Luxemburg/London. Vor den Brexit-Gesprächen des britischen Premierministers Boris Johnson mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker fordert die europäische Wirtschaft dringend eine Einigung. Der Unternehmerverband BusinessEurope verlangte am Montag, 16. September, einen britischen EU-Austritt ohne Vertrag definitiv auszuschließen, weil er für Bürger und Wirtschaft auf beiden Seiten ein „Desaster“ wäre.
Johnson und Juncker sind für Montagmittag in Luxemburg zu einem Arbeitsessen verabredet – das erste direkte Treffen der beiden, seit Johnson im Juli Premierminister wurde. Aus Regierungskreisen hieß es am Sonntag, die britische Regierung strebe weiter ein Abkommen an. Johnson will demnach in dem Gespräch aber bekräftigen, dass er eine weitere Verlängerung der Brexit-Frist ablehnen werde, sollte sie angeboten werden.
Ungeregelter Brexit für alle extrem schädlich
Der Premier will das fertige EU-Austrittsabkommen ändern, was die Europäische Union bislang ablehnt. Sollte keine Einigung gelingen, droht Johnson mit einem ungeregelten Brexit Ende Oktober – und das, obwohl das britische Parlament keinen ungeregelten Brexit will und für den Notfall verlangt, eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen.
BusinessEurope mahnte, ein No-Deal sollte definitiv ausgeschlossen werden. Ein harter Bruch wäre aus Sicht des Verbands extrem schädlich für beide Seiten. „Wir müssen einen glatten Übergang von der heutigen zur künftigen Beziehung zwischen der EU und Großbritannien sicherstellen, mit einem klaren Rahmenvertrag, der Bürgern und Unternehmen Zuversicht gibt“, erklärte Verbandschef Markus Beyrer. Die Unsicherheit bei einer weiteren Verschiebung des Brexits sei zwar nicht ideal, sollte aber dennoch in Erwägung gezogen werden, erklärte der Verband. Ein Vorteil bei einem geregelten Austritt wäre die im Vertrag vorgesehene Übergangsfrist bis Ende 2020, in der sich zunächst praktisch nichts ändert. In der Zeit wollen beide Seiten ihre künftigen Beziehungen aushandeln.
Ungelöstes Problem Backstop für Irland
Doch obwohl die damalige Premierministerin Theresa May den Deal schon voriges Jahr mit der EU schloss, ist er vom britischen Parlament noch immer nicht ratifiziert. Er fiel drei Mal durch, unter anderem wegen des sogenannten Backstops für Irland. Es geht um die Frage, wie trotz Brexits eine feste EU-Außengrenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden kann. Die EU verlangt, dass ganz Großbritannien notfalls in der EU-Zollunion bleiben soll, bis eine bessere Lösung gefunden wird. Johnson will diese Klausel streichen und fordert alternative Lösungen. Wie sie aussehen sollen, ist unbekannt.
Viel Zeit bleibt Johnson nicht in Luxemburg, denn schon am Dienstag beschäftigt sich das oberste britische Gericht mit einem heiklen Brexit-Aspekt: Der Supreme Court beginnt dann mit der Anhörung zu der Frage, ob die von Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments überhaupt rechtmäßig ist. (dpa)