Vom Transporter zur Mobilitätslösung

Gutes Marketing ist das halbe Produkt, dachten sich wohl die Verantwortlichen bei der Transportersparte von Mercedes-Benz. Dort steht 2018 mit dem neuen Sprinter ein wichtiger Modellwechsel an, doch die Stuttgarter gewähren schon jetzt scheibchenweise Einblick in ihr neues Flaggschiff, ohne dieses aber, abgesehen von einer Designskizze, in Gänze zu zeigen. Konkreter wird man bei der Technik, hier setzt der Hersteller auf Digitalisierung: "Wir wollen uns vom reinen Fahrzeughersteller zum Anbieter ganzheitlicher Transport- und Mobilitätslösungen wandeln", erklärt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans, die künftige Ausrichtung. Dafür rief Daimler das "Advance"-Programm ins Leben, bei dem die Stuttgarter viele Lösungen vom großen Lkw auf die kleinen Laster übertragen. Künftig wird der Sprinter, wenn auch wohl nur gegen entsprechende Aufpreise, wichtige Daten wie beispielsweise Verbrauch, Tankfüllstand oder Wartungsbedarf in der sogenannten Mercedes-Pro-Cloud speichern. Der Fuhrparkmanager kann diese Daten dort jederzeit abrufen, ebenso wie die Arbeitszeitdaten des jeweiligen Fahrers. Ob und wann beim Sprinter Wartungsbedarf ansteht, darum muss er sich dagegen nicht mehr kümmern. Das übernimmt künftig der Hersteller, der den Wartungszustand aus den Cloud-Daten berechnet. Terminvergabe nach Einsatzprofil Ermittelt das System Handlungsbedarf, erhält die örtliche Mercedes-Niederlassung eine entsprechende Information und meldet sich beim Kunden zwecks Terminabsprache. Auch bei letzterer Aktion liefert die Datenwolke Unterstützung: Denn die Terminfindung berücksichtigt selbstredend das Einsatzprofil des jeweiligen Fahrzeugs. Schließlich weiß das System, an welchen Tagen oder Tageszeiten das Fahrzeug wenig genutzt wird. Darüber hinaus denkbar: Digitale Fahrzeugschlüssel, mit denen sich Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum einem bestimmten Fahrer zuweisen lassen. Was beispielsweise lohnen kann, wenn der Fahrer den Sprinter nach Feierabend oder übers Wochenende mit nach Hause nimmt und sich der Unternehmer vor unberechtigten Privatfahrten schützen will. Oder der Sprinter mutiert zum nächtlichen Lagerraum, indem Dienstleister eilige Terminfracht oder Ersatzteile für Monteure im geparkten Mercedes deponieren - per digitalem Öffnungscode für die Hecktüren. Den Laderaum will Daimler aber auch während des Arbeitstages effektiver nutzen. Die Übermittlung neuer Aufträge erfolgt per Fahrer-App, wobei die Elektronik neben dem aktuellen Standort auch über den aktuellen Beladezustand des Sprinters informiert ist. So weiß das System stets wie viel Zuladung der Frachtraum aktuell verträgt, allerdings ist dieser Service bislang noch Zukunftsmusik. Greifbarer, weil bereits Bestandteil der Telematiksysteme von Trailerherstellern, ist dagegen die Überwachung und Dokumentation der Kühlkette von verderblicher Ladung. Inklusive regelmäßiger Übermittlung der aktuellen Temperatur im Laderaum an den Kunden oder Alarmierung bei nicht befugten oder zu langen Türöffnungen. Die Daten sollen sicher sein Angesichts dieser geballten elektronischen Überwachung dürften viele Transportunternehmer zu Recht um die Sicherheit ihrer sensiblen Daten fürchten. Mercedes verspricht, dass die Sicherung nach allen derzeitigen hohen Standards erfolgt und laufend verbessert werde. Angst, dass der neue Sprinter eher einem Raumschiff als einem Transporter ähneln wird, muss man dagegen nicht haben, wie der erste Blick auf den Armaturenträger des Neuen zeigt. An dem finden sich nach wie vor Lenkrad und Pedale, allerdings wird Mercedes gleich vier verschiedene Armaturenträger im Programm haben. Nahezu nackt - sogar ohne Radio - kommt die einfachste Version, die vor allem bei innerstädtisch genutzten KEP-Fahrzeugen verbaut werden dürfte. In den Genuss der High-End-Version mit Chromapplikationen und viel fingerabdruckempfindlichem Klavierlack werden Kurierfahrer dagegen wohl kaum kommen. Hier weist auch das sportliche Dreispeichenlenkrad eine Fülle von Bedienknöpfen auf, an deren Bedienung man sich aber schnell gewöhnt, wie erste Funktionstests zeigten. Ebenso gewannen wir aber den Eindruck, dass der neue Armaturenträger wohl nicht ganz die Wertigkeit des (noch) aktuellen Modells erreichen wird. Karosserieseitig bleibt es bei drei Dachhöhen und drei Sprinter-Längen, neu ist beim Mercedes dagegen die Möglichkeit, zwischen Front-, Heck- oder Allradantrieb wählen zu können. Noch in Schweigen hüllt sich Mercedes darüber, welcher Dieselmotor im Neuen für Vortrieb sorgen wird - vielleicht ja beim nächsten "Marketing-Scheibchen". Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transporter www.verkehrsrundschau.de/dossiers Neuer Elektro-Sprinter Elektro-Sprinter soll ab 2019 in Serie produziert werden 67 Milliarden Pakete werden laut Daimler 2017 weltweit verschickt und der Markt soll bis 2020 jährlich um weitere 15 Prozent wachsen. Ein Großteil der Sendungen führt die Paketfahrzeuge in Städte, weshalb der Hersteller mittlerweile einen wachsenden Bedarf für Transporter mit Elektroantrieb sieht. Daher wird es neben den Dieseln auch eine vollelektrische Sprinter-Version geben. Die hört auf den Namen ESprinter und übernimmt viele technische Komponenten des kürzlich vorgestellten kleineren Stromer-Bruders "EVito" (siehe VR 48-49/2017). Je nach Einsatzprofil des Kunden bietet Mercedes bis zu vier Batteriemodule an, die unterflur montiert werden. Neben dem Fahrzeug entwickelt der Hersteller beim Lademanagement neue Ideen. Bei großen E-Flotten will Mercedes das Aufladen bedarfsgerecht steuern, um Ladespitzen zu vermeiden. Geplant ist zudem eine Vorheizung der Kabine am Ladekabel, um die Akkus entsprechend zu schonen. In Serie geht der ESprinter aber frühestens 2019.bj

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