer nicht gelungen, Klarheit über den Beginn der Ausbaumaßnahmen zu schaffen.“ Der ZDS fordert jetzt von den Verantwortlichen, die gerichtlichen Hinweise zur Nachbesserung unverzüglich aufgreifen und beschleunigt dafür sorgen, dass das Verfahren zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird, um die Zufahrtsbedingungen nach Bremen und Bremerhaven zu verbessern.“
Ähnlich auch die Handelskammer Bremen und die Industrie- und Handelskammer Bremerhaven: Sie fordern alle Beteiligten dazu auf, die Mängel am Planfeststellungsbeschluss zügig zu beheben. Als grundsätzlich positiv bewerten beide Kammern die Tatsache, dass der geplante Ausbau von den Richtern in Leipzig generell nicht in Frage gestellt werde. Aus ihrer Sicht ist die Weservertiefung eines der zentralen Infrastrukturvorhaben für die bremischen Häfen. Eine weitere Verzögerung sei mit gravierenden Wettbewerbsnachteilen gegenüber den Westhäfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge verbunden.
Von der Hängepartie unmittelbar betroffen ist auch das Land Niedersachsen. Dessen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte: „Eine zeitnahe Vertiefung der Weser ist im Interesse der Niedersächsischen Hafenwirtschaft und für die weitere Entwicklung gerade des Hafens Brake wichtig. Denn es geht um Arbeitsplätze in Niedersachsen und in den bremischen Häfen.“ Sein Kabinettskollege Stefan Wenzel, grüner Umweltminister, beurteilte die Entscheidung im Einklang mit dem klagenden Umweltverband BUND und anderen Verbänden dagegen positiv.
Hamburg ist ein anderer Fall
Mit besonderer Aufmerksamkeit beäugen die Elbhanseaten die Leipziger Richter. Schließlich ist die vorgesehene Fahrrinnenanpassung der Elbe ein kardinales Anliegen der größten deutschen und zweitgrößten europäischen Seehafenstadt Hamburg. Containerschiffe mit einem Tiefgang von an die 15 Meter (im voll beladenen Zustand) pendeln auf den für Hamburg maßgeblichen Fernostrouten mehr und mehr als Standardschiffe. Für sie sollen Untiefen in der Fahrrinne der Elbe beseitigt werden, ein Projekt, das von den gleichen Verbänden wie im Fall Weser beklagt und beim selben 7. Senat in Leipzig anhängig ist. Im kommenden Herbst will dieser dem Vernehmen nach darüber befinden. Allerdings sieht die betroffene Hamburger Wirtschaftsbehörde deutliche Unterschiede zwischen den beiden Verfahren. Mit der Leipziger Entscheidung zur Weser sei für die Elbe „nichts vorweggenommen“, sagte eine Behördensprecherin am Donnerstag. Auch seien Gespräche mit den Umweltverbänden über einen reduzierten Ausbau für Hamburg „keine Option“.
In dasselbe Horn bläst auch Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) und Präsident des Verbands der privaten europäischen Hafenbetreiber (Feport): „Direkte Auswirkungen auf das Verfahren für die Elbe sehe ich nicht. Sollten sich dennoch neue Fragen auftun, können sie bis zum Jahresende für die Planungen noch ergänzt werden“, sagte er dem Hamburger Abendblatt. „Für die Weser rechne ich mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in sechs bis zwölf Monaten.“ Bonz kritisierte allerdings auch die europäische Rechtslage: „In der Entscheidung zeigt sich einmal mehr, dass die europäischen Richtlinientexte zu unklar formuliert sind. Man muss sich mehr Zeit nehmen und sie klarer formulieren. Mit Blick auf die ökonomische Situation Europas muss den wirtschaftlichen Belangen eindeutig mehr Bedeutung beigemessen werden.“ (cfd)
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