Verfassungsrichter kippen Grundsteuer

Besitzer und Mieter von Immobilien stehen vor der größten Umwälzung seit Jahrzehnten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat kürzlich die derzeitige Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Die Regelungen zur Einheitsbewertung von Grundvermögen, die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer in Westdeutschland, verstoßen demzufolge gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, entschieden die Karlsruher Richter. Für eine Neuregelung hat der Gesetzgeber Zeit bis Ende 2019. Danach hat die Verwaltung weitere fünf Jahre für die Umsetzung Zeit. Ende 2024 muss die Grundsteuer für bebaute und unbebaute Grundstücke neu berechnet worden sein. Das BVerfG urteilte über drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Besteuerung von Grundstücken auf Basis der Einheitswerte im Westen von 1964 richteten. In den neuen Bundesländern gehen die Werte sogar auf das Jahr 1935 zurück. Da dem Gericht nur Fälle aus den westlichen Bundesländern vorlagen, bezieht sich das Urteil formaljuristisch auch nur auf sie. In den neuen Bundesländern ist die Situation aber vergleichbar. Über 35 Millionen Grundstücke Das Bewertungsgesetz sieht vor, dass alle Grundstücke im Abstand von sechs Jahren neu bewertet werden sollen. Das sei seit der letzten Hauptfeststellung von 1964 aber nie geschehen, sagte der Vorsitzende des ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Damit bleibe die gesamte Entwicklung des Immobilienmarktes in dieser Zeit außer Acht. Insgesamt wird in Deutschland für mehr als 35 Millionen Grundstücke Grundsteuer erhoben. Sie steht den bundesweit mehr als 11.000 Kommunen zu und bringt aktuell etwa 14 Milliarden Euro im Jahr ein. Es ist Sache der Länder, den Einheitswert zu bestimmen. Er besteht aus unterschiedlichen Faktoren wie der Grundstücksart oder dem Alter eines darauf erbauten Hauses. Dieser Wert wird dann mit der Grundsteuermesszahl und mit dem von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz von teils mehreren hundert Prozent multipliziert. Eine Neuregelung der Grundsteuer ist seit Langem geplant, wurde vor der letzten Bundestagswahl im Herbst 2017 allerdings nicht mehr beschlossen. Es gibt mehrere Reformmodelle mit unterschiedlich großem Aufwand bei der Neufestsetzung. Je nach Art der Immobilie könnte sich die Steuerlast deutlich verändern. Insgesamt soll das Aufkommen der großen Koalition zufolge aber etwa gleich bleiben. Az.: 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Steuern" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Das sagen BDI und DIHK Wirtschaft fordert schnelle und unbürokratische Lösung Der deutsche Industrieverband BDI hatte im Vorfeld eine Reform verlangt, die auf eine vollständige Neubewertung verzichtet."Es ist sinnvoll, Grundstücks- und Gebäudegrößen als Berechnungsgrundlage heranzuziehen", schlug BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang vor und stellte sich damit hinter den Plan der meisten Bundesländer. Das sei zügig machbar und beständiger.Aus Sicht des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) lässt die von den Verfassungsrichtern gesetzte Frist keinen Spielraum für allzu aufwendige Umsetzungsmodelle."Die neue Bewertung als Basis der Grundsteuer muss also einfach werden", folgerte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Sie solle nur einen geringen bürokratischen Aufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung verursachen. Aus Sicht der Unternehmen dürfe die künftige Grundsteuer "auf keinen Fall zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung" führen."Mit Blick auf den Koalitionsvertrag ist die Regierung hier im Wort", warnte Wansleben. Die Politik sei jetzt gefragt - nicht nur der neue Bundesfinanzminister, sondern auch Länder und Kommunen. ag

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