Von Hochhauslagern und Tiefgaragen-Hubs

Steigende Absatzzahlen beim E-Commerce und Same-Day-Delivery machen Lager und Umschlagplätze im Kern der Städte immer begehrter. Gleichzeitig gibt es in den großen Ballungsräumen praktisch keine Flächen mehr, um klassische Logistikimmobilien zu errichten. Die Branche tüftelt daher an neuen Lösungen. Im Gespräch sind vor allem mehrstöckige Lager, wie Segro sie für Amazon in München-Daglfing errichtet hat. Allerdings hat die Immobilie gerade einmal zwei Stockwerke. In Asien ist man schon weiter: Entwickler Prologis etwa hat in Osaka eine achtstöckige Anlage hingestellt. Solche Gebäude sind in der Region durchaus üblich. "In Europa sind sie aber fast völlig unbekannt", stellt das Maklerunternehmen JLL in einem aktuellen Logistikreport fest. Das Potenzial für solche Immobilien sieht JLL nur in bestimmten Großstädten wie London. Dort herrsche eine hohe Nachfrage nach Fläche und der Bestand an gewerblichen Flächen sei sehr niedrig. Die Mehrstöckigkeit scheint also, zumindest kurzfristig, keine Lösung. Noch setzt die Branche klassisch auf den Bau größerer Logistikimmobilien am Stadtrand oder in der Peripherie. Doch die Gefahr von Fahrverboten und zunehmende Staus in den Innenstädten bereiten Lieferdiensten zunehmend Probleme, Termine einzuhalten. Mikro-Hubs sind im Kommen Für Tobias Kassner, Bereichsleiter für die Analyse von Industrie- und Logistikmärkten bei Bulwiengesa, zeichnet sich daher eine Dreiteilung ab. Neben zentralen Hubs entstehen an den Rändern der Städte urbane Fulfillmentcenter mit 4000 bis 6000 Quadratmetern Fläche. Aus diesen werden dann Mikro-Depots, die nicht größer als 15 bis 25 Quadratmeter sein müssen, beliefert. Dafür könnten Parkhäuser, Tiefgaragen, leerstehende Ladenlokale oder Büros genutzt werden. UPS arbeitet bereits in Hamburg und Offenbach und seit dem vergangenen Jahr auch in München mit solchen Mikro-Hubs. Für die Verteilung stellt das Unternehmen an verschiedenen Stellen Container auf gemieteten Flächen ab. Von diesen Standorten aus liefern die Boten die Pakete mit Lastenrädern, Sackkarren und Elektrofahrzeugen aus. Auch die KEP-Unternehmen DPD und GLS testen seit vergangenem Jahr Mikrodepots und Lastenräder in Nürnberg. Statt der Container mietete DPD etwa im Gewerbepark Nürbanum südlich der Innenstadt rund 130 Quadratmeter an. In der Nachbarstadt Erlangen beschäftigt sich der Stadtrat derzeit mit einem ähnlichen Projekt. Für Christopher Raabe, Head of Industrial Services & Investment bei BNP Paribas Real Estate, kommen als Mikrohubs vor allem Flächen von Parkhäusern oder in Supermärkten in Betracht. "Ein Klassiker wären Parkhäuser in zentralen Innenstadtlagen: Tagsüber parken hier Kunden, nachts könnten sie als Hub genutzt werden." Diese Möglichkeit werde aktuell noch wenig genutzt. In Stuttgart soll bald ein lange geplantes Projekt starten. In der Tiefgarage Gerber Viertel testet die Firma Velocarrier zusammen mit dem Fraunhofer IAO und dem Technologiedienstleister Evopark ein neues Konzept (siehe Interview Seite 29). Das vom Bundesverkehrsministerium unterstützte Projekt soll zunächst bis Ende 2019 laufen. Kassner von Bulwiengesa ist noch skeptisch, ob Parkhäuser die Lösung der Lieferprobleme sind. Derzeit seien diese in zentralen Lagen sehr gut ausgelastet. Sollte der Individualverkehr allerdings künftig vermehrt aus den Städten gedrängt werden, könnten ungenutzte Parkdecks als Lager interessanter werden. Neben Parkhäusern könnten die Depots auch auf Supermarkt-Parkplätzen oder in vorübergehenden Baulücken entstehen. Allerdings sind diese begehrt. München etwa plant, Supermarktparkplätze mit Wohnungen zu überbauen. Für Logistik ist hier dann kein Platz mehr. Logistiker müssen Abstriche machen So bleibt die Suche nach geeigneten innerstädtischen Immobilien. Vorreiter ist der Onlinehändler Amazon. In Berlin nutzt der Händler einen ehemaligen Promarkt im Ku'damm-Karree mit knapp 3000 Quadratmetern Lagerfläche. In München liefert er seine Prime-Produkte aus einem 2200 Quadratmeter großen Lagerraum in der Hopfenpost, dem früheren Zentralpostamt der Stadt am Hauptbahnhof. Um möglichst citynahe Standorte zu finden, seien die Unternehmen bereit, Abstriche zu machen, bestätigt Raabe. "Logistikunternehmen belegen schon mal Oberund Untergeschosse und nehmen Hallenhöhen von drei bis vier Metern in Kauf", konkretisiert Oliver Raigel, Geschäftsführer der Realogis in München. Für ihn kommen grundsätzlich alle Gebäude in zentralen Lagen infrage, die eine gewisse Bodentraglast aufweisen. So etwa Büro-, Service- und Produktionsgebäude, die über einen Lastenaufzug und eine Garage für Be- und Entladung verfügen. Auch ehemalige Supermärkte und Kaufhäuser seien denkbar. In der Praxis stoßen die Ideen regelmäßig an ihre Grenzen. "Oft schließt das bestehende Baurecht für Bestandsimmobilien eine andere Nutzung aus", weiß Raabe. Außerdem gebe es kaum umnutzbare Büroflächen, da auch in diesem Segment die Flächen knapp seien. "Anders ist es im Retail-Bereich, wo durch den zunehmenden Druck des E-Commerce häufiger Flächen freigezogen werden", so Raabe. Das beobachtet auch Bulwiengesa-Experte Kassner. Vor allem in dezentralen Shoppingcentern werde die Verkaufsfläche verkleinert. Dahinter könnten neue Lagerstätten entstehen. Internethändler und Logistiker mieten diese Flächen zunehmend an. "Es muss aber allen klar ein, dass eine solche Immobilie nicht für sieben Euro Miete pro Quadratmeter zu haben ist", sagt Kassner. Doch Dienstleister würden die höheren Mieten zunehmend akzeptieren, um näher am Kunden zu sein. Das birgt Gefahren. Solange die Wirtschaft boomt, sind Verbraucher bereit, für die schnelle Belieferung einen Aufpreis zu bezahlen. Im Abschwung aber könnte der Preis wieder eine größere Rolle spielen als die Geschwindigkeit. Am Ende bleibt dann doch nur die Erkenntnis, dass die Logistik in der Zukunft in die Höhe gehen muss. "Wir werden mehrgeschossige Immobilien und Auslieferungsfahrzeuge mit alternativen Antrieben sehen", ist sich Adriano Borgia, Geschäftsführer der Realogis in Stuttgart, sicher. Das gelte auch für Revitalisierungen. Mehrgeschossige ältere Produktionsgebäude seien aus logistischer Sicht zwar nicht optimal geeignet, allerdings befänden sich diese Gebäude oft in City-Nähe. Die zunehmende Automatisierung im Lager erleichtert es, in die Höhe wie auch in die Tiefe, etwa bei Tiefgaragen, zu gehen. Auch die Nutzung ehemaliger Fachmarktzentren und Einzelhandelsflächen werde zunehmen. Raabe schaut noch ein wenig weiter in die Zukunft: "Denkbar wären Objekte, in denen im Erdgeschoss Lager- und Logistikflächen sind und in den Stockwerken darüber Büros. Spannend wäre eine solche Entwicklung jedoch nur für Unternehmen, für die die letzte Meile von Bedeutung ist. Große Lagerhallen werden wir in den Städten auch zukünftig nicht sehen, das passt einfach nicht zusammen". Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Immobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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