Verwässern und verzögern

Schon zum zweiten Mal hat die Generaldirektion für Mobilität und Verkehr zum Verkehrswirtschaftsgipfel geladen. Diese neuen "Gipfeltreffen" der EU-Kommission tragen deutlich den Stempel des scheidenden Verkehrskommissars Siim Kallas. Wirtschaft und Verkehr, das passt für ihn gut zusammen. Der einheitliche europäische Verkehrsraum, in dem sich Güter- und Personen überall nach den gleichen Regeln bewegen können, ist ihm ein Anliegen. Hindernisse für den frei fließenden Verkehr - und damit für eine florierende Wirtschaft - in Form von Bürokratie und unterschiedlichen Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten empfindet der liberale Kommissar als Ärgernis. Die Wunschliste der Unternehmen Dass Kallas damit Wirtschaftsvertretern aus der Seele spricht, wurde auf den Diskussionsrunden des Gipfels deutlich. "Wir müssen ganz allgemein Nachtlieferungsverbote abschaffen", forderte Cindy Miller, Präsidentin des Paketdienstes UPS Europa. "Emissionsabgaben für den Flugverkehr nur in Europa sind der falsche Weg", ärgerte sich der Chef der Frachtairline Lufthansa Cargo, Karl Ulrich Garnadt. Außerdem kritisierte er den langsamen Fortschritt bei der Vereinheitlichung des europäischen Luftraums. Für die Seeschifffahrt wünschte sich Søren Skou, CEO der Containerlinienreederei Maersk Line, das E-Manifest zur raschen Abfertigung von Schiffen, die EU-Häfen und Häfen in Drittstaaten anlaufen. "Der Lang-LKW ist der Schlüssel zur Interoperabilität", sagte Niklas Gustavsson, Vizepräsident des schwedischen LKW-Bauers Volvo. Er verstehe nicht, dass es in Europa so viel Widerstand gegen diese Art des Gütertransports gibt. Lang-LKW würden keine Verlagerung in großem Maße von der Schiene auf die Straße bedeuten. Ein Wettbewerb zwischen diesen Verkehrsträgern gebe es im Güterverkehr fast nicht, weil meist klar aufgeteilt sei, welche Waren am besten mit LKW und welche mit der Bahn transportiert werden. Wirtschaftsfeindliches Denken Für Kallas waren diese Äußerungen Balsam auf seine Wunden. Viele der vorgebrachten Wünsche hätte er selbst gerne verwirklicht. Doch als Kommissar kann er nur Gesetze vorschlagen. Die entscheidenden Texte formulieren der EU-Rat und das Europaparlament. Und diese beiden Einrichtungen hatten in den vergangenen Jahren oft genug Kallas' Gesetzesvorschläge verwässert. "Unsere guten Ideen werden oft abgeändert und in ihrer Umsetzung zeitlich verzögert", klagte Kallas schon in seiner Eröffnungsrede. "Ich habe das Gefühl, dass wir in der EU das Gefühl für paneuropäisches Wirtschaften verloren haben", fügte der Este hinzu. Für die Wiederbelebung dieses Gefühls bedürfe es wieder mehr geines renzüberschreitenden Denkens. Die salonfähige Auffassung, dass Marktwirtschaft und Finanzwesen eher etwas Schlechtes seien, müsse revidiert werden. Die Wirtschaftsvertreter stimmten dem zu, gingen aber noch einen Schritt weiter. Lediglich in Europa grenzenlos zu denken, reiche heutzutage nicht mehr aus. Die Politik müsse sich um weltweit gültige Standards bemühen. Nur so sei es möglich, sich mit den grundsätzlich sehr guten Verkehrsleistungen in der EU gegenüber der weltweiten Konkurrenz auch künftig zu behaupten.