Warum wollen Sie Lkw aus Städten aussperren?

2017 kamen bei Abbiegeunfällen mit Lkw bundesweit 37 Radfahrer ums Leben - im vergangenen Jahr waren es ähnlich viele. Halten Sie es bei dieser Zahl für angemessen, ein städtisches Durchfahrtsverbot für alle Lkw ohne Abbiegeassistent zu fordern? Ein Gutachten der Hochschule Darmstadt hat ergeben, dass es rechtlich möglich ist, die Durchfahrt von Lkw ohne Abbiegesicherheitssysteme in Städten auf der Grundlage der Straßenverkehrsordnung (StVO) einzuschränken, sofern in bestimmten Straßenzügen oder Ortsteilen eine erhöhte Gefährdungslage vorliegt. Selbstverständlich muss eine solche Maßnahme angemessen sein. Eine entsprechende Regelung wird nicht überall im gleichen Umfang möglich sein. Zudem bedarf es einer guten Begründung und eines Nachweises, dass eine "erhebliche Risikoüberschreitung" vorliegt. Die StVO besagt, dass bestimmten Fahrzeugen die Einfahrt in Städte verboten werden kann, wenn von ihnen eine erhöhte Gefahr etwa für die Verkehrssicherheit ausgeht. Wie kommen Sie darauf, dass dies bei Lkw der Fall ist? 37 Radfahrer, die durch abbiegende Lkw allein vergangenes Jahr in Städten getötet werden, sind aus unserer Sicht einfach zu viele. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat bislang nur darauf verwiesen, dass internationale Gremien eine Ausrüstpflicht für den Lkw-Abbiegeassistenten vorschreiben müssen. Nunmehr ist klar, dass eine nationale Übergangslösung bis zur EU-Regelung möglich ist. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Transport- und Speditionsunternehmen benötigen etwas Zeit, um ihre Flotten nachzurüsten. Wir wollen die Zahl nicht klein reden. Man muss sie allerdings im Verhältnis sehen. Zu 74 Prozent sind Pkw die Unfallgegner von Radlern. Wollen Sie die auch aussperren? Der Ansatz ist, die Nachrüstung mit Abbiegeassistenten zu beschleunigen. Die Folgen sind bei Unfällen zwischen Lkw und Radfahrenden deutlich schwerwiegender. Die Kosten für den Einbau eines Abbiegeassistenten sind in Hinblick auf die Anschaffungskosten bei Lkw deutlich leichter zu rechtfertigen. So ein System kostet zwischen 1000 und 1500 Euro. Aber klar ist auch: Alle Fahrzeuge müssen sicherer werden. Kritiker bezweifeln, dass eine solche StVO-Änderung mit dem EU-Recht konform geht. Eine Verletzung von EU-Recht sehe ich nicht und ist von dem Gutachten auch explizit verneint worden. Natürlich können Spediteure klagen. Dann könnten Gerichte entscheiden. Ein rechtliches Risiko konstatiere ich eher im Bereich der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - deswegen wurde dieser Weg nicht weiter verfolgt. Führt ein Lkw-Durchfahrtsverbot für bestimmte Straßen nicht nur zu einer Verkehrsverlagerung? Es geht uns nicht darum, Wirtschaftsverkehre mit Lkw aus den Innenstädten auszusperren. Zur Versorgung werden diese benötigt. Wir möchten die Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer verbessern. Lippenbekenntnisse reichen da nicht. Lkw-Durchfahrtsverbote sollen diejenigen, die nicht freiwillig ihre Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten nachrüsten, auch dazu anhalten, dies zu tun. Ich gehe übrigens nicht davon aus, dass nur eine Straße gesperrt würde, wenn eine StVO-Änderung käme. Es geht um sichere Zonen. In London soll es dank einer Sicherheitsinitiative bereits ein Einfahrtsverbot für bestimmte Zonen geben. Dort dürfen ab Herbst 2020 nur noch sogenannte sichere Lkw in die City fahren. Warum schlagen die Grünen alternativ nicht bessere Verkehrsleitsysteme vor? Ampelschaltungen oder spezielle Haltelinien für Radfahrer an Kreuzungen sind weniger wirksam. Darüber hinaus kann nicht jede Kommune das leisten. Rechtsgutachten zu Lkw-Fahrverboten Die Hochschule Darmstadt hat im Auftrag der Grünen untersucht, ob es in Deutschland eine Rechtsgrundlage für ein städtisches Durchfahrtsverbot für Lkw ohne Abbiegeassistent gibt. Dem Gutachten zufolge bietet die Straßenverkehrsordnung die Möglichkeit, festzulegen, dass nur sichere Lkw in Städte fahren dürfen. Stefan Gelbhaar fordert vom Bundesverkehrsministerium, darin einen entsprechenden Tatbestand zu verankern, der den Druck erhöht. ag